Merken

Der weite Weg zum Bildungsgipfel

Mehr Geld für Schulen und Unis wollten Bund und Länder ausgeben. Doch eine Studie zeigt: Seit 2008 hat sich wenig gebessert.

Teilen
Folgen

Von Karl-Heinz Reith

Berlin. Die Wirtschaft klagt über Fachkräftemangel. Doch 1,56 Millionen junge Erwachsene zwischen 20 und 30 Jahren gelten als „ungelernt“ und sind auch nicht mehr in Fortbildungskursen. 50 000 Schüler verlassen jedes Jahr ihre Schule ohne Hauptschulabschluss. Und es melden sich auch weniger Erwerbstätige zu Weiterbildungen an. Angestrebt war eine Steigerung.

Vier Jahre nach dem Bildungsgipfel von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und den 16 Regierungschefs der Länder zieht der Bildungsforscher Klaus Klemm in einer Studie für den Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) eine ernüchternde Bilanz. Von der damals beschworenen „Bildungsrepublik“ ist Deutschland wahrlich noch weit entfernt.

Als Merkel 2008 die Bildungspolitik zur „Chefsache“ machte, zierten sich die Länder-Regierungschefs gewaltig. Es hagelte derbe Kritik auch aus Merkels eigenem politischen Lager. Die Länder wollten keine Einmischung des Bundes in ihre „Kulturhoheit“, die doch erst zwei Jahre zuvor mit der Föderalismusreform und der Festschreibung eines Kooperationsverbotes von Bund und Ländern in der Bildung gestärkt worden war.

Als es nach langem Murren und Grollen der Ministerpräsidenten im Oktober 2008 in Dresden dann doch zu einem Bildungsgipfel mit der Kanzlerin kam, wurde eine anspruchsvolle Reformliste vereinbart. Die Länder gelobten, Einsparungen infolge des Schülerrückgangs weitgehend in den Schulen zu belassen und für Qualitätsverbesserungen zu nutzen.

Doch nicht nur in Baden-Württemberg – wo derzeit über den geplanten Abbau von Tausenden Lehrerstellen heftig öffentlich gestritten wird –, auch in anderen Ländern ist heute in den Schulen eher Sparen angesagt. Die für 2016 angepeilte Schuldengrenze in den Landeshaushalten wirft überall ihre Schatten voraus.

Ein weiteres Mal versprachen die Länder beim Bildungsgipfel 2008, die Zahl der Schulabbrecher binnen weniger Jahre zu halbieren – nachdem bereits in den 90er-Jahren zwei Verträge darüber mit der Arbeitsagentur folgenlos geblieben waren. Nur im Schneckentempo geht die Schulabbrecherzahl zurück: von 7,4 Prozent eines Jahrganges (2008) auf 6,2 Prozent (2011). In Mecklenburg-Vorpommern (13,3 Prozent) und Sachsen-Anhalt (12,1 Prozent) gibt es noch zweistellige Abbrecherquoten.

Schulforscher Klemm vermisst ein effektives Maßnahmenbündel, das auch die Förderschulen miteinbezieht. Ohnedem sei das Ziel der Halbierung kaum zu erreichen.

Von einer Neuauflage des Bildungsgipfels wollen heute weder Angela Merkel noch die Länder etwas wissen. Pflichtschuldig präsentierten die Ministerpräsidenten auch in diesem Jahr kurz vor Weihnachten der Kanzlerin den üblichen regierungsamtlich abgestimmten Zwischenbericht über die Umsetzung der 2008 in Dresden verabredeten „Qualifizierungs-Offensive“. Danach ist die deutsche Bildungswelt nahezu tadellos in Ordnung. (dpa)