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Der Weg zum Mediziner wird weiter

Pulsnitz verliert eine Hausarztpraxis. Das beklagen Senioren. Aber die Bedingungen am neuen Standort in Großröhrsdorf sind bestens.

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© dpa

Von Reiner Hanke

Pulsnitz. Die Arztsituation ist ein Dauerthema in Deutschland. In Pulsnitz derzeit aber besonders, seit Hausärztin Gabriele Kanitz in den Ruhestand gegangen ist. Neben der Tür zur ehemaligen Praxis erfahren die Patienten, dass Frau Dr. von Wolffersdorff die Praxis übernimmt. Allerdings nicht mehr in Pulsnitz, sondern in Großröhrsdorf. Dort sind in einem Neubau im früheren Kirchlehn neue Praxisräume entstanden.

Gerade für ältere Patienten wie Siegrid Winter aus Pulsnitz ist das ein Problem. Sie schreibt: „So müssen wir alle außerorts zum Hausarzt fahren!“ Ihr sei es aber aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr möglich, mit öffentlich Verkehrsmitteln zu fahren. So müsse sie sich per Auto fahren lassen. Das verursache ihr zusätzliche Kosten. Auch brauche man den Hausarzt schnell einmal. Bei anderen in Pulsnitz ansässigen Ärzten sei sie abgewiesen worden. Sie wisse aber, dass andere „Ehemalige“  mehr Glück gehabt hätten. Für die Seniorin sei unverständlich, dass die Praxis nicht in Pulsnitz bleiben konnte. Es gebe genug Räume. Unverständlich sei ihr auch, dass sich die Stadt nicht eingeschaltet habe.

Gabriele Kanitz praktizierte seit 1991 in Pulsnitz. Ende des Vorjahres schloss sie die Praxis in ihrem Privathaus. Das bewohnt sie mit ihrem Ehemann Ralf Kanitz. Er ist bekannt als ehemaliger Leiter des städtischen Bauamtes und schätzte ein: „Die Räume im Haus an der Rietschelstraße sind nicht mehr angemessen für eine moderne Praxis in der heutigen Zeit.“ Er setzt auch hinzu: „Wir haben niemanden gefunden, der in Pulsnitz eine Praxis eröffnen wollte.“ Allerdings seien Pulsnitz und Großröhrsdorf ein Versorgungsbereich. So sei es möglich, die Praxis im Nachbarort zu eröffnen. Es sei natürlich bedauerlich, wenn die ältere Dame von den Ärzten in Pulsnitz abgelehnt worden sei. Dann bleibe nur der Weg nach Großröhrsdorf.

Strukturen und Personal vorhanden

Dort hat sich Dr. Marlen von Wolffersdorff inzwischen eingerichtet. Da Frau Dipl.-Med. Kanitz in ihrem privaten Haus praktizierte, habe eine Übernahme der Räume nicht zur Diskussion gestanden, sagt sie. Auch seien die Schwestern mit der Ärztin in den Ruhestand gegangen. So habe auch kein erfahrenes Personal zur Verfügung gestanden. Und vonseiten der Stadt Pulsnitz sei niemand an die Ärztin herangetreten. Dagegen sei schon vor fast zwei Jahren die Großröhrsdorfer Hausärztin Dr. Simone Krause auf sie zugekommen: „Ob ich mir vorstellen könne, in dem neu entstehenden Ärztezentrum eine Kooperation einzugehen.“ Dr. Marlen von Wolffersdorff war bisher im Krankenhaus tätig. Sie empfand das als glückliche Fügung. Denn so sei auch die gemeinsame Nutzung der umfangreichen Diagnostik-Möglichkeiten in der gemeinsamen Praxis wirtschaftlicher. „Zudem waren bereits Strukturen und Personal vorhanden, auf die ich als Neustarter zurückgreifen konnte“, erklärt die Ärztin. Außerdem liege ihr sehr am Herzen, eine Kollegin in der Nähe zu haben, die sie auch einmal um Rat fragen könne.

Das seien ihre persönlichen Gründe, erklärt die Ärztin. Alle nur zu verständlich. Ebenso könne sie den Unmut in Pulsnitz verstehen. Das Problem sei aber viel tiefgreifender und projiziere sich jetzt auf sie und die Verlagerung des Hausarztsitzes um fünf Kilometer in den Nachbarort. Sie schätzt die Situation so ein: „Die Pulsnitzer Kollegen sind überfüllt – ebenso wie die Großröhrsdorfer. Gemäß Bedarfsplanung der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen (KVS) war aber unser Gebiet hier bis Oktober 2017 ,überversorgt‘ mit Hausärzten“. Inzwischen werde die Lage als „ausgeglichen“ eingeschätzt. Für sie selbst sei der gefühlte Hausarztmangel in der Region Pulsnitz-Rödertal aber nachvollziehbar.

Überrascht von der Entwicklung

An der Einschätzung der Kassenärztlichen Vereinigung hat sich dagegen nichts geändert. In anderen Regionen sei die Lage deutlich schwieriger als im Pulsnitz- und Rödertal. Praxisübernahmen sollen natürlich Kontinuität in der Versorgung bringen, erklärt Katharina Bachmann-Bux von der KVS. Das gelte auch in örtlicher Hinsicht. Ausnahmen seien wie in diesem Fall aber möglich, wenn die Räume nicht mehr zur Verfügung stünden. Die Genehmigung erteile letztlich der „Zulassungsausschuss Ärzte Dresden“. Und der habe die Situation aus Sicht der KVS richtig bewertet: „In einer solchen Konstellation muss es zwangsläufig zur Verlegung der Praxis kommen.“ Dabei seien die örtlichen Verhältnisse berücksichtigt worden. Was wohl heißen soll: Die Nähe zwischen den Städten ließ den Umzug der Praxis zu. Damit habe eine regional verwurzelte junge Hausärztin gewonnen werden können. Das sei leider nicht mehr selbstverständlich, so Katharina Bachmann-Bux. Zudem sei Frau Dr. von Wolffersdorff die einzige Interessentin geblieben. Das ersatzlose Aus hätte ungleich schlimmere Folgen gehabt, auch für Pulsnitz. Dort im Rathaus war man wohl etwas überrascht von der Entwicklung.

Nach Kenntnis von Bürgermeisterin Barbara Lüke „war die Nachfolge gesichert, doch deutete offenbar nichts auf eine Weiterführung außerhalb von Pulsnitz hin“. Die Stadt habe natürlich ein sehr starkes Interesse daran, die Hausärzte in Pulsnitz zu halten: „Räume hätten unproblematisch vermittelt werden können.“ In der Zukunft werde sie selbst stärker in die Offensive gehen und von sich aus auf die Ärzte zugehen, um ein Verbleiben der Praxis am Ort zu unterstützen. Das sei aber nur möglich, wenn auch im Rathaus bekannt ist, dass ein Arzt in den Ruhestand gehe.

Eine große Hoffnung spricht Dr. Marlen von Wolffersdorff nun aus: Sie wünsche sich, dass die Pulsnitzer Patienten das Angebot in Großröhrsdorf annehmen. Immerhin werde ihre hausärztliche Versorgung in einer modernen, gut ausgestatteten und barrierefreien Praxis im Nachbarort fortgeführt.