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Der Wecker klingelt früh für Schüler

Überall im Raum Löbau-Zittau beginnt die Schule zeitig. Wissenschaftler halten das für ungesund.

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© dpa

Von Erik-Holm Langhof

Kurz nach halb sieben. So früh am Morgen müssen Schlegler Schüler nicht etwa aufstehen, um in ihre Zittauer Schule zu gelangen. Nein, sie müssen um diese Zeit am Morgen bereits an der Haltestelle auf ihren Bus warten. Für Waschen, Kämmen und ein Frühstück sollte vorher auch noch Zeit sein. Denn an der Parkschule in Zittau müssen die Schüler bereits ab 7.30 Uhr auf der Schulbank sitzen.

Auch an der Löbauer Oberschule geht es sehr zeitig los. Ab 7.20 Uhr müssen dort die Jugendlichen für den Unterricht bereit sein. Selbst die Jüngeren haben es nicht besser. Nur fünfzehn Minuten später müssen die sieben- bis Elfjährigen Grundschüler an der Wilhelm-Busch-Grundschule in Zittau aufmerksam und ausgeschlafen am Schultisch sitzen. Doch warum gibt es Unterschiede?

Laut Schulgesetz darf der Schulbeginn von Schule zu Schule selbst geregelt werden. Voraussetzung ist, dass die Gesamtlehrerkonferenz und die Schulkonferenz – bestehend aus Eltern, Schülern und Lehrern – dem Vorhaben zustimmen. Doch das ist nicht alles, wie Dr. Bernd Ebert, Schulleiter des Zittauer Christian-Weise-Gymnasiums, berichtet: „Es müssen zudem Absprachen mit dem Schulträger getroffen werden, um die Busverbindungen aus den einzelnen Gemeinden gewährleisten zu können.“ Denn einige Busse fahren nur einmal am Morgen in die Innenstadt. Da ist es logisch, dass keine Einrichtung einen Alleingang starten kann. „Im Moment gibt es keine Überlegungen, die Schulzeiten zu ändern“, sagt Dr. Ebert weiter.

Wissenschaftliche Gegenargumente zum frühen Schulstart gibt es auch. Der Psychologe Jürgen Zulley ist einer der bekanntesten Schlafforscher Deutschlands und leidenschaftlicher Kämpfer für späteren Schulbeginn. Er hat herausgefunden, dass der Schlaf-Wach-Rhythmus von Jugendlichen ganz anders ist als der von kleineren Kindern oder Erwachsenen. „Sowohl die Erfahrungen aus den Schulen und die der Eltern belegen, dass für viele 8 Uhr zu früh ist.

Hier wird der wertvolle Schlaf abgeschnitten“, schreibt Zulley. „Übermüdet in die Schule zu gehen, fördert weder die Lernmotivation noch Leistungsfähigkeit, die um 8 Uhr bei den Schülern ohnehin so schlecht ist wie um Mitternacht“, sagen Freiburger Kollegen. Jürgen Zulley spricht bei Frühaufstehern von Lerchen, bei Langschläfern von Eulen. Den Knackpunkt setzt er bei den Schülern im Alter von zwölf Jahren an: „Schon vor Einstieg in die Pubertät wandelt sich das Bild und aus Lerchen werden Eulen“, ist er überzeugt.

„Gut belegt ist diese Rückverlagerung der biologischen Rhythmen und das vermehrte Schlafbedürfnis unserer Heranwachsenden.“ Es sei nicht in erster Linie der Diskobesuch, der sie so spät ins Bett kommen lässt, es sei die innere Uhr der Jugendlichen.

Diese Erkenntnisse hat sich im vergangenen Schuljahr erstmals eine deutsche Schule zu Herzen genommen. Ein Gymnasium in Alsdorf bei Aachen hat eine Gleitzeit für einige Schüler eingeführt. Die Oberstufe kann ihren Schultag mit Freiarbeit nach einem eigenen Lernplan für jeden Schüler beginnen. Dabei können sie sich aussuchen, ob sie in der ersten Stunde zu einem Lehrer zum Arbeiten in einen Klassenraum gehen – oder lieber allein zu Hause arbeiten. Nach einem Jahr Laufzeit untersucht jetzt ein Münchener Professor für Medizinische Psychologie, wie sich diese Freiheit auf das Lernen der jungen Menschen auswirkt. Es ist also auf weitere Erkenntnisse zu hoffen.

An der Ruppersdorfer Grundschule wird nun bereits seit einiger Zeit auf den frühen Schulstart geachtet. Wie Schulleiter Heyde Schmidt erzählt, finden in den ersten Stunden des Unterrichtsplan meist Fächer statt, die die jungen Schüler noch nicht zu sehr fordern. Darunter finden sich beispielsweise das ‚Fördern‘ oder Musik. „Außerdem sind an unserer Schule zahlreiche Gastlehrer, weswegen der Unterricht zum Teil erst in der zweiten Stunde anfängt“, so Schmidt. Auch Bernd Ebert vom Zittauer Gymnasium ist überzeugt, dass frühes Aufstehen nicht dem Biorhythmus seiner Schüler entspricht. „Aber es ist ein zweischneidiges Schwert“, sagt er.

„Wenn wir mit einer optimalen Zeit um 8.30 Uhr anfangen würden, dann endet der Schultag für die Schüler erst gegen 17 Uhr.“ Schüler in Vereinen oder Musikschulen könnten somit erst sehr spät aktiv werden und sich nach Meinungen des Schulleiters nur schwer darauf konzentrieren. Doch kürzen kann man den Schultag auch nicht. Wie Ebert sagt, muss das vorgesehene Stundenkontigent eingehalten werden.

Doch viele Schüler sehen die Schulanfangszeiten gelassen. „Es ist für einen Teil der Schülerschaft weniger interessant, ob sie nun um 7 oder 8 Uhr in die Schule gehen“, berichtet Robert Bundesmann vom Schülerrat des Christian-Weise-Gymnasiums. „Allerdings würden sich Schüler in den höheren Klassen über mehr Schlaf freuen.“ Dazu zählt der Zehntklässler nicht nur den Biorhythmus, sondern auch Schulaufgaben, mit denen sich die Schüler bis in die Nacht beschäftigen.

  • So früh beginnt die Schule:
  • Heinrich-Pestalozzi-Oberschule Löbau: 7.20 Uhr
  • Carl-Wilhelm-Arldt Grundschule Ruppersdorf: 7.30 Uhr bzw. 8.30 Uhr
  • Park-Oberschule Zittau: 7.30 Uhr
  • Oberschule der Weinau Zittau: 7.35 Uhr
  • Christian-Weise-Gymnasium Zittau: 7.45 Uhr
  • Wilhelm-Busch-Grundschule Zittau: 7.45 Uhr
  • Zinzendorf-Gymnasium Herrnhut: 8 Uhr