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Der Verpeilte

Philipp Collin wird wegen eines Dopingverstoßes gesperrt. Dabei ist dem Volleyballer kein Doping nachgewiesen worden.

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© nordphoto

Von Ullrich Kroemer

Es ist kalt an diesem Tag in Halle an der Saale, plötzlich taucht Philipp Collin auf. Der Volleyball-Nationalspieler war mehr als zwei Monate lang für die Öffentlichkeit nicht zu sprechen gewesen. Der Grund für das Schweigen des 2,04-Meter-Riesen: Er darf seit dem 20. August 2014 seinen Beruf als Volleyballprofi nicht mehr ausüben, weder im Verein noch in der Nationalmannschaft.

Der Mittelblocker, der von 2011 bis 2013 in Dresden spielte, wurde zunächst vorläufig gesperrt, inzwischen erhielt er ein einjähriges Spielverbot. Der Grund: Collin hatte innerhalb von 18 Monaten drei Dopingkontrollen verpasst, sogenannte Missed Tests. „Ich bin auch für den Kampf gegen Doping. Aber ich finde es viel zu hart, wie vorgegangen wird“, sagt er. Wegen eines administrativen Fehlers ein bis zwei Jahre Berufsverbot zu verhängen sei nicht verhältnismäßig. „Ich habe schließlich nicht gedopt, ich bin nur verpeilt“, beteuert er.

Der Hintergrund: Als A-Kader des Volleyballverbandes ist Collin wie etwa 7 250 weitere deutsche Athleten in den Testpools der Nationalen Anti-Doping-Agentur (Nada) erfasst. Diese Sportler müssen per Computerprogramm 365 Tage im Jahr auf die Stunde genau angeben, wo sie sich befinden, um ständig für die Kontrolleure erreichbar zu sein. Wer das versäumt und Kontrollen verpasst, riskiert eine Sperre. Ein Leben unter ständiger Kontrolle.

Während sich Collins Kollegen bei der Weltmeisterschaft in Polen zur sensationellen Bronzemedaille schmetterten, verzog er sich nach Rostock zu seinen Eltern. In den ersten zwei Wochen nach Beginn der Sperre haderte er mit seinem Schicksal, seiner Schlampigkeit, der rigorosen Bestrafung, seiner Zukunft. Anders als für viele Fuß- oder Handballer ist ein Jahr ohne Einkommen für einen Profi-Volleyballer ein Desaster.

Doch Collin geht es nicht nur ums Geld. „Nicht spielen und trainieren zu dürfen, ist das Schlimmste“, sagt er. „Das war nicht einfach für mich, ich brauchte Zeit zu realisieren, was passiert ist. Die größte Angst war, dass Olympia in Gefahr gerät. Das ist noch immer mein großer Traum.“ Nach diesen Tagen der Trübsal beschloss er, sich aufzuraffen und weiterzumachen: „Wenn ich jetzt den Kopf in den Sand stecke, hätte ich auch nicht anzufangen brauchen.“

Der in Neubrandenburg geborene Schnellangreifer hatte in den vergangenen drei Jahren eine atemberaubende Karriere hingelegt. Bis 2011 hatte er sein Talent in der zweiten Mannschaft des Bundesligisten Chemie Volley Mitteldeutschland verschleudert, zockte nächtelang am Computer. Doch nach seinem Wechsel zum VC Dresden ging sein Stern urplötzlich auf. Collin wurde in rasantem Tempo Nationalspieler und wechselte zum französischen Spitzenklub Tours VB, wo er im Frühjahr das Double feierte – und kurz darauf wegen der Dopingaffäre gefeuert wurde.

Unterkriegen lassen will er sich nicht. „Ich bin immer noch ein kleiner Chaot, aber ich habe mich entwickelt und versuche, die Sperre nicht als Rückschlag zu sehen.“ Weil er aufgrund der Sperre nicht einmal bei einem Team oberhalb der 3. Liga mittrainieren darf, hält er sich bei Drittligist SV Warnemünde fit. Kein adäquater Ersatz für einen europäischen Spitzenmann. Um nicht ganz einzurosten und Geld zu verdienen, will er sich im Libanon verdingen, der kein Mitglied des Weltverbandes ist. Ab 20. August 2015 darf der geläuterte Profi dann weiter an seinem Traum arbeiten, der Teilnahme an den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro. „Ich muss da hin“, sagt Philipp Collin, „meine Eltern haben schon Flugtickets nach Brasilien gebucht.“