Merken

Der vergessene Prunksaal

Das Palais im Großen Garten steht für den Ursprung des Barocks in Sachsen. Für die Politik ist es ein lästiges Stiefkind.

Teilen
Folgen
NEU!
© Sven Eillger

Von Tobias Wolf

Wenn sich jetzt die Tore für die neue Doppelausstellung im Palais Großer Garten öffnen, ist der Barockbau für einen Moment wieder im Bewusstsein der Dresdner. Ihre Stadt werden sie auf Infrarot-Fotografien und historische Kostüme der Zeitsprünge-Ausstellung erleben. Alles in Ordnung, so scheint es. Doch nichts ist gut im Palais Großer Garten, wenn es um den baulichen Zustand geht, beklagt der gleichnamige Förderverein.

Das Palais im Großen Garten in Dresden.
Das Palais im Großen Garten in Dresden. © Thomas Lehmann

Seit Jahren halte der Freistaat die Mitglieder hin, obwohl sie mit über 3 000 ehrenamtlichen Arbeitsstunden im Jahr als Aufsicht und Einlassdienst dafür sorgen, dass der Prunkbau überhaupt noch zugänglich ist – als offener Ort für alle Bürger. Gemachte Versprechen sind vergessen. Das Palais ist ein Stiefkind der Politik.

Dabei brauchte der äußerlich intakte Bau, der Ursprung des Barocks in Mitteldeutschland, eine umfassende Rekonstruktion im Inneren. Im Obergeschoss sind Kriegswunden präsent. Marode Ziegelwände verleihen dem einstigen Prunksaal den Charme eines Abrisshauses. Irgendwann wurden Heizkörper eingebaut, so hoch, dass Gebläse die Wärme nach unten drücken müssen. Wände, Gesimse und Bemalung müssten rekonstruiert werden. „2009 war die Bauplanung schon einmal weit gediehen, dann hieß es plötzlich Stopp“, sagt Vereinschef Reinhard Decker. Dabei wollte der Freistaat mit dem Haushalt 2011/12 die Rekonstruktion beginnen.

Versprechen werden nicht gehalten

Die Initiative ging auf Ex-Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) zurück, der im Palais Gäste der Staatsregierung empfing. „Es ist ein repräsentativer und sehr sicherer Ort für Staatsempfänge, weil das Gelände ringsum gut einsehbar ist“, sagt Vereins-Vize Eberhard Burger mit Blick auf den geplanten G7-Finanzminister-Gipfel in Dresden. Der 71-jährige Frauenkirchenbaumeister ist der Baufachmann im Verein. Die heutige Landesregierung unter Stanislaw Tillich (CDU) habe jedes Interesse an dem Barockbau verloren, während in der Altstadt Abermillionen verbaut werden.

Dabei steht ein bedeutendes Jubiläum bevor. Am 23. September 2019 jährt sich zum 300. Mal das Venus-Planetenfest, das August der Starke zur Hochzeit seines Sohnes Friedrich August II. mit Maria Josepha von Österreich im Großen Garten feiern ließ. Mit Damenringrennen und einer Opernaufführung im Park. Beim Bankett im prunkvollen Festsaal des Palais drängten sich die Hochzeitsgäste – wie auch bei vielen anderen Partys am sächsischen Hof. Kaum vorstellbar für Besucher, die den tristen Raum heute erleben.

Spätestens zum Jubiläum sollte das Palais saniert sein, hofft der Verein. Das würde zwischen 15 und 20 Millionen Euro kosten. Aber auch preiswerte Einzelschritte sind möglich, zu sehen auf der Internetseite des Vereins. So gibt es Entwürfe, wie detailliert der Festsaal wiederhergestellt werden kann. „Eine Bodenheizung, die keine Energie verschwendet, und ein Aufzug für Gehbehinderte sind schon seit Jahren zugesagt, aber passiert ist nichts“, so Burger. Auch Toiletten neben dem Festsaal würden gebraucht.

Nach 15 Jahren ehrenamtlichen Engagements resignieren viele Mitglieder, weil das Palais nicht auf den Stand der Altstadtbauten gebracht wird. Verliert der Verein deshalb Ehrenamtliche, dürfte es vorbei sein mit Ausstellungen, Konzerten und Lesungen, die das Palais bisher mit Leben füllen. Zumal das Gebäude mit der zentralen Position im Großen Garten eine wichtige sichtbare Rolle für viele Dresdner spiele.

Nun will der Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien- und Baumanagement (SIB) bis Ende Juni einen Aufzug einbauen, teilt Sprecherin Andrea Krieger mit. Derzeit laufe die Planung. Kosten will der SIB nicht benennen. Es ist ein kleiner Schritt auf den Verein zu. Schwere Flügel und Cembali müssen dann bei Konzerten nicht mehr von Helfern im Rentenalter über die Treppe geschleppt werden.

Freistaat duckt sich weg

Eine Konzeption zur Sanierung liegt laut Uli Kretzschmar von der Schlösserverwaltung noch nicht vor. Besuchertoiletten in der ersten Etage seien nicht nötig, weil es bald einen Aufzug gebe. Bauarbeiten fänden lediglich zur Erhaltung des aktuellen Zustands und zur Sicherung des Brandschutzes statt. Kretzschmar räumt aber ein, dass eine Sanierung des gesamten Palais unabdingbar sei. Wo das Geld herkommen soll, verrät er nicht.

Eingeplant hat die neue Staatsregierung eine Sanierung wieder nicht. Es gibt neue Prioritäten. „Ich war geschockt, dass der Innenminister das Japanische Palais auf die Agenda heben will, der Barockbau im Großen Garten aber gar keine Rolle spielt“, sagt Frauenkirchenbaumeister Burger.

Er wirft Schlösserverwaltung, SIB und Finanzministerium vor, sich wegzuducken. Bloß keine Stellung zum Palais nehmen und Diskussionen vermeiden. „Wenn der Bürgerwille stark genug ist und die Politik dahintersteht, dann geht alles“, sagt Burger. Wie beim Aufbau der Frauenkirche. „Wir versuchen weiter, die Politik zu überzeugen.“ Zumindest ist es gelungen, CDU-Innenminister und OB-Kandidat Markus Ulbig Anfang Mai ins Palais einzuladen, um sich ein Bild zu machen. Ob es was nützt, bleibt abzuwarten.

www.palais-grosser-garten.de