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Der Verbrecher aus dem Geibeltbad

Der neue Dresden-Tatort läuft am Sonntag im Fernsehen. Pirna spielt dabei eine wichtige Rolle – und bleibt doch unsichtbar.

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© Archiv: Marko Förster

Von Thomas Möckel

Pirna. Nassgraues Schmuddelwetter hängt seit Tagen über Pirna, Schnee, Regen, Schneeregen, Nebel. Im Film ist schon Sommer, die Sonne hat ein heißes Tuch aufs Land geworfen, die Schwüle drückt. Die Kommissarinnen Henni Sieland und Karin Gorniak, gespielt von Alwara Höfels und Karin Hanczewski, schwitzen nicht nur angesichts der Hitze. Auch ihr Fall im neuen Dresden-Tatort „Déjà-vu“, zu sehen am 28. Januar in der ARD, treibt ihnen den Schweiß aus den Poren. Sie müssen den Mord an dem neunjährigen Rico aufklären, und das möglichst rasch, und zudem noch den Missbrauch an einem weiteren Kind verhindern. Starker Tobak, die Fernsehzeitung „Prisma“ urteilt schon im Vorfeld, der Film gehe an die Grenze des Erträglichen, so viel Wut, so viel Trauer, so viel Schmerz liegen darin. Und Pirna spielt bei der Unerträglichkeit des Seins keine unwesentliche Rolle.

Die Filmleute funktionierten das Geibeltbad Pirna kurzerhand ins „Bad Johannstadt“ um.
Die Filmleute funktionierten das Geibeltbad Pirna kurzerhand ins „Bad Johannstadt“ um. © Archiv: Daniel Förster

Weil im Krimi Ricos Schwimmlehrer, gespielt von Niels Bruno Schmidt, unter Mordverdacht gerät, benötigten die Filmleute ein Freibad als drehtaugliche Kulisse. Die Berliner Produktionsfirma „Wiedemann und Berg“, die den Streifen im Auftrag des Mitteldeutschen Rundfunks drehte, testete zuvor mehrere Schwimmstätten, darunter die Dresdner Freibäder Wostra, Prohlis, Cotta und das Arnhold-Bad. Fündig wurden sie allerdings erst außerhalb der Landeshauptstadt – in Pirna. Nun ist das Geibeltbad Arbeitsstätte des zwielichtigen Schwimmlehrers.

Am 19. Juli und am 4. August ließen die Stadtwerke Pirna das Bad für die Allgemeinheit schließen, an den beiden Tagen war es nur für die Filmleute reserviert. Das Basislager hatte das Drehteam auf dem Bad-Parkplatz errichtet. Mehrere Wohnmobile bildeten eine Art Wagenburg, in den Mobilen saßen Schauspieler, Maske, Requisite, Komparsen. Dreh- und Angelpunkt in der kleinen Filmstadt war der Catering-Wagen „Cat Core“ von Jens Bochow aus Teltow, der die Mahlzeiten auf Hotel-Niveau für die Mannschaft lieferte. 45 Leute mussten Bochow und sein Team am ersten Drehtag in Pirna versorgen.

Schon früh gab es Kaffee an seinem Stand, kurz darauf trafen Regisseur Dustin Loose sowie die Schauspieler Alice Dwyer, Benjamin Lillie und Niels Bruno Schmidt ein. Die erste Klappe des Films fiel auf dem kleinen Areal zwischen dem Aktiv-Sportzentrum und dem Geibeltbad. Auf dem Parkplatz musste Alice Dwyer mehrfach aus einem Auto steigen und in Richtung Bad laufen. Dwyer spielt im Film jene Frau, die den Mordverdacht auf den Schwimmlehrer lenkt. Nach drei Anläufen war die Szene im Kasten. Später im Bad übte Schmidt mit sieben- bis neunjährigen Jungen das Schwimmen, auch die anderen Akteure mussten mehrfach ins Wasser – bei Temperaturen über 30 Grad eine willkommene Abkühlung.

Das Manko an der Geschichte: Pirna bleibt im Film als solches unsichtbar. Weil der Film in Dresden spielt, haben die Requisiteure jeden Hinweis auf die Sandsteinstadt aus dem Bild getilgt. So montierten sie kurz vor Drehbeginn an den Statisten-Autos auf dem Parkplatz noch schnell Dresden-Kennzeichen, und an den Zaun vom Geibeltbad hefteten sie ein übergroßes Schild mit dem Aufdruck „Bad Johannstadt“, das man allerdings in diesem Dresdner Stadtteil vergeblich sucht.

Und doch steckt noch mehr Pirna als nur das Bad in dem Krimi: Mehrere Komparsen aus der Stadt durften beim Tatort mitspielen. Darunter ist auch Mandy Naumann aus Graupa, die sich schon vor langer Zeit bei einer Dresdner Filmagentur angemeldet hatte. Für den Tatort las sie im Bad ein Buch und lief mehrfach durchs Bild. Selbst ihr Auto bekam noch eine kleine Rolle. Ebenso dabei war der Pirnaer Josef Mühne, Rettungsschwimmer und Einser-Abiturient. Für den Drehtag war er sowieso geordert, Mühne betreute als Rettungsschwimmer das Drehteam am Schwimmbecken, zeigte, wie man vom Startblock ins Wasser springt und stand für Kamerafahrten Probe. Und dann kam sein großer Auftritt: Für den Tatort sprang er vom Zehnmeter-Turm. „Das ist cool und ein Supergefühl“, sagte Mühne nachher, „wenn ich mit dem Sprung im Film zu sehen bin.“