Merken

Der unbekannte Wintersportstar

Harald Czudaj kennt in Riesa jeder. Vor 35 Jahren war aber schon ein anderer Lokalmatador erfolgreich.

Teilen
Folgen
© privat

Von Axel Kaminski

Riesa. Für viele Riesaer beginnt die Wintersport-Geschichte der Stadt mit Harald Czudaj, der 1994 Olympiasieger im Viererbob wurde. Da er heute mit Gerd Leopold das Sport- und Freizeitzentrum „Olympia“ betreibt, kennt ihn auch heute noch jeder. Weit weniger bekannt ist Detlef Bertz, der Riesaer, der vor 35 Jahren eine internationale Wintersport-Medaille gewann.

Der gebürtige Oschatzer kam in Riesa zum Rennschlittensport. „Auf kuriose Art und Weise“, wie er sagt. Seine Mutter hatte zufällig Helmut Hommel getroffen, der sie ansprach und fragte, ob sie am Rodeln interessierte Kinder hätte. Hommel war Filmvorführer in der Oschatzer Region und hatte die DDR-Meisterschaften im Sommerrodeln auf dem Collm miterlebt. Das hatte ihn so inspiriert, dass er eine Sportgemeinschaft ins Leben rief.

Detlef Bertz stieß 1968 zu den Rodlern von Traktor Collm. „Zu diesem Zeitpunkt bestand die Truppe aus sechs bis acht angehenden Rodlern – alle so um die sechs Jahre“, erinnert sich Bertz. Er sei der Jüngste gewesen. „Wir trafen uns einmal pro Woche im Neubaugebiet Riesa-Weida, Bautzner Straße 1, im Keller von Herrn Hommel.“ Dabei hätten Liegestütze und Kniebeuge im Vordergrund gestanden. Anfang der 1970er Jahre sei die Wohnsportgemeinschaft „Patriot“ gegründet worden. Dann konnte man ein- bis zweimal pro Woche in einer der drei Sporthallen im Neubaugebiet trainieren. Fahrtraining habe es auf der Straße zum Collm gegeben – damals noch mit Schlitten auf vier Rädern.

In Strehla erstmals auf Schnee

„Meine ersten Erfahrungen auf einem Rennschlitten und Schnee machte ich in Strehla, im Park“, sagt Detlef Bertz. Hommel hatte eine Bahn ausfindig gemacht, die aus drei aus Holz errichteten Kurven bestand. Dort habe man lernen können, wie so ein Rodel gelenkt wird. Einem Vergleich zu einer „richtigen“ Rodelbahn aus Eis habe diese Trainingsmöglichkeit natürlich nicht standhalten können. Finanzielle Unterstützung habe es für die Riesaer Rodler so gut wie nicht gegeben. Hommel habe sehr viel aus der eigenen Tasche investiert.

Richtig auf Eis gefahren seien die Riesaer vor allem in Johanngeorgenstadt und Oberhof. Die Altenberger Bahn gab es noch nicht – sie wurde erst 1984 eingeweiht. Die Fahrten dorthin seien teuer gewesen. Deshalb habe der Trainer immer nur drei, vier Sportler mitgenommen und mehr als dreimal im Jahr sei man ohnehin nicht gefahren. Trotz der geringen Fahrpraxis setzte sich Bertz 1975 bei einem Auswahlverfahren unter den besten Jugendlichen aus den Bezirken Dresden und Karl-Marx-Stadt durch und wurde an die Kinder- und Jugendsportschule Oberwiesenthal delegiert.

„Dort begann eigentlich erst unter leistungssportlichen Bedingungen meine Ausbildung zum Rodler“, blickt der 54-Jährige zurück. Zwar hing er seinen Altersgenossen aus dem Erzgebirge in der Rodelausbildung ein ganzes Stück hinterher, ließ sich aber nicht unterbuttern. Die Beharrlichkeit zahlte sich aus: Im Juniorenalter konnte Detlef Bertz erste Erfolge feiern, kam dann auch international zum Einsatz und stand bei einigen Wettkämpfen auf dem Podium. Dazu gehörte die Junioren-Europameisterschaft vor 35 Jahren in Bludenz (Vorarlberg), wo der Riesaer Dritter im Einsitzer wurde. Damals sei man parallel im Ein- und im Doppelsitzer gestartet. Aus diesem Grund findet sich Bertz noch ein zweites Mal in der Bludenzer Ergebnisliste: gemeinsam mit Hans-Joachim Menge als Sechster bei den Doppelsitzern.

Bei den Erwachsenen waren solche Doppelstarts nicht mehr möglich. Für Detlef Bertz hatte der Vorstand des Sportclubs festgelegt, dass er als Testfahrer für neues Material und im Doppelsitzer eingesetzt wird. „Dort konnte ich meine größten Erfolge verbuchen: Weltcup-Siege und -Platzierungen unter anderem in Königssee, Innsbruck, Olang und Imst“, blickt er zurück. Die Statistik nennt zum Beispiel den Weltcup-Sieg mit seinem Partner Hans-Joachim Menge in Königssee in der Saison 1983/84 und den 2. Platz bei der DDR-Meisterschaft 1984. Damit konnten sie sich für die Olympischen Winterspiele 1984 in Sarajevo qualifizieren. „Das war der Höhepunkt meiner Laufbahn. Aufgrund eines Sturzes blieb uns aber ein erfolgreiches Abschneiden verwehrt.“

Ein Jahr später gewannen Bertz/Menge nochmals Bronze bei den DDR-Meisterschaften. Detlef Bertz beendete 1986 seine sportliche Laufbahn und arbeite bis 1990 beim Sportclub Traktor Oberwiesenthal als Techniktrainer. Später betreute er seinen Sohn Denis, führte ihn zur Junioren-Rodel-WM 2003 in Königssee, wo er den Titel errang. Inzwischen ist Detlef Bertz beim Sozialwerk der Bundeswehr tätig.

Zwei der Rodelbahnen, auf denen er Erfolge feierte, gibt es nicht mehr: Die Olympiabahn von 1984 wurde im Jugoslawien-Krieg zerstört. Die Bahn in Bludenz-Hinterplärsch soll komplett neu gebaut werden. Sie hat bereits den Zuschlag für die Junioren-WM 2019 erhalten.