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Der unbekannte Riese

In der Oberlausitzer Kunststoff-Branche arbeiten 2800 Menschen. Dass das kaum jemand weiß, liegt auch an den Firmen.

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© Plastic Concept

Von Tilo Berger

Neusalza-Spremberg/Zittau. Wenn es um die bedeutendsten Wirtschaftszweige der Oberlausitz geht, fallen schnell die Stichworte Braunkohle, Waggonbau und Tourismus, auch noch Lebensmittelproduktion und Maschinenbau. Zu den Branchen, die nur selten genannt werden, gehört die Kunststofftechnik. Dabei produzieren in rund 60 Unternehmen insgesamt etwa 2800 Beschäftigte viele Dinge, die wir aus dem Alltag kennen.

Bei der Jokey Plastik GmbH in Sohland (Spree) fertigen rund 150 Mitarbeiter zum Beispiel Badmöbel, Transportkisten und Eimer für Bautz’ner Senf. Die 30 Beschäftigten der HKM Kunststoffverarbeitung GmbH in Neusalza-Spremberg produzieren unter anderem Teile für Büromöbel. Bei der Pragma GmbH in Zittau bauen 18 Mitarbeiter Großtasten-Telefone für Rufanlagen in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz sowie Gummischläuche für das Innenleben von Autos. Derzeit entwickelt Pragma zusammen mit der Technischen Universität Cottbus/Senftenberg einen neuartigen Notruftaster zum mobilen und stationären Gebrauch. Die Lakowa GmbH mit Sitz in Wilthen und einer zweiten Produktionsstätte in Sohland (Spree) produziert unter anderem Innenverkleidungen für Kranken- und Rettungswagen, die in Deutschland und im Ausland gefragt sind. Das Unternehmen beschäftigt rund 160 Mitarbeiter.

So viele hatte die Plastic Concept GmbH in Neusalza-Spremberg vor zehn Jahren auch. Doch seitdem bekam das Unternehmen reichlich Aufträge auf den Tisch, sodass sich die Mitarbeiterzahl fast verdoppelte. Erklärte Geschäftsführer Bernd Nebel damals, dass seine komplette Belegschaft aus Oberlausitzern besteht, kann er das heute nicht mehr sagen. „Allein mit Mitarbeitern aus der Region könnten wir unser Pensum nicht mehr stemmen“, betont der 54-Jährige. „Wir haben mittlerweile auch Polen und Tschechen eingestellt.“ Das zeigt sich an den Autokennzeichen auf dem Betriebsparkplatz. Aber ob die Mitarbeiter nun aus Sachsen oder aus den Nachbarländern kommen, eines gilt dem Geschäftsführer zufolge für alle: ständige Weiterbildung. „Nur mit Schulungen können wir mit dem Stand der Technik Schritt halten, gerade in der Autoindustrie.“ Denn aus dieser bekommt das Unternehmen das Gros seiner Aufträge. Kunststoffteile von Plastic Concept stecken unter anderem in Fahrzeugen von Mercedes, Porsche, Volkswagen, BMW, Audi, Skoda, Ford und MAN. Mit Abstand größter Kunde ist der Volkswagen-Konzern, der jährlich für rund zwölf Millionen Euro bei Plastic Concept einkauft. 2013 bekamen die Neusalza-Spremberger aus Wolfsburg einen Großauftrag über Handschuhkästen für mehrere VW-Modelle. Allein für die Aufträge von Volkswagen baut sich Plastic Concept jetzt für mehr als eine Million Euro eine neue Montagehalle. Der Rohbau steht schon, jetzt läuft der Innenausbau.

Neulich zeigte Bernd Nebel seine neue Halle den Geschäftsführern anderer Kunststoff-Firmen aus der Oberlausitz und aus Dresden. Viele von ihnen bestätigten die Erfahrungen des Plastic-Concept-Chefs: Es wird schwieriger, geeignete Fachkräfte zu finden. Und die ständige Schulung der Mitarbeiter ist unverzichtbar, um auf der Höhe der Zeit zu bleiben.

Die Industrie- und Handelskammer (IHK) will den Erfahrungsaustausch von Kunststoff-Unternehmern künftig fest im Terminkalender verankern. Denn eines zeigte sich beim kürzlichen Treffen in Neusalza-Spremberg auch: Die Chefs kennen einander kaum. Das soll und kann sich ändern, sagte die Bautzener IHK-Geschäftsstellenleiterin Jeanette Schneider.

Andere Branchen sind da weiter. So gibt es in Maschinenbau und Metallverarbeitung das Netzwerk Team 22 mit Unternehmen aus der Oberlausitz und dem Raum Dresden. Das Team 22 organisiert regelmäßig Ostsächsische Maschinenbautage in Bautzen, zu denen mittlerweile Fachleute und Kunden aus ganz Europa kommen.