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Der überraschte Chilene

Hernando León bekommt den Pirnaer Kulturpreis 2017. Die Verleihung hatte die Stadt gut getarnt und geheim gehalten.

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© SZ/Möckel

Von Thomas Möckel

Pirna. Hernando León sagt zunächst einmal gar nichts. Er schaut fragend, ja ungläubig, nach vorn zum Pult, wo Pirnas Oberbürgermeister Klaus-Peter Hanke gerade seine Rede beendet hat. Dann steht der chilenische Künstler, Wahlheimat Pirna, langsam auf, erkundigt sich höflich, ob er jetzt sein Jeanshemd noch schnell gegen ein Sakko tauschen müsse, er wirkt sehr gerührt. Mit leiser Stimme sagt er: „Diese Überraschung ist wirklich gelungen.“ Was den Künstler da so aus der Fassung brachte, war ein schon vor Wochen eingefädelter Coup: Pirna hat Hernando León am Freitagabend den diesjährigen Kulturpreis verliehen. Bis zum Schluss hatte die Stadt die Preisverleihung als Finissage seiner Berliner Ausstellung getarnt und ihm gegenüber geheim gehalten. Die Sache glückte, denn die Stadt wollte dem Künstler ihre besondere Aufwartung machen.

Mit der Auszeichnung bringt Pirna seine Wertschätzung für Leóns jahrelanges Wirken als überregional geschätzter und eng mit der Stadt verbundener Künstler zum Ausdruck. León sei Pirnas Botschafter, sagt Hanke, der wirksame Zeichen setze. Er zeige durchdacht und reflektiert seine unverstellte Sicht auf die Dinge. Seine Zeichen finden sich zahlreich hier vor Ort, aber auch außerhalb der Stadtgrenzen: Ob in Berlin oder in Spanien – der Künstler transportiere seinen Blick werbewirksam fast schon in alle Welt. „Kultur kann niemals preiswert sein, aber preisverdächtig“, sagt Hanke. Auch aus diesem Grund fiel die Wahl diesmal auf Leon.

Der Kulturpreis wird auf Beschluss einer vom Stadtrat gewählten Jury alle zwei Jahre vergeben. Unterstützt wird die Aktion von der Ostsächsischen Sparkasse Dresden sowie den Sächsischen Sandsteinwerken mit Sitz in Pirna. Auf dem diesjährigen Preis, einer schweren Sandsteintafel, gefertigt in den Sandsteinwerken, findet sich ein Element aus dem Bild „Der Blickesammler“, das León im Auftrag der Stadt 2015 schuf und das nun im großen Ratssaal des Rathauses hängt. Dass sich Pirna und León überhaupt trafen, ist das Ergebnis von Geschichtswirren, Verfolgung und Flucht.

Hernando León wurde 1933 in der zentralchilenischen Provinz Nuble im Ort Yungay geboren. Nach der Schule studierte er in Chile Wandmalerei und Kunsterziehung, danach in Dresden Zeichnen und Grafik. 1962 erhielt er in Chile für zwei Jahre einen Lehrauftrag an der Academia Chilena de Bellas Artes in Valdivia. Nach Pinochets Militärputsch im September 1973 wurde León allerdings mit anderen Universitätskollegen verhaftet. 1974 gelang es ihm, das Land zu verlassen, seine Frau und seine Kinder folgten ihm wenig später nach Peru. Im April desselben Jahres emigrierte die Familie in die DDR, Leon begann bald darauf, als Dozent an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden zu arbeiten. 1992 gab er seine Lehrtätigkeit auf, um freiberuflich arbeiten zu können.

Im Jahre 1996 erwarb er das „Atelier-Haus“ in Pirna und richtete es für sich und andere Künstler als Atelier- und Ausstellungsort her. Es folgten Ausstellungen vorrangig in Pirna, Dresden und Berlin. Ebenso nimmt er am kulturellen Leben Chiles teil, seit das Land wieder ein demokratisches ist. León lebt in Dresden, Pirna und Santiago.

Und in seiner Wahlheimat Pirna durfte sich León als Kulturpreisträger nun auch im Goldenen Buch der Stadt verewigen.