Merken

Der Turm auf dem Dach des Osterzgebirges

Ohne die Technik wären viele Fernseher in der DDR schwarz geblieben. Der neue Turm erfüllt andere Aufgaben.

Teilen
Folgen
© Egbert Kamprath

Von Wolfgang Lill

Zinnwald. Weithin sichtbar in der Silhouette des Osterzgebirges ist der jetzige Fernmeldeturm auf dem Lugstein. Er ist so etwas wie das Wahrzeichen von Zinnwald-Georgenfeld. Der Stahlbetonturm ist 72 Meter hoch und wurde Anfang der 1990er-Jahre errichtet. Der Sender hat jedoch andere Aufgaben als sein etwas kleinerer Vorgänger. Er überträgt die Mobilfunksignale der Telekom und neuerdings auch LTE. Damit haben die Nutzer im Versorgungsgebiet schnelles Internet. Weiterhin ist Behördenfunk installiert.

Als der neue Turm am Lugstein gebaut wurde, stand noch der alte aus Stahlkonstruktion. Dieser wurde erst später abgerissen.
Als der neue Turm am Lugstein gebaut wurde, stand noch der alte aus Stahlkonstruktion. Dieser wurde erst später abgerissen. © Egbert Kamprath

Der erste, 56 Meter hohe Funkturm wurde hingegen für die Weiterleitung der Fernsehsignale des Deutschen Fernsehfunks im Spätsommer 1957 in Betrieb genommen, also vor 60 Jahren. Von hier aus wurde der Deutsche Fernsehfunk über Richtfunk zunächst an die Stationen in Dresden-Radebeul und zum Sender Katzenstein bei Karl-Marx-Stadt, dem heutigen Chemnitz, weitergeleitet.

Die nächste Aufgabe war das grenzüberschreitende Fernsehen nach der damaligen Tschechoslowakischen Republik (CSR), das auch schon 1957 genutzt werden konnte. Hier ging es zum einen um Liveübertragungen, aber zum anderen auch um zeitversetzte Programmüberspielungen. Die Gegenstation war ein Provisorium, errichtet auf dem Loucna (Wieselstein, Höhe 956 m). Die ersten Monate waren für die Mitarbeiter der Übertragungsstelle nicht einfach, sie mussten unter primitivsten Bedingungen ihren Dienst rund um die Uhr verrichten. Hinzu kamen technische Ausfälle, Reparaturen waren an der Tagesordnung. Insbesondere die RVG 904, ein Richtfunkgerät, war sehr störanfällig und die Ersatzröhren schon neu unbrauchbar. Die Übertragungen von und nach der CSR waren damals noch sehr wenige.

Ein wichtiges Problem war die Versorgung der Sendestelle auf der Landeskrone in Görlitz. Die Signale wurden bis dahin über große Spezialantennen wetterabhängig von Radebeul empfangen – mal besser, mal schlechter.

Am 3. April 1960 wurde neue Übertragungstechnik montiert. Diese kam von den Rafena-Werken und war zuverlässig. Nun konnte man auch den zweigleisigen Programmaustausch beginnen. Es gelang mit Aufbau einer Relaisstation auf dem Löbauer Schafberg, die Landeskrone mit dem Richtfunksignal zu versorgen und damit den Zuschauern in Ostsachsen eine verbesserte Bild- und Tonqualität zu bieten.

Mit der Gründung der Intervision, einer Einrichtung zum Austausch von Fernsehprogrammen am 30. Januar 1960 in Prag, wurden die Übertragungen intensiviert. Die Gründungsmitglieder waren die DDR, CSR, Ungarn und Polen. Kurze Zeit später kam dann die UdSSR sowie später Bulgarien, Rumänien, die Mongolei, Österreich und Finnland dazu. Nun wurde der Programmaustausch umfangreicher, Sportereignisse wie die Friedensfahrt wurden live übertragen sowie die Olympiade oder wichtige politische Ereignisse. Es ging auch um die Durchleitung von Übertragungen zur Eurovision. Wollte zum Beispiel der ungarische Partner ein Fußballspiel aus Hamburg übertragen, so erfolgte diese Übertragung als Richtfunkdienstleistung.

Eine Richtfunkdirektverbindung wurde im Jahre 1963 auch mit Polen aufgenommen. Die Gegenstation war die in 1 490 Metern Höhe im westlichen Riesengebirge gelegene Schneegrubenbaude. Es mussten hier fast 128 Kilometer Luftlinie gemeistert werden, aber es funktionierte.

1965 wurden für den Programmaustausch nach der CSR Hornparabolantennen sowohl auf dem Lugstein als auch auf der neuen Gegenstation Bukova Hora (Zinkenstein bei Aussig) aufgebaut. Am 18. September 1969 erfolgte die Inbetriebnahme des Fernsehturmes in Dresden-Wachwitz. Auch er wurde fortan über das Richtfunksignal vom Lugstein versorgt. Bereits in den 1960er-Jahren wurden auch die Kabelverbindungen ausgebaut. Trotzdem war diese Station für die Versorgung der Fernsehsender und Programmüberspielungen sehr wichtig. Anfang der 1990er-Jahre kam es zur Selbstauflösung der Intervision. Durch neue Kabelverbindungen und auch Richtfunkstrecken verlor die Station Lugstein an Bedeutung. Neben dem neuen Stahlbetonturm existierte diese Anlage noch bis Juli 1995. Dann erfolgte der Abriss.