Merken

Der Traum von Kanada

Beim Einstieg in Vaters Firma im Erzgebirge war Enrico Böhme ein „Mädchen für alles“. Heute gehört die Spedition Bö-Fi zu den größten Arbeitgebern in der Region.

Teilen
Folgen
© Eckardt Mildner

Von Ramona Nagel

Eigentlich wollte Enrico Böhme 1990 auswandern. Nach Kanada. Von dem Land hatte er bis dahin zwar nur in der Schule gehört und gelesen. Aber mit neuer Reise- und Lebensfreiheit und als frischgebackener Agraringenieur schien es ungeheuer attraktiv und vielversprechend.

„Die große Aufbruchstimmung damals hatte auch mich erfasst“, sagt der 47-Jährige. Doch aus den Träumen von Hudson Bay und Rocky Mountains wurde nichts. Stattdessen blieb es Lichtenberg im Erzgebirge. Landschaftlich auch schön – und vor allem mit besonderen beruflichen Perspektiven.

Enrico Böhmes Vater gründete im Einheitsjahr mit Berthold Firl in Burkersdorf (Mittelsachsen) die Bö-Fi Transport und Bau. Der Firmenname entstand aus den Anfangsbuchstaben beider Familiennamen. Dietmar Böhme wollte nicht nur ein florierendes Unternehmen entwickeln, er wollte einen Familienbetrieb. Damit lockte er seinen Sohn, zu bleiben. Mit Erfolg. Auch der zweite Sohn war zunächst dabei.

Enrico Böhme war Einkäufer, Disponent und als Ersatz-Fernfahrer zwischen Stockholm und Rimini unterwegs – eigenverantwortlich und mit viel Vertrauen seines Vaters. „Ich war Mädchen für alles. Das war ein guter Crashkurs, der mir heute noch zugute kommt“, sagt er. Denn er kann in vielen Bereichen nicht nur Ansagen machen, sondern weiß auch, wie es geht und könnte auch selbst einspringen. Enrico erfüllt die Erwartungen des Seniors. An einem Freitagnachmittag Ende 1992 fragt dieser fast beiläufig, ob der Sohn Anteile übernehmen und Geschäftsführer werden wolle. So steigt der Junior mit allen Konsequenzen in den Familienbetrieb ein.

Vater und Sohn sind zwei unterschiedliche Charaktere: Der Vater bestimmend, vorwärtsdrängend, auch mal laut. Der Sohn hingegen überlegt, Teamplayer, diplomatisch. Für den Vater steht die Firma im Vordergrund, sieben Tage die Woche je 24 Stunden. Der Sohn aber möchte auch Freiheiten und leben – und das spätestens ab Samstagnachmittag. Wie ist es, wenn Vater und Sohn so verschieden sind und täglich zusammenarbeiten? „Nur ab und an schwierig“, sagt Enrico Böhme. Letztlich waren der Respekt voreinander und das Ziel, der Familienbetrieb, entscheidend.

Nur kleine Blessuren in der Krise

Die Firma entwickelte sich rasant. 1994 wurde der neue Sitz in Lichtenberg eingeweiht, 2000 und 2015 der Werkstattbereich erweitert. Bei der Neustrukturierung zur Bö-Fi Transport und Logistik GmbH 2003 entstanden die Töchter Transport- und Logistik GmbH und Hoch- und Tiefbau GmbH. Es lief gut, doch plötzlich kamen immer weniger Container aus Übersee in Hamburg an – die Aufträge für deren Transport blieben aus. „Wir haben so die Krise 2008 früh erkannt und konnten gegensteuern, es gab nur kleine Blessuren“, sagt der Firmenchef. Das Unternehmen war breit aufgestellt und musste durch kein schmerzhaft tiefes Tal.

Heute beschäftigt die Gruppe rund 200 Mitarbeiter, davon 180 in der Logistik. 150 Lkw transportieren als Tankwagen Laugen, Säuren und andere aggressive chemische Güter. Kühlfahrzeuge gewährleisten Temperaturen zwischen -30°C bis +30°C. Planenfahrzeug arbeiten speziell für Automobilzulieferungen, Kipper sind mit Getreide, Stahl oder Schrott unterwegs und transportieren bundesweit Sand, Erde oder Baumaterial von und zu Baustellen. „Mit unserem Fuhrpark sind wir in Deutschland mit führend im Baubereich“, meint Böhme.

2015 war ein richtig gutes Jahr mit einem Umsatzplus von 15 Prozent. So könnte es bleiben. Doch die Branche hat Tücken. Wetter und Politik beeinflussen die Aufträge vom Bau. Deshalb setzt der Chef nicht vordergründig auf Wachstum, sondern auf Qualität und Schulung der Teams. „Meine Mitarbeiter sind mein Rückgrat“, sagt Böhme. 2013 starb sein Vater. Seitdem leitet er das Unternehmen allein. „Der Austausch, sich mit ihm zu beraten, das fehlt mir.“

Und Kanada? Enrico Böhme lacht: „Da war ich noch nicht. Aber als Unternehmer sollte man auch für die Freizeit noch Visionen und Träume haben.“

Außerdem wurden unter anderem vorgeschlagen: Jörg Reichelt vom Raumausstatter Reichelt die Einrichter OHG, Ruppendorf; Bernhard Sünder vom Softwareentwickler AMS, Chemnitz; Marlon Teichfuß vom Kinodienstleister Cinedavis GmbH, Dresden; Heiko Helm vom Hersteller von Heizungszubehör HUT Helm Umformtechnik, Riesa; Silvio Leschke vom Entwickler von Sicherheitstechnik Gemtec GmbH, Hainewalde; Sabine Schmidt, Rolf Erbert und Claus Erbert von der Top Gebäudereinigung Sachsen GmbH, Dresden; Jan-Erik Kunze vom Elektrotechnikanbieter IK Elektronik, Muldenhammer; Ansgar Schulz und Benedikt Schulz von Schulz + Schulz Architekten, Leipzig; Robert Czyzowski vom Lausitzer Druckhaus, Bautzen; Mark Eckert vom Website-Entwickler www Deutscher Tele Markt GmbH, Dresden.

Bewerbungen um den Preis unter www.sz-unternehmerpreis.de

Der Preis „Sachsens Unternehmer des Jahres“ ist eine Gemeinschaftsinitiative von Sächsischer Zeitung und Freier Presse sowie von Volkswagen Sachsen, Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft PwC, Sachsen Bank und der Sparkassen-Versicherung Sachsen.