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Der Traum vom Fliegen

Mit 58 Jahren hat der Arnsdorfer Jochen Vetter ein ungewöhnliches Hobby für sich entdeckt. Es führt ihn bislang in 17 Länder.

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© Thorsten Eckert

Von Nadine Steinmann

Arnsdorf. Wenn Jochen Vetter von seinem Hobby spricht, leuchten seine Augen vor Begeisterung. Denn dieses Hobby zeigt ihm die Welt aus einer völlig neuen Perspektive – es ermöglicht ihm, die Welt aus der Luft zu entdecken. Hunderte Meter über der Erdoberfläche. Dabei sitzt er aber nicht wohlbehütet in einem Flugzeug. Ganz im Gegenteil: Jochen Vetter ist frei wie ein Vogel, hängt nur in seinen Gurten, die über ein paar Leinen mit seinem Gleitschirm verbunden sind.

Die Karte zeigt alle Länder, in denen Jochen Vetter bereits geflogen ist.
Die Karte zeigt alle Länder, in denen Jochen Vetter bereits geflogen ist. © privat
In Indien sah Jochen Vetter die buddhistische Tempel- und Klosteranlage Thiksey aus der Vogelperspektive.
In Indien sah Jochen Vetter die buddhistische Tempel- und Klosteranlage Thiksey aus der Vogelperspektive. © privat
Hier fliegt Jochen Vetter über den Pangong Tso, ein Salzsee im Hochland von Tibet.
Hier fliegt Jochen Vetter über den Pangong Tso, ein Salzsee im Hochland von Tibet. © privat

Vor acht Jahren hat ihn das Gleitschirmfliegen infiziert. Während seine Frau den Urlaub in der Wüste verbrachte, meldete sich Jochen Vetter mit 58 Jahren bei einem Schnuppertag zum Paragliding an einer Dresdner Schule an. Von da an war es um ihn geschehen, der Traum vom Fliegen hatte ihn voll erwischt. „Eigentlich habe ich schon immer davon geträumt, nur war das zu DDR-Zeiten leider nicht so einfach“, erklärt Jochen Vetter. Aus Angst vor Republikflucht war der Flugbetrieb stark reglementiert und nur bestimmten Leuten vorbehalten. Deshalb verschrieb sich der heute 66-Jährige über viele Jahre hinweg der Kletterei. „Doch irgendwann wird man immer älter und die Berge gefühlt immer steiler. Nun kann man darüber verzweifeln oder man sucht sich neue Herausforderungen “, berichtet der Arnsdorfer. Deswegen ist er vor acht Jahren „konvertiert“. Zum Fliegen.

Monatelanges Lernen und Training

Drei Monate musste er an Übungshängen trainieren, Flugstunden nehmen und Prüfungen absolvieren, um schließlich den Pilotenschein für das Gleitschirmfliegen in der Tasche zu haben. Seine komplette Ausrüstung, inklusive Gleitschirm, wiegt gerade mal zwölf Kilogramm. Mit ihr hat Jochen Vetter schon zahlreiche Länder aus der Luft entdeckt, unter anderem Südafrika, Marokko, Madagaskar, Spanien und Polen. Erst vor zwei Wochen war er in der Tschechischen Republik. Von 135 Startplätzen in 16 Ländern ist er mittlerweile losgeflogen. Seine Frau begleitet ihn stets auf seinen Reisen, abheben möchte sie aber nicht. Das überlässt sie ihrem Mann, entdeckt in der Zwischenzeit lieber Land und Leute.

Doch ist solch ein Hobby, das den Piloten in solch luftige Höhen führt, nicht auch unglaublich gefährlich? „Nein, Paragliding ist sogar relativ sicher“, erklärt der Arnsdorfer. In den vergangenen acht Jahren sei ihm auch nie etwas schwerwiegendes passiert. Nur Kleinigkeiten, wie eine Handgelenkfraktur oder eine Notlandung in einer Linde musste er bisher verzeichnen. „Die kritischen Phasen sind immer Start und Landung“, erklärt Jochen Vetter. In der Luft selbst ist alles relativ entspannt, der Fliegende kann sich einfach treiben lassen, bestimmt durch Gewichtsverlagerung sowie eine rechte und linke Steuerleine die Richtung. Doch auf die leichte Schulter sollte man dieses Hobby natürlich auch nicht nehmen. Denn je höher der Pilot fliegt, umso kälter wird es. Warme Kleidung ist also Pflicht. Genauso wie ein Helm und festes Schuhwerk. Auch Jochen Vetter musste manche Flüge schon abbrechen, weil es zu kalt wurde. Sein bisher höchster Startpunkt liegt übrigens im Himalaya bei stolzen 5 000 Metern. Damals hat er sich aber nur in ruhiger Luft ins Tal gleiten lassen, ein Flugunfall in turbulenter Luft hätte in der Abgeschiedenheit des Gebirges fatale Folgen haben können.

Die Freiheit nutzen

Grundsätzlich sei das Gleitschirmfliegen ein sehr zeitintensives Hobby, dass auch genügend Vorbereitung bedarf. Denn natürlich können die Piloten nicht überall einfach einfliegen. Flugverbotszonen, zum Beispiel in der Nähe von Flughäfen, sind unbedingt zu beachten. Hinzu kommt, dass die Gleitschirmflieger stark vom Wetter abhängig sind. „Ich denke, als Berufstätiger ist es schwer, diesem Hobby nachzugehen“, ist Jochen Vetter der Meinung. Er hat aber zum Glück viel Zeit, ist vor fünf Jahren in den Ruhestand gegangen. Das ermöglicht ihm nun, das neu gewonnene Freiheitsgefühl in vollen Zügen zu genießen. Irgendwann möchte er gern noch Peru und Argentinien entdecken – sowohl an Land, als auch aus der Vogelperspektive.

Nebenbei hält Jochen Vetter gelegentlich auch Vorträge zum Gleitschirmfliegen. So war er unter anderem im November des vergangenen Jahres zum Bergsichten-Festival in Dresden eingeladen und hielt dort seinen Vortrag „Wenn die Wände steiler werden – Gleitschirmfliegen als Alternative zum Klettern“. Aber auch den Arnsdorfer Bürgern berichtete er im Kino am Markt bereits von seinen Erlebnissen. Und davon sollen in den kommenden Jahren natürlich noch viele hinzukommen.