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Der Traum vom eigenen Haus

Im einstigen Kostümfundus des Theaters am Baderberg haben sich die Hebammen ihr Domizil eingerichtet – damit ist Meißen in der Region Spitze.

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© Claudia Hübschmann

Von Udo Lemke

Meißen. Meißen hat etwas zu bieten, das findet man im Kreis und weit darüber hinaus nicht oft – ein Hebammenhaus. Es ist kein Geburtshaus, wie es sie in Dresden gibt, aber doch ein echter Stützpunkt für Schwangere und junge Mütter und sogar für die Väter. Denn am Baderberg 3, mitten in der historischen Altstadt, haben sich die Hebammen Beate Rosrodowski und Yvette Uhlemann den Traum von einem eigenen Haus erfüllt, wie sie sagen. Bis zum November vergangenen Jahres waren sie Gast in den Räumen einer Physiotherapiepraxis am Markt. Nun haben sie die ehemalige Heimstatt vom Kostümfundus des Stadttheaters bezogen. Aber nicht nur das, sie wurden so umgebaut, wie es ihren Vorstellungen entsprach. Es gibt kleine, gemütliche Zimmer für die Hebammensprechstunden mit Sesseln, Sofas und historischen Schränken, eine kleine Teeküche und das Paradestück – den großen Raum für die Kurse. Das Gebäude gehört der Otto- und Emma-Horn-Stiftung, und die Hebammen sind voll des Lobes für deren Verwalter Tom Lauerwald: „Dass sich ein Mann so stark dafür macht, dass Frauen hier arbeiten dürfen, finde ich wunderbar“, sagt Yvette Uhlemann.

Und Arbeit gibt es in Hülle und Fülle. So viel, dass neben Beate Rosrodowski und Yvette Uhlemann mit Jana Hesse und Anne Kersten zwei weitere Hebammen zu dem Team gekommen sind. „Noch hat in Deutschland jede Frau Anspruch auf Begleitung durch eine Hebamme“, sagt Yvette Uhlemann. Das reicht von der Geburtsvorbereitung, inklusive Blut- und Urinproben, Bestimmung der Lage des Kindes im Mutterbauch über die Behandlung von Schwangerschaftsbeschwerden über den Geburtsvorgang selbst bis hin zur Betreuung der jungen Mütter im Wochenbett. Und natürlich gibt es Rückbildungskurse nach der Geburt und Mutter-Kind-Kurse, Stillbegleitung und vieles andere mehr. Mit dieser Palette an Angeboten, dazu gehören auch Yoga und Kurse zur Sinnes- und Bewegungsentfaltung, sucht das Meißner Hebammenhaus in der Region seinesgleichen. Erst in Radebeul und in Dresden gibt es vergleichbare Angebote.

Yvette Uhlemann sagt, dass der Anteil der Geburten, die zu Hause oder in Geburtshäusern stattfinden, bei gerade einmal drei bis vier Prozent liegt. Allerdings nehmen sehr viele Frauen, die in Kliniken gebären, die Betreuung vor und nach der Geburt von den Meißener Hebammen an. „Ein Gynäkologe hat im Schnitt 15 Minuten Zeit für eine Frau, wir haben eine Stunde“, erklärt Beate Rosrodowski.

Aber es ist nicht nur der rein zeitliche Aspekt, der die Arbeit der Hebammen auszeichnet, es sind vor allem Fragen der Einstellung, die sie von der Apparatemedizin unterscheiden und die letztlich den Frauen zugutekommen. „Ärzte schauen mit so viel Hightech unter die Röcke der Frauen, statt dafür zu sorgen, dass sie sich selbst als werdende Mutter und ihr Kind spüren“, sagt Yvette Uhlemann. Ihr und ihren Kolleginnen kommt es darauf an, die Frauen dahin zu führen, dass sie ihre Kraft spüren. „Ihnen das Gefühl zu geben, dass alles gut ist, sie in ihrer guten Hoffnung zu bestärken, denn eine Schwangerschaft ist ja keine Krankheit“, ergänzt Beate Rosrodowski.

Dass sie das Projekt Hebammenhaus, das ja mit beträchtlichen Investitionen verbunden ist, angegangen sind, kann man nur als mutig bezeichnen. Arbeiten die Hebammen hierzulande doch mittlerweile in einem Umfeld, dass von finanziellen Risiken und unsicheren Zukunftsaussichten geprägt ist. Denn nach wie vor haben Hebammen in Deutschland kein auskömmliches Einkommen, zudem sind sie mit ständig steigenden Haftpflichtprämien seitens der Versicherungen konfrontiert. „Inzwischen haben viele Hebammen aufgegeben, weil sie die Versicherungsprämien finanziell nicht mehr tragen konnten“, erklärt Beate Rosrodowski. Die Meißner Hebammen wollen weiter machen, Yvette Uhlemann: „Es war wichtig, dass wir diesen Schritt gegangen sind.“