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Der Tod ist ihr Beruf

Das Radeberger Bestattungshaus Winkler wird 25. Alles begann mit einer Fahrt nach Bad Reichenhall – im Leichenwagen.

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© Thorsten Eckert

Von Jens Fritzsche

Radeberg. Seine erste Fahrt in den Westen war eine im Leichenwagen. Anfang 1992 war das – und Jan Tschörtner war 13. Kurz zuvor, im November 1991, hatte sich sein Opa Helmut Winkler in Radeberg als Bestatter selbstständig gemacht – und Jan Tschörtner hatte ihn nun bei einer Überführung nach Bad Reichenhall begleitet. „Es war meine erste Berührung mit einem echten Toten“, sagt er heute und schmunzelt. Denn heute – 25 Jahre später – ist er Chef des vom Opa gegründeten Unternehmens.

Und bringt hier von Anfang an seine ganz besondere Sicht aufs Thema Tod ein. „Mein Credo ist ja, dass der Tod aus der Tabu-Zone herausgeholt werden muss, er gehört einfach zum Leben dazu!“ Wobei auch Jan Tschörtner weiß, „dass dies in unserer oberflächlichen Spaßgesellschaft ein langwieriger Prozess ist“. Nur wenige wollen sich in der fröhlichen Werbewelt wirklich ernsthaft mit dem Thema Tod, mit dem Endgültigen befassen. Aber der Radeberger spürt, dass sein Engagement Erfolge erzielt. „Es ist ein Umdenken zu spüren.“

Verabschiedungshalle gebaut

So plädiert Jan Tschörtner beispielsweise immer dafür, „sich am offenen Sarg von den Verstorbenen zu verabschieden“. Früher, weiß er, wurden die Toten ja zu Hause aufgebahrt und die Freunde und Verwandten kamen, um Abschied zu nehmen – „und es wurde dann viel über den Verstorbenen gesprochen, das finde ich sehr würdig“, macht er deutlich. Dazu hat er zum Beispiel eine Verabschiedungshalle auf seinem Grundstück an der Pulsnitzer Straße gebaut. „Hier können die Verwandten jederzeit vorbeikommen, um dem Verstorbenen nahe zu sein“, beschreibt er. Ungewöhnlich ist auch sein Angebot, dass Schulklassen im Rahmen des Ethikunterrichts das Bestattungsunternehmen besuchen können. „Wir zeigen dann natürlich keine Verstorbenen, aber die Jugendlichen sehen, wie es bei einem Bestatter läuft – und auch, dass es ein ganz normaler Teil des Lebens ist“, freut er sich über die Resonanz. Jüngst schauten zum Beispiel auch die Konfirmanden aus dem nahen Weißig vorbei.

Für Aufsehen sorgt Jan Tschörtner dabei auch regelmäßig mit ungewöhnlichen Bestattungsfahrzeugen. So hat er vor einiger Zeit eine historische Leichenkutsche aufwendig sanieren lassen, mit der er auf Wunsch der Hinterbliebenen Verstorbene auf den Friedhof fährt. Und sein jüngster „Neuzugang“ ist ein Barkas-Leichenwagen aus DDR-Zeiten (SZ berichtete). „Mir ist es wichtig, die Geschichte meines Berufes am Leben zu halten“, sagt er mit Blick auf dieses durchaus kostspielige Hobby. Aber auch das gehört für ihn eben dazu, wenn es darum geht, das Thema Tod aus der Ecke mehr ins Licht zu rücken.

Mit dem Leichenwagen zur Familienfeier

Doch noch einmal zurück zur erwähnten Fahrt nach Bad Reichenhall, damals 1992. Es war für Jan Tschörtner dabei nicht die erste Fahrt im Leichenwagen gewesen. „Ich kannte das schon aus DDR-Zeiten, damals sind wir ab und an mit dem Leichenwagen zur Familienfeier gefahren, weil wir kein eigenes Auto hatten“, denkt er zurück. Der Leichenwagen gehörte dabei immer irgendwie dazu – denn Opa Helmut Winkler arbeitete damals beim Dienstleistungskombinat als Bestatter.

„Das Thema war also immer irgendwie da und ich fand das ganz normal“, denkt Jan Tschörtner zurück. Als das Kombinat nach der Wende selbst beerdigt worden war, stand für Helmut Winkler die Frage: Als Angestellter in ein Bestattungsunternehmen zu gehen oder den Schritt zur eigenen Firma wagen. Er wagte ihn. Kaufte ein Haus an der Pulsnitzer Straße, baute es um. „Und ich war immer mit dabei – habe mit angepackt, als es ums Bauen ging und habe dann eben auch nach der Schule oder in den Ferien immer mal im Bestattungshaus mitgeholfen“, beschreibt Jan Tschörtner seinen Weg zu jenem Beruf, den er als „einen der schönsten“ bezeichnet.

Echte Berufung

Dass sein Enkel in diesem Beruf eine echte Berufung sehen würde, hatte auch Helmut Winkler schnell bemerkt. Und baute Jan Tschörtner von Beginn an als Nachfolger auf. Denn auch Helmut Winkler ist überzeugt, dass ein Bestattungsunternehmen als echtes Familienunternehmen viel mehr Nähe im Umgang mit den Kunden in die Waagschale werfen kann. Im Jahr 2000 stieg der Enkel dann mit ein. Und als Helmut Winkler 2005 in Rente ging, übernahm Jan Tschörtner – dann als ausgebildeter Handwerksmeister – die Firma als Geschäftsführer. Vor drei Jahren eröffnete er dann auch eine Filiale in Ottendorf-Okrilla; und insgesamt fünf Vollzeitkräfte haben im Unternehmen Arbeit.

„Dass es mal zu einer solch erfolgreichen Firmen-Entwicklung kommt, konnte 1992 bei unserer Fahrt nach Bad Reichenhall natürlich niemand ahnen“, sagt Jan Tschörtner. Aber in jedem Fall wird diese erste Fahrt in den Westen immer wichtiger Teil der Firmengeschichte sein …