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Der Teint der Tortenkillerinnen

Maskenbildnerin Christine Palme pudert nicht nur gegen Bartstoppeln an.

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© Sven Ellger

Von Nadja Laske

Sie ist so oft erzählt worden – die Geschichte vom Modezahr Moshammer in Dresden. Noch Jahre später und auch jetzt kommt sie wieder auf den Tisch. An dem sitzt Christine Palme. In ihrem Handy hat sie die Weckerfunktion aktiviert. In einer halben Stunde muss sie in der Maske sein. Dort warten dann drei Männer auf sie. Als Tortenkiller mit langen Klimperwimpern, roten Lippen und Perlenketten schwingen sie auf der Bühne des Boulevardtheaters die Kuchengabeln. Zu Ladys der puren Lebenslust macht Christine Palme die Herren. Zumindest optisch – für die erfahrene Maskenbildnerin eine ebenso schöne wie schwere Aufgabe.

Ja, die Sache mit dem Modezaren Moshammer. Sie zeigt, wozu die Kunst, Köpfe zu gestaltenn fähig ist. „Damals spielte ihn der Schauspieler Klaus Frenzel in der Komödie – so unglaublich gut, dass man dachte, es sei wirklich Moshammer“, erzählt Christine Palme. Als PR-Gag spazierte er einmal mit Entourage aus Bodyguards und Sekretärin über die Prager Straße und fragte in einem Hotel nach seinem Zimmer. Auf dem Weg baten Fans ihn um Fotos und Autogramme, und den Rezeptionisten flatterten die Nerven. Schließlich war für den hohen Besuch kein Zimmer reserviert.

An der früheren Komödie hat Christine Palme nach langer Pause wieder in ihren Beruf hineingefunden. Zwölf Jahre war sie mit ihren drei Kindern zu Hause geblieben, so viele Abenddienste vertrugen sich nicht mit dem Familienleben. „Außerdem gefiel mir die Erziehung in den Kindergärten damals nicht.“ Anfang der 90er-Jahre machte sie sich selbstständig und half an der Operette aus. „Ich habe an sehr schönen Inszenierungen mitgearbeitet und wieder Herzblut geleckt.“ Fürs Zwingertrio arbeitete sie und war schließlich bei der Geburt der Hexe Babajaga dabei. Deren lange, spitze Nase, jede Falte und das recht überschaubare Gebiss, auch das rote, stumpfe Haar hat sie zu dem Gesicht vereint, das heute fast jeder schon einmal gesehen hat – auf der Bühne oder auf Plakaten. Unter Christine Palmes Händen wurde der Mime Rainer König zur bekanntesten Hexe der Region. „Rund 520 Mal habe ich ihn für die Vorstellung vorbereitet“, sagt sie. Und noch immer hat sie Spaß an seiner Verwandlung.

Nun macht sie wieder aus Männern Frauen. Ganz andere Kaliber zwar. Statt Pfefferkuchen essen sie Torten und killen auch keine kleinen Kinder. Männliche Haut und Konturen weiblich zu schminken, ist jedoch hier und da eine echte Herausforderung. „Die Schauspieler sollen ja nicht wie Fasching oder in einer Travestieshow aussehen“, sagt die Maskenbildnerin. Im Bühnenlicht wirkt vieles anders als am großen, hell beleuchteten Schminktisch. „So ein Maskenbild entwickelt man nicht von heute auf morgen, es entsteht mit der Inszenierungsarbeit.“

Das weiß Christine Palme, seit sie ihren Beruf gelernt hat: zunächst als Theaterfriseurin am Schauspielhaus und in einem Salon, dann als Praktikantin an den Landesbühnen und anschließend im Studium an der Hochschule für Bildende Künste. Trotzdem ist jede neue Figur, der sie zu ihrem besonderen Gesicht verhilft, ein Erlebnis zwischen Lust und auch ein wenig Frust.

„Ja, ich war auch schon richtig unzufrieden und habe immer wieder etwas verändert, bis endlich alles stimmte“, erzählt sie. Dass Männerhaut großporig ist und am Ende als feiner Teint erscheinen soll und dass Bartstoppeln aus tiefsten Make-up-Schichten immer wieder ans Licht drängen, ist nur der Anfang. „Männer haben viel stärkere Konturen. Markante Kieferknochen und Kinnpartien schattiert Christine Palme mit viel Geduld. Dabei ist nicht egal, ob der Künstler auf der Bühne agiert oder für ein Fotoshooting vor der Kamera.

Die Tortenkiller Michael Kuhn, Manuel Krstanovic und Andreas Köhler sollen toll aussehen. Die Schauspielerin Katharina Eirich hingegen möglichst hässlich. In ihrer Rolle verwandelt sie sich vom strähnigen Basecap-Girl zur Traumfrau. Dafür darf die Maskenbildnerin nur wenige Handgriffe einplanen, mehr Zeit lässt die Handlung nicht zu. Der Handy-Wecker klingelt. Am Schminktisch beginnt die Arbeit. In knapp einer Stunde wird Christine Palme eine brünette Doris Day geschaffen haben.

„Die Tortenkiller“, Boulevardtheater, Maternistraße 17, 26353526 nächste Vorstellungen: 28. und 30. April sowie 2. und 3. Mai, je 19.30 Uhr und 1. Mai, 18 Uhr.

www.boulevardtheater.de