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Der Technologietransfer in Sachsen stockt

Der Freistaat droht Millionen Euro Fördergelder zu verschenken. Grund: Zu wenig Kooperation, zu viel Bürokratie.

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Von Nora Miethke

Dresden. Der Technologietransfer, also die Übertragung von Forschungs- und Entwicklungsergebnissen in konkrete Produkte, scheint in Sachsen nicht so recht zu funktionieren. Diesen Eindruck hat man beim Blick in die Bilanz der Technologietransferförderung des Freistaats. Seit 2007 hat die Sächsische Aufbaubank (SAB) 16 Transferprojekte bewilligt. Dafür wurden nach Angaben des Wirtschaftsministeriums insgesamt rund 600 000 Euro gewährt. Angesichts der 57 Millionen Euro, die in der Förderperiode 2007 bis 2013 aus EU-Töpfen zur Verfügung stehen, ist das spärlich. „Wenn das so weitergeht, verschenken wir am Ende der Förderperiode 56 Millionen Euro. Das müssen wir uns erst einmal leisten können“, sagt Michael Weichert, Vize-Frakionschef der Grünen im Landtag. Auch im Wirtschaftsministerium heißt es: „Die Zahl der Anträge liegt bisher hinter den Erwartungen“. Dass dies so ist, hat mehrere Gründe.

Kreis der Antragsteller ist zu klein

Nach Ansicht der Grünen ist der Kreis der Antragsteller zu klein. Seit 2007 dürfen nur kleine und mittelständische Unternehmen den Antrag auf Förderung stellen. In den Jahren zuvor hatten sich die Technologiezentren federführend darum gekümmert. Eine Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Pricewaterhouse-Coopers hatte jedoch gezeigt, dass die Förderung der Technologiezentren (TZ) ihr Ziel verfehlte, neue Arbeitsplätze zu schaffen und Existenzgründungen anzuregen. Die Wirtschaftsprüfer schlugen vor, den Kreis der Antragsteller zu erweitern. Stattdessen stellte das Wirtschaftsministerium das Verfahren „vom Kopf auf die Füße“, wie es damals in der Behörde hieß. Die Beamten hofften, dass so die EU-Gelder in die Projekte mit den besten Aussichten auf Beschäftigung und Wirtschaftswachstum fließen würden.

„Doch die Unternehmen sind nicht in der Lage, den Antrag zu stellen“, meint Weichert. Viele seien zu klein sowie zeitlich und personell überfordert. Deshalb haben die Grünen im Landtag den Antrag gestellt, die Richtlinie zur Förderung des Technologietransfers auf Technologie- und Gründerzentren, Hochschulen, Universitäten und Forschungsinstitute auszuweiten.

Schwache Vernetzung von Wirtschaft und Forschung

Die Vereinigung der Sächsischen Wirtschaft (VSW) ist skeptisch, ob mehr berechtigte Antragsteller den Technologietransfer ankurbeln werden. „Der Effekt wird Null sein“, sagt VSW-Geschäftsführer Hartmut Fiedler. Denn die Universitäten und Technologiezentren hätten schon jetzt die Chance, Unternehmen offensiv ihre Forschungsergebnisse zu verkaufen. Auch die Förderanträge können sie erstellen, nur unterschreiben muss das Unternehmen. Das ist auch die Position der Landesregierung. Auch wenn die Unternehmen direkt unterstützt werden, wären Technologiegeber und -vermittler stärker als bisher an der Förderung beteiligt, betont eine Sprecherin im Wirtschaftsministerium und verweist auf die im vergangenen Januar verbesserten Förderbedingungen. Danach können TZs und Hochschulen seit Jahresanfang unverändert ihre Dienstleistungen wie Beratung den Firmen komplett in Rechnung stellen und der Freistaat übernimmt drei Viertel der Kosten. Bisher wurden die Beratungsleistungen nur zur Hälfte gefördert.

Dass das Förderprogramm dennoch kaum genutzt wird, liegt laut Fiedler daran, dass die Vernetzung zwischen Wirtschaft und Hochschulen „schwach“ ist. „Es fehlen die wirklichen Vermittler“, beklagt der VSW-Geschäftsführer. Der größte Hemmschuh sei: Sachsens Mittelstand ist nicht im Visier der Forschungseinrichtungen. Nach Ansicht des VSW muss sich das ändern. „Es kann nicht länger sein, dass unsere Institute Absolventen und Forschungsergebnisse in alle Welt verkaufen, nur hier bleibt so wenig“, betont Fiedler.

Antragsbewilligung zu bürokratisch und langwierig

Ein dritter Grund für das Desinteresse liegt in der Bürokratie. Die Unternehmen scheuen die Verhandlungen mit SAB wie auch das aufwändige Berichtswesen nach einer Bewilligung. Viele Firmen sind zur Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigung (AiF) nach Berlin abgewandert. Das AiF bearbeitet, organisiert, prüft und koordinierte Forschungsaufträge im Auftrag des Bundewirtschaftsministeriums. „Die AiF sei flexibler, schneller und unbürokratischer als die SAB“, schildert Fiedler die Erfahrungen der Unternehmer.

Die Bürokratie wird man nicht abschaffen können, weiß Weichert. Deshalb setzt er darauf, dass der Antrag der Grünen Erfolg hat. Im Wirtschaftsministerium wird jedenfalls keine neue Korrektur der Förderrichtlinie geplant. „Die Zahl der Anfragen und Beratungsgespräche nehmen spürbar zu“, heißt es. Korrekturen seien daher „im Moment nicht geplant“.