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Der Tausendsassa des Meißner Sports

Rudolf Lässig prägte die Sportlandschaft der Domstadt maßgeblich. Vor wenigen Tagen wäre er 100 Jahre alt geworden. Jetzt ist sein Leben erforscht.

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© privat

Von Marcus Herrmann

Meißen. Es ist eine erstaunliche Vielfalt an Relikten, die da in einem Depot des Stadtmuseums in der Roten Schule aufbewahrt sind. Jedes einzelne Stück erzählt von einem Leben für und mit dem Sport. Ein großer Wandschrank aus der ehemaligen Wohnung der Meißner Sportlegende Rudolf Fritz Lässig (1917 bis 2007), genannt Rudi, ist hier zu finden. Außerdem jede Menge Zeitungsausschnitte, Dienst- und Sportausweise, Arbeitsbücher, Medaillen, Pokale, Urkunden, Fotoalben und Vereinschroniken. Alles stammt aus der Kurt-Hein-Straße, wo Rudi Lässig mit seiner Ehefrau Erika viele Jahre gelebt hatte. Sie starb wenige Jahre nach ihrem Mann im Februar 2010.

„Schon kurz vor der Wende hatte der damalige Museumsleiter Blawitzki mir erzählt, dass Rudi seinen Fundus eines Tages gerne an unser Haus abgeben würde“, erzählt der Diplom-Museologe Steffen Förster. Dass es im Sommer 2010 dann wirklich dazu kam, ist seiner Tochter Siglinde zu verdanken. Sie führt heute im Erdgeschoss des elterlichen Hauses „Sigis Sporthaus“ in Meißen-Cölln.

Eine Biografie als erklärtes Ziel

„Sie hat uns vor gut sieben Jahren den geschlossenen Nachlass übergeben, der dann komplett in unser Museum transportiert wurde“, erinnert sich Förster. Schon damals sei ihm klar gewesen: Wenn Rudi Lässig in sieben Jahren 100 würde, dann müsse auch eine Biografie erarbeitet werden. Also machte sich der Museologe an die Arbeit, brachte zunächst Systematik und Ordnung in die vielen Erinnerungsstücke und Akten aus dem Leben des gebürtigen Chemnitzers Lässig. Er sei ein Mann gewesen, sagt Steffen Förster heute, der nichts lieber hatte als Bewegung und Geselligkeit. „Beides fand er im Turnen und im Sport.“

Am 2. Oktober 1917 geboren, wuchs der Sohn eines Schlossers in einem typischen Arbeitermilieu auf, besuchte in Chemnitz die Volksschule, wurde 1930 Mitglied im Arbeiter-Wasserrettungsdienst sowie im Arbeiterschwimmverein „Aegir“ Chemnitz. Im April 1932 wurde „Rudi“ in der christlichen Pfadfinderschaft (CPD) „Stamm Normannen“ in Chemnitz aufgenommen, welcher im Jahr der Machtergreifung Hitlers in der Hitlerjugend (HJ) aufging. „Sein Erinnerungsalbum an die Pfadfinder- und HJ-Zeit zeigt ihn bis 1937/38 im Kreise seiner Kameraden auf Fahrten, etwa in die Alpen, die für ein Arbeiterkind außerhalb der Gruppe nicht möglich gewesen wären. Bis zum April 1938 brachte er es bis zum Jungzugführer“, sagt der wissenschaftliche Mitarbeiter am Meißner Stadtmuseum.

Natürlich habe ihn dieses eher unrühmliche Kapitel im Leben Lässigs überrascht, sagt er. Zumal er mit zunehmendem Studium der Vergangenheit auch Auskünfte aus dem Bundesarchiv Berlin erhielt, die zumindest Lässigs Mitläuferschaft dokumentieren. „Eigentlich passen das sozialdemokratische Arbeitermilieu-Milieu, indem er aufwuchs und das Engagement in der HJ und 1938 im paramilitärischen Reichsarbeitsdienst nicht zusammen“, sagt Förster.

Dass Lässig aber erst mit 26 Jahren als Offiziersbewerber der Wehrmacht in die NSDAP eintrat, sei ein Hinweis, dass er dem Nationalsozialismus keinesfalls euphorisch gegenübergestanden habe. Nach Meißen kommt Lässig erstmals im Dezember 1939, leistet hier Wehrdienst und lernt beim Tanz im Hamburger Hof seine spätere Frau Erika kennen. Im April 1944 heiraten die beiden.

Schon wenige Wochen später gerät Rudi Lässig in Sowjetische Kriegsgefangenschaft, kommt aber kurz nach Kriegsende als Verwundeter zurück nach Meißen. Wenig später beginnt Rudis Zeit: Er widmet sein Leben dem Sport in Meißen und qualifiziert sich mehrfach u. a. zum Sportlehrer. Zu seinen größten Leistungen zählen der Aufbau des Wasserrettungsdienstes in Meißen, den Lässig ab 1949 verantwortet.

„Ab 1961 arbeitete er als Berufsschullehrer bei der HO-Berufsschule sowie von 1973 bis 1984 an der Berufsschule des VEB Staatliche Porzellan-Manufaktur Meißen“, erinnert sich Förster.

Bei der BSG Einheit Meißen übernahm Lässig 1960 die Leitung. Seine Frau Erika führte seit 1955 die Hauptkasse der BSG und war selbst Übungsleiterin der Sektion Turnen und Gymnastik. Formal war Lässig bis Sommer 2007 Vorsitzender der 1991 nach deutschem Vereinsrecht umgebildeten SG Einheit Meißen. „Von 1966 bis 1986 bildete er 289 Übungsleiter verschiedener Sektionen aus, erhielt unter anderem die Friedrich-Ludwig-Jahn-Medaille und 1987 den Vaterländischen Verdienstorden in Silber für seine Verdienste im Breitensport“, so Förster. Ausführlicher als es ein Zeitungsartikel vermag, werden sich Beiträge in den kommenden drei Amtsblättern der Stadt Meißen mit dem Leben der Sportlegende befassen.

Die Biografie, die Steffen Förster rekonstruiert und zu Papier gebracht hat, tiefere Einblicke in das bewegte Leben Lässigs. „Die ersten zwei Beiträge sind rein biografisch und halten sich an die historischen Fakten. Im letzten Teil gebe ich den Lesern noch eine abschließende Betrachtung mit auf den Weg“, so der Museologe. Zehn Jahre nach seinem Tod, wird somit das Leben Rudi Lässigs erstmals ausführlich gewürdigt.