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Der Taubenschreck

Alexander Vrága ist zwei Jahrzehnte als Soldat auch im Ausland im Einsatz gewesen. Nun wohnt er in Finkendorf am Rande des Lausitzer Gebirges und hilft als Falkner tschechischen Gemeinden und Firmen gegen Taubendreck.

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© Roman Sedlácek

Von Rolf Hill

Es ist ein nahezu idyllisches Plätzchen mitten im Herzen von Polesí (Finkendorf) am Rande des Lausitzer Gebirges, wohin sich der 48-jährige Falkner Alexander Vrága mit seiner Frau Zuzanna zurückgezogen hat. Doch der Schein trügt. Auch nach seinem bewegten „ersten Leben“ ist er noch immer, wie es so schön heißt, ohne Rast und Ruh. Natürlich gilt seine Liebe und Fürsorge in erster Linie der Familie, die er, bedingt durch den bisherigen Lebensweg, erst recht spät gründen konnte. Heute gehören dazu neben Zuzanna noch die dreijährige Tochter und das gerade sechs Monate alte Söhnchen. Aber es gibt noch so viel mehr, was ihm ebenfalls lieb und teuer ist. Der treue Jagdhund, die Pirsch auf Niederwild mit Pfeil und Bogen, das Präparieren von Tieren und schließlich die Malerei möchte er ebenfalls nicht mehr missen. Und natürlich seine Greifvögel.

Alexander Vrága bei einem Einsatz auf dem Markt in Hrádek nad Nisou.
Alexander Vrága bei einem Einsatz auf dem Markt in Hrádek nad Nisou. © Roman Sedlácek

Geboren und aufgewachsen im südmährischen Dolní Nemcí wurde der junge Saša durch seinen Großvater, einen Jäger, schon frühzeitig mit den Tieren und Pflanzen der Heimat vertraut gemacht. Das weckte seinen Sinn für die Schönheit, aber auch die Verletzlichkeit der Natur. Doch dann zog ihn die Abenteuerlust aus dem Elternhaus. „Das muss mir im Blut gelegen haben“, sagt er, „immerhin gab es in unserer Familie eine Menge Polizisten und Berufssoldaten.“ So zog auch er mit 20 Jahren die Uniform an. Nach mehreren Stationen führte der Weg des Rotmistr (Feldwebel) Vrága schließlich an die Veterinär-Basis der tschechischen Armee zur Ausbildung von Hundeführern im Schloss Grabštejn (Grafenstein) bei Hradek. Hier hatte er maßgeblichen Anteil am Aufbau einer Spezialeinheit für den Einsatz im Irak und Afghanistan. Dabei ging es vor allem um das Aufspüren von Terroristen im unwegsamen Gelände, in Ortschaften und Höhlen. Gemeinsam mit seinen Soldaten und deren Hunden absolvierte er nicht nur das Extremprogramm aus Fallschirmsprung, Bergsteigen, Tauchen, Durchqueren von Flüssen, Überwinden von Felswänden und langfristigem Überleben in unbekanntem Gelände, sondern er war auch mehrfach selbst als ihr Kommandeur an der Seite eines britischen Regiments gegen die Taliban im Einsatz. „Ich war gern Soldat“, sagt er rückblickend. Gleichzeitig räumt er aber ein: „Das, was ich gemacht habe, ist kein Job bis zur Rente.“ Und so sagte er schließlich 2009 seinen Kameraden und den treuen vierbeinigen Gefährten nach 20 Jahren „Sbohem!“ (Lebewohl).

In den seither vergangenen acht Jahren ist Alexander Vrága längst im „neuen Leben“ angekommen. Und inzwischen ist er ein gefragter Mann, was wiederum in erster Linie mit seinen gefiederten Jagdhelfern zu tun hat. Mit ihnen hat er sich nämlich auf eine ganz besondere Dienstleistung spezialisiert: den biologischen Schutz vor der Taubenplage. „Kaum eine Stadt bleibt von den verwilderten Tauben verschont“, berichtet Vrága. „Die Vögel verschmutzen nicht nur Fassaden, Dächer, Straßen und Plätze, sondern ihr Kot ist hochgradig ätzend. Das Nistmaterial verstopft Regenrinnen und Abschlussrohre. Und die Vögel übertragen gefährliche Krankheiten, wie Typhus, Lungenentzündungen und Salmonellenbefall.“ Dem rückt Vrága nun mit Bussard, Habicht und Falke zu Leibe. Das Prinzip besteht nicht darin, dass die Raubvögel die Tauben erbeuten und töten, sondern sie sollen sie aufscheuchen und verjagen. Die Tauben erschrecken beim Auftauchen der Greife und ziehen sich aus Furcht vor dem Angriff in Richtung ihrer Nester zurück.

Bisherige Einsätze in Hrádek nad Nisou (Grottau), im Stadtgebiet von Liberec (Reichenberg) sowie dem Hubschrauberlandeplatz des dortigen Krankenhauses waren durchaus erfolgreich. Allerdings sei das eine langwierige Sache, betont der Falkner. Etwa zwei bis drei Monate lang müsse er täglich mehrere Stunden vor Ort sein. Dann könne man die Abstände vergrößern. Ein Problem ist, dass die Tauben mehrmals im Jahr brüten und sich ihre Population so sehr schnell vergrößert. Nun hofft man, dass der Stress, dem die Tauben ausgesetzt sind, die Fruchtbarkeit ebenfalls mindert. An Anfragen potenzieller Auftraggeber mangelt es jedenfalls nicht. Das nächste Einsatzgebiet für Falke Cico und Bussard Zoro wird schon bald die Brauerei in Svijany am Rande des böhmischen Paradieses sein. Neben den professionellen Einsätzen seiner Schützlinge, bei denen selbstverständlich immer schon nach kurzer Zeit Schaulustige zur Stelle sind, plant Saša Vrága nun auch öffentliche Vorführungen bei Volksfesten und ähnlichen Anlässen. Doch als Nächstes soll erst einmal eine Partnerin für Cico gefunden werden. Familienleben steht eben auch hier an erster Stelle.