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Der Tag nach dem Feuer

Das Gebäude der Kamenzer Tafel wurde Sonntagnacht beim Brand schwer beschädigt. Der Verein macht trotzdem weiter.

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© René Plaul

Von Ina Förster

Sonntagabend. Kurz nach 21 Uhr. Außerhalb von Kamenz schrillen die Sirenen. Ein paar Minuten später fährt die Feuerwehr mit Martinshorn die Pulsnitzer Straße entlang. Allerdings nicht stadtaus-, sondern einwärts. Das ist eher ungewöhnlich. Kameraden von Pulsnitz, Gelenau und anderswo rücken an, um ihren Kamenzer Kollegen bei einem Brand zu helfen. Einsatzort ist der Garnisonsplatz. Noch weiß keiner genau, was anliegt. Nur, dass es vieler Hände und reichlicher Technik bedarf.

Auch Mitarbeiterin Gerlinde Lorenz stand am Montag in den Trümmern der Tafel.
Auch Mitarbeiterin Gerlinde Lorenz stand am Montag in den Trümmern der Tafel. © René Plaul
Am Sonntag wurde die Feuerwehr kurz nach 21 Uhr benachrichtigt, dass es in einem Gebäude am Garnisonsplatz brennt. Durch Zufall war vorher die Polizei hier Streife gefahren und hatte das bemerkt. Neun Wehren mit 22 Einsatzwagen waren die ganze Nacht im Ei
Am Sonntag wurde die Feuerwehr kurz nach 21 Uhr benachrichtigt, dass es in einem Gebäude am Garnisonsplatz brennt. Durch Zufall war vorher die Polizei hier Streife gefahren und hatte das bemerkt. Neun Wehren mit 22 Einsatzwagen waren die ganze Nacht im Ei © Jonny Linke

Am Ende sind es 22 Einsatzwagen, neun Wehren und 81 Feuerwehrleute, die vor dem großen Gebäude Stellung beziehen. Schnell wird klar, dass die Kamenzer Tafel betroffen ist. Ein gemeinnütziger Verein, der bedürftigen Menschen der Region hilft. Ihnen kostengünstige Lebensmittel anbietet, ebenso Kleidung und andere Dinge im Fair-Kaufhaus. Und der am Wochenende auch noch Essen kocht für etwa 40 sozial Schwache. „Warum trifft es immer die Ärmsten der Armen“, ist kurz darauf im sozialen Netzwerk Facebook zu lesen. Anwohner posten Bilder von lodernden Flammen aus dem Dachstuhl, manche sogar Videos. In Zeiten von Smartphones ist das gang und gäbe.

Schockierender Anblick

Und das Feuer wird viele Menschen in Kamenz die halbe Nacht lang beschäftigen. In erster Linie freilich die Feuerwehrleute. Sie kämpfen derweilen gegen einen Großbrand, der sich schnell weiter verbreitet. Eine Photovoltaikanlage auf dem Dach erschwert die Löscharbeiten. Um Blechelemente vom Dach zu entfernen, wird wenig später sogar die Zschornauer Firma Herwehe zu Hilfe gerufen, welche mit Baggern anrückt. Das Blech verhindert den direkten Löschangriff auf das brennende Dach. Doch gerade darunter züngeln die Flammen unerbittlich weiter.

Auch Oberbürgermeister Roland Dantz ist mittlerweile mit Mitarbeitern des Ordnungsamtes vor Ort. „Der Anblick des Feuers war schockierend. Es stand auch ziemlich schnell fest, dass die Tafel hier für unbestimmte Zeit nicht weiter arbeiten kann“, erzählt er.

Die Inhaber des Edeka-Marktes, Manuela und Marco Peltzer, sichern unterdessen die Versorgung der Feuerwehrleute mit Würstchen, Getränken und Brötchen ab. Denn bis früh vier Uhr dauern die Löscharbeiten an. Eine Brandwache ist noch gegen neun zugegen. Als der Tag erwacht, ist das gesamte Ausmaß des Schadens erst richtig zu erkennen. Glücklicherweise kamen keine Menschen zu Schaden.

Dachstuhl ist einsturzgefährdet

Betroffen ist das gesamte Areal der Tafel, vor allem deren Lager. Auch eine nebenstehende Lagerhalle musste evakuiert werden. Hier stehen Winterdienstgerätschaften und -fahrzeuge eines Subunternehmers der Kommunalen Dienste Kamenz. Diese können komplett gesichert werden.

Ansonsten bietet sich ein trostloser Anblick. Ein paar Tafelmitarbeiter versuchen, Ordnung ins Chaos zu bringen. Was die Flammen nicht zerstört haben, erledigte das viele Löschwasser. Der Dachstuhl ist einsturzgefährdet. Ein riesiges Loch klafft darin. „Wir sind sehr bestürzt. Das war eine fürchterliche Nacht“, sagt Tafel-Chefin Gabriele Tenne, die man mit als Erste informierte. Und die den Brand live miterlebte. Nach dem Schock gilt es nun, voranzublicken, weiß sie. „Aufgeben gibt es für uns nicht“, sagt sie. „Das sind wir vor allem unserer Kundschaft schuldig! Viele rechnen mit der Tafel, können nur so monatlich über die Runden kommen.“ Bis zu 45 Bedarfsgemeinschaften kommen wöchentlich einkaufen, sichern damit ihren sowieso schon schwierigen Alltag ab.

Ersatz-Räume schon gefunden

Resolut werden am Montag auch deshalb Gespräche geführt. Mit dem Bürgermeister beispielsweise, der alle Hilfe anbietet, die die Stadt leisten kann – ideell wie arbeitskräftemäßig. „Außerdem würden wir einen Spendenaufruf initiieren und nach einem geeigneten Ersatz-Objekt suchen, damit die Arbeit schnellstmöglich wieder aufgenommen werden kann“, bietet er an.

Kurz vor dem Mittag steht jedoch fest: Die Tafel wird voraussichtlich nur ein paar Meter weiter in neue Räume ziehen, die ebenfalls ihrem Vermieter gehören. „Er hat uns Hilfe angeboten, obwohl er ja selber arg betroffen ist, und wir würden sie gern annehmen, da wir in der Nähe bleiben wollen“, so Gabriele Tenne. Außerdem vereinfacht es den Umzug. Der schwierig genug werden wird. „Wir wollen alle helfen, damit relativ schnell ein Lichtblick geschaffen wird“, bekräftigte Dantz nochmals.

Die Polizei ermittelt übrigens wegen möglicher Brandstiftung in alle Richtungen, da zumindest eine fahrlässige Verursachung nicht auszuschließen ist.