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Der sparsame Milliardär

Reinhold Würth ist Deutschlands Schraubenkönig, Hobbypilot, Kunstmäzen – und heute 80 Jahre alt. Seine Erfolgsdevise: „Schaffe, net schwätze!“

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© dpa

Von Michael Rothe

Deutschlands Schraubenkönig Reinhold Würth dürfte in der vergangenen Woche besonders traurig gewesen sein, nachdem Fußballtrainer Jürgen Klopp verkündet hatte, Borussia Dortmund im Sommer zu verlassen. Schließlich war Klopp Würths Lieblingsspieler bei der WM 2014, hatte der erklärt. „Den Jürgen Klopp kenne ich, weil er sich die Haare hat transplantieren lassen“, hatte er im Interview gesagt. Auch seine Frau finde ihn gut, „weil er so explodieren kann“.

Würths Beziehung zum Fußball hält sich in Grenzen. Und der Mann, der heute 80 Jahre alt wird, hat wenig Verständnis für Leute, die anders ticken. So machte er sich während jener – am Ende schwarz-rot-goldenen – Weltmeisterschaft Sorgen um eine nachlassende Wirtschaft. Wenn die Leute Fußball schauten, koste das Produktivität, sagte er – erst recht, wenn sie nach nächtlichem Fernsehen morgens später mit Arbeiten anfingen. „Das gilt vor allem für Außendienstler, die kontrolliert ja niemand.“

Würth muss es wissen, denn fast jeder zweite seiner 65 000 Beschäftigten ist „Klinkenputzer“ – die größte fest angestellte Vertriebsmannschaft der Welt. Fleiß ist für den Schwaben oberste Tugend – und Maßstab an sich selbst. Ein Imagefilm erklärt im Internet, was ihm wichtig ist: Der Multimilliardär lässt sich mit Frack und Einstecktüchlein in einer Nobelkarosse chauffieren. Er klopft auf die Armbanduhr und ruft in die Kamera: „Schaffe, net schwätze!“

Urlaubspost an die Ehepartner

Der passionierte Pilot und Harley-Davidson-Fan hat mit dem Verkauf von Schrauben, Dübeln und Eisenwaren ein Vermögen gemacht. Vom strengen Vater direkt nach der Pflichtschulzeit zum Verkaufen geschickt, hat er nach dessen Tod seit 1954 das Geschäft ständig ausgebaut. 1994 zog sich Würth formal aus der Geschäftsführung zurück, zur Ruhe setzte er sich nie. Der trotz seiner Ansprüche humorbegabte Mann gründete an der Uni Karlsruhe ein Institut für Unternehmertum. Er ist einer der wichtigsten Kunstsammler im Land, hat für 50 Millionen Euro die Schutzmantelmadonna von Hans Holbein erworben und stellt sie kostenlos aus. Er engagiert sich für Bildung, auch weil ihm selbst Abitur und Studium verwehrt blieben.

Diplomat wollte Würth nie werden. Das bekommen speziell die Außendienstler zu spüren. Deren Ehepartner sollen schon Karten von schönen Urlaubszielen erhalten haben mit dem Inhalt: Da könnte jetzt auch Ihre Familie sein, wenn richtig hart gearbeitet worden wäre. Motivationsschreiben dieser Art sollten die Adressaten daran erinnern, „dass Sie die schönste Zeit Ihres Lebens im Beruf verbringen“. Und sie sollten bitte mehr Umsatz machen in der schönen Zeit. Wer erst um 9:30 Uhr beim ersten Kunden sei, habe „120 Verkaufsminuten sinn- und nutzlos verplempert“. Wer dann noch um 16 statt um 17 Uhr aufhöre, habe „40 Prozent der täglichen Arbeitszeit verschwendet“, rechnet der Mann vor, der seine Wege mit fünf Jets direkt vom Firmengelände aus erledigt und sich auf einer Jacht und beim Gemäldesammeln erholt. Manchmal auch beim Gutes-tun etwa für geistig Behinderte und Museen.

Den Außendienstlern waren schon vor Jahren Laptops verboten worden, weil die zu lange brauchten, um hochzufahren. Die Zeit könne man besser für Verkaufsgespräche nutzen, hieß es. Auch das Betanken der Dienstwagen während der Arbeitszeit ist für den handwerklich selbst unbegabten Schraubenkönig Zeitverschwendung.

Rechnen konnte Würth schon immer. „Als ich Opel Olympia gefahren bin, habe ich den Motor abgestellt, wenn es bergab ging, um ein paar Milliliter Benzin zu sparen“, gestand er der Süddeutschen Zeitung. Auch lasse er sich „oft einmal ein Bier zahlen im Fliegerclub, oder die schreiben’s mir an“. Die Steuerfahndung tat das nicht. 2008 bekam er einen Strafbefehl wegen Steuerhinterziehung. Zwar konnten ihm seine Anwälte einen Prozess ersparen, aber 40 Millionen Euro musste er nachzahlen plus 3,5 Millionen Euro Strafe. Vor lauter Wut trat er aus der FDP aus, von der kam der damals zuständige Minister.

Zirkus, Christo und Bud Spencer

Die Industriegewerkschaft Metall fordert seit Jahren bei Würth einen Betriebsrat und einen Tarifvertrag. Ohne Erfolg. Das sei wegen der Größe des Konzerns ein Unding, heißt es von dort. Allein in Deutschland hat Würth weit über 350 Niederlassungen, gut 20 davon in Sachsen.

Hat der Ehrendoktor, mehrfache Ehrensenator und Ehrenbürger, Ritter der Ehrenlegion, Träger des Bundesverdienstkreuzes und anderer Auszeichnungen deshalb ein schlechtes Gewissen? Wieso, immerhin durfte sich Würth 2011 mit dem Titel „Deutschlands beste Arbeitgeber“ schmücken – als eins von 100 Unternehmen. Auch geht der Vater dreier erwachsener Kinder nach eigener Aussage sonntags in die Kirche und lässt sich seine Sünden vergeben. Würth: „Dann ist mein Konto wieder auf null.“

Das andere hat zehn Stellen. Das Manager Magazin führt den Hobbypiloten und Harley-Davidson-Fan mit einem Vermögen von 8,2 Milliarden Euro auf Platz neun der reichsten Deutschen. Zum 50. Geburtstag kam der Zirkus Krone. Zum 60. verhüllte Christo den Firmensitz, wurde Bud Spencer rangekarrt, weil dessen Streifen „Vier Fäuste gegen Rio“ Würths Lieblingsfilm ist.

Und heute? Reinhold Würth dürfte froh sein. Sein Lebenswerk ist bei Tochter Bettina in guten Händen. Das Unternehmen, das sie von der Schweiz aus führt, läuft. Nach zwei vergeblichen Anläufen hat der Konzern 2014 die zehn Milliarden Euro beim Umsatz gepackt und einen Vorsteuergewinn von 500 Millionen eingefahren. Ein Grund zum Feiern. Wie der 80. Geburtstag. Vorausgesetzt, der nimmermüde Antreiber findet mit 400 Gästen heute die Zeit dazu.