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Der späte Grabstein

René Gottschling aus Niesky hilft Menschen herauszufinden, wo ihre toten Vorfahren liegen. Ein Fall ist besonders bewegend.

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Von Alexander Kempf

Vida Sajak hat ein Leben lang nach ihrem gefallenen Vater gesucht. Ende April steht die Österreicherin schließlich vor seinem Grab auf dem Soldatenfriedhof in Niesky. Ohne den engagierten Einsatz von René Gottschling und Jens Hoffmann vom Verein zur Klärung von Schicksalen Vermisster und Gefallener wäre es zu dieser besonderen Begegnung womöglich nie gekommen. Die beiden Männer haben für die 71-Jährige herausgefunden, wo der Vater begraben liegt, den sie persönlich nie kennengelernt hat. Er ist 1945 bei Rietschen fernab der Heimat gefallen und schließlich in Niesky in einem Massengrab beigesetzt worden. Lange ist sein Name nur einer unter vielen auf einem Gedenkstein.

Doch mittlerweile erinnert eine dunkle Granitplatte an den gefallenen Gefreiten. René Gottschling hat den Wunsch von Vida Sajak, ihrem Vater Johann Hainz einen Grabstein zu stiften, Wirklichkeit werden lassen. Ganz unbürokratisch habe er das Anliegen der Österreicherin an Nieskys Oberbürgermeisterin Beate Hoffmann herangetragen. Die hat nach einer Rücksprache mit dem Bauhof grünes Licht für das Einlassen des Steines gegeben. Sehr zur Freude von René Gottschling. Elf Friedhöfe betreut der Verein zur Klärung von Schicksalen Vermisster und Gefallener im Landkreis Görlitz, berichtet er. Doch einen vergleichbaren Fall habe er noch nie erlebt. „Das ist ein Novum“, sagt René Gottschling. Deswegen möchte er sich bei der Stadt unbedingt öffentlich bedanken.

Finanziert hat die Grabplatte Vida Sajak selbst. Nur pflegen wird sie diese nicht können. Der Weg von Kärnten nach Niesky ist schlicht zu weit. Doch René Gottschling hat für sie schon zum Geburtstag des Vaters Blumen ans Grab gebracht. Nun freut er sich, ihr Fotos der eingelassenen Granitplatte zukommen zu lassen. Und das ist nicht die einzige gute Nachricht für Familie Sajak. Denn René Gottschling hat auch herausgefunden, wo der vermisste Vater von Vida Sajaks Ehemann Hermann begraben liegt. Die Spur führt nach Polen, genauer gesagt nach Glogau in Niederschlesien.

„Wir werden jetzt eine Anfrage an die ehemalige Wehrmachtsauskunftsstelle stellen“, sagt René Gottschling. Er will Hermann Sajak gerne weitere Informationen zum Verbleib seines Vaters zukommen lassen. Doch sei nun wohl erst einmal Geduld gefragt. Denn bis das Amt die Anfrage bearbeitet hat und sich zurückmeldet, können einige Monate vergehen. Eine solche Recherche kostet nicht nur Zeit, sondern auch Geld. Doch dafür kommt ebenfalls Vida Sajak auf, berichtet René Gottschling. Manche Erkenntnisse sind wohl ohnehin unbezahlbar. Die Österreicherin hat am Grab ihres Vaters im April selbst geweihte Heimaterde aus dem Vorgarten ihres Elternhauses verstreut und innegehalten. „Ich habe jetzt abgeschlossen“, sagt Vida Sajak danach, „Ich weiß, wo meine Mutter liegt und wo mein Vater liegt.“ Millionen Menschen würden das nicht wissen.

Auch René Gottschling recherchiert noch in einer Familiensache. Er versucht seit Jahren herauszufinden, wo sein Onkel begraben liegt, der Bruder seiner Mutter. „Im Moment ist er noch nicht in unserer Datenbank“, so Gottschling. Er weiß nur, dass der Onkel in Norwegen gefallen ist. Irgendwann, hofft er, seiner Mutter und sich eine große Frage beantworten zu können.