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„Der Sozialpass kommt im September“

Die Stadträte Jens Thöricht und Thomas Schwitzky haben sich für benachteiligte Zittauer starkgemacht und erklären warum.

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© Thomas Eichler

Von Mario Heinke

Mit einem Sozialpass wird die Stadt sozial benachteiligten Zittauern den Zugang zu kulturellen und Freizeitangeboten erleichtern. Das beschloss der Stadtrat in seiner jüngsten Sitzung. Bis zur Fusion der Kreise im Jahre 2010 gab es im Altkreis Löbau/Zittau schon einmal so ein Dokument. Die SZ sprach mit den Fraktionschefs Thomas Schwitzky (Zkm) und Jens Thöricht (Die Linke) über das gemeinsame Projekt.

Der Sozialpass ist ein urlinkes Thema. Ursprünglich wollte Zkm den Antrag allein einreichen. Herr Thöricht, haben Sie da was verschlafen?

Jens Thöricht: Bevor der Antrag in die Ausschüsse ging, habe ich Herrn Schwitzky über unsere Erfahrungen informiert und einen Änderungsantrag eingereicht. Dieser wurde von Zkm vollständig übernommen, deshalb haben wir letztendlich den Antrag gemeinsam eingereicht. Das ist ein Gebot der Fairness.

Herr Schwitzky, im Sieben-Punkte-Plan zur Oberbürgermeisterwahl kommt der Sozialpass gar nicht vor, da steht die Wirtschaftsförderung an erster Stelle. Hat Zkm die Prioritäten verschoben?

Thomas Schwitzky: Das eine tun, heißt doch nicht, das andere zu lassen. Die Zkm-Fraktion hat ein an sie von Bürgern herangetragenes Anliegen zusammen mit der Fraktion der Linken erfolgreich in den Stadtrat eingebracht. Dies ist für uns eine zentrale Aufgabe kommunaler Tätigkeit von Stadträten. Der Oberbürgermeister seinerseits setzt den von Ihnen angesprochenen Sieben-Punkte-Plan um.

Der Zittauer Sozialpass soll bereits im September ausgegeben werden. Ein sportliches Ziel, wird die Verwaltung das schaffen?

Thöricht: Die Stadtverwaltung kann die Erfahrungen aus der Vergangenheit nutzen. Wir haben engagierte Mitarbeiter in der Stadt. Ich bin überzeugt, dass die Einführung zum 1. September 2016 machbar ist.

Schwitzky: Im Stadtrat gab es kein anderes Signal der Verwaltung. Ganz im Gegenteil, mir liegen Hinweise vor, dass die Stadtverwaltung die Umsetzung gezielt vorantreibt, auch in Abstimmung mit dem Sozialamt des Landkreises.

Können nur ALG-II-Empfänger einen Sozialpass beantragen oder auch Rentner an der Armutsgrenze? Wer definiert den Personenkreis der Anspruchsberechtigten?

Thöricht: Der Sozialpass wird auf Antrag ausgegeben, sofern wiederkehrende Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch bezogen werden oder der Elternbeitrag zur Förderung von Kindern in Kindertageseinrichtungen vom Träger der öffentlichen Jugendhilfe übernommen wird. Generell sollte jedem eine Teilnahme am gesellschaftlichen und somit auch kulturellen Leben ermöglicht werden, also auch jedem, der an der Armutsgrenze oder nur mit einem geringen Einkommen lebt.

Schwitzky: Betreffend der Einzelheiten verweise ich auf den öffentlich zugänglichen Beschluss.

Stadträtin Dorotty Szalma geißelte zu Beginn der Debatte, dass man Menschen nicht als Drückeberger oder Sozialschmarotzer bezeichnen dürfe. Gab es solche abfälligen Bemerkungen in den Beratungen der Ausschüsse?

Thöricht: Ich hatte den Eindruck, dass Frau Szalma dies nicht in Bezug auf den Zittauer Stadtrat, sondern auf generelle Äußerungen in Teilen der Gesellschaft äußerte.

Schwitzky: Wie oft in politischen Debatten wird auch mal das eine oder andere missverstanden oder überspitzt formuliert. Belassen wir es dabei.

Wissen Sie, welche Einrichtungen den Sozialpass akzeptieren werden?

Thöricht: Bis zum Jahr 2010 haben im Altkreis Löbau-Zittau etwa 40 Einrichtungen, die Ermäßigungen bei Vorlage des Sozialpasses gewährt. Ich bin zuversichtlich, dass sie dies auch wieder tun. In welchem Umfang entscheidet jede Einrichtung für sich.

Schwitzky: Der Sozialpass als solches verschafft keine neuen Vergünstigungen. Er eröffnet allein eine vereinfachte Möglichkeit, seine Berechtigung nachzuweisen. Dies ist Sinn und Zweck. Nicht mehr und nicht weniger.

OB Zenker regte an, dass auch Asylbewerber einen Sozialpass bekommen. Droht da ein Kompetenzgerangel mit dem Kreis, der für diese Menschen zuständig ist?

Thöricht: Da gibt es kein Kompetenzgerangel. Migranten beziehen doch dieselben Leistungen.

Schwitzky: OB Zenker hat dies nicht angeregt. Er hat allein darauf hingewiesen, dass nach dem Beschlusstext auch Asylbewerber zu den Berechtigten zählen. Dieser Hinweis war völlig richtig. Und ein Kompetenzgerangel kann ich nicht erkennen. Der Sozialpass verschafft keine neuen Ansprüche.

Es gab bis 2010 schon einmal einen Sozialpass im Kreis. Wurde der Pass von den Berechtigten damals in Anspruch genommen?

Thöricht: Ja, vor Antragstellung haben wir die Einrichtungen im Altkreis Löbau-Zittau nach ihren Erfahrungen befragt. In Großschönau stieg beispielsweise die Zahl der Nutzer der Bibliothek.

Schwitzky: Wir wollten das Fahrrad nicht neu erfinden. Einrichtungen, die bereits Nachlässe gewähren, sind sehr übersichtlich im Sozialkompass der Stadt Zittau benannt. Bekannt ist auch, dass ein Sozialpass andernorts durchaus angenommen wurde.

Zittau sieht sich in der Vorreiterrolle bei der Einführung des Sozialpasses. Wie wollen Sie andere Gemeinden oder den Kreis überzeugen, nachzuziehen?

Thöricht: OB Zenker wurde beauftragt, den Umlandgemeinden das Modell vorzustellen und für die Einführung zu werben. Ich bin überzeugt, dass es eine breite Zustimmung geben wird.

Schwitzky: Maßgeblich wird die Akzeptanz in der Bevölkerung sein. Einem erfolgreichen Modell wird man sich auf Dauer nicht verschließen. Beim Landkreis sehen wir schon eine gewisse Offenheit.

Das war Ihre erste gemeinsame Beschlussvorlage? Ist künftig mit weiteren Anträgen zu rechnen?

Thöricht: Ja, es war der erste gemeinsame Antrag im Stadtrat. Mit welchen Fraktionen wir arbeiten, ist sicherlich themenabhängig. Als Fraktion, die für soziale Gerechtigkeit streitet, arbeiten wir mit allen Fraktionen zusammen.

Schwitzky: Wir als Fraktionsvorsitzende sind im kontinuierlichen persönlichen Austausch. Raum für weitere gemeinsame Beschlussvorlagen wird sicherlich sein.