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Der Sommer seines Lebens

Nach Olympia ist vor der WM und zwischendurch noch Hochzeit. Bobpilot Francesco Friedrich greift wieder an.

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© martin hangen

Von Tino Meyer

Endlich ist der Sommer vorbei, endlich geht es wieder los. Drei Bobs, eine Reihe schneller Männer und der Plan, die Konkurrenz schon vorm Saisonbeginn zu schocken, machen sich nächsten Mittwoch mit Francesco Friedrich auf die Reise nach Lillehammer. Ein Hammertrip wird das, doch die gut 1 500 Kilometer bis in den mittleren Osten Norwegens stören den Pirnaer nicht. „Ich freu mich drauf“, sagt er und setzt auf den Wettbewerbsvorteil.

Im Sommer gab er seiner Magdalena das Ja-Wort. Fotos: Daniel Förster (2)
Im Sommer gab er seiner Magdalena das Ja-Wort. Fotos: Daniel Förster (2) © Daniel Förster
In der Drogerie kassiert er für den guten Zweck mit Leiterin Solveig Ofenhammer.
In der Drogerie kassiert er für den guten Zweck mit Leiterin Solveig Ofenhammer. © Daniel Förster
Francesco Friedrich und sein treuester Begleiter Mops Eddy. Fotos: Egbert Kamprath (2)
Francesco Friedrich und sein treuester Begleiter Mops Eddy. Fotos: Egbert Kamprath (2)
Francesco Friedrich und sein treuester Begleiter Mops Eddy. Fotos: Egbert Kamprath (2)
Francesco Friedrich und sein treuester Begleiter Mops Eddy. Fotos: Egbert Kamprath (2)

Wenn die Eiszeit für die deutschen Athleten am 21. Oktober in Oberhof offiziell beginnt, hat er schon 20 Fahrten absolviert. Eher als andere Piloten darf Friedrich also das tun, worauf er am meisten Lust hat. Die vergangenen Monate waren zwar überaus aufregend, schön und ereignisreich, doch noch immer geht nichts über die rasante Fahrt mit gut 130 km/h im Eiskanal. Daran hat die Olympia-Pleite mit den Platzierungen acht (Zweier) und zehn (Vierer) nichts ändern können.

„Ach was“, sagt Friedrich und schaut so, als gebe es keine langweiligere Frage als die zu den olympischen Nachwirkungen. „Das hatte sich doch angedeutet“, meint der 24-Jährige im Rückblick auf Sotschi. Die Vergangenheit ist ohnehin nicht so seine Sache und große Worte auch nicht. Selbst das ganze Tamtam in der Öffentlichkeit ist für ihn mehr Pflicht als Leidenschaft. Statt im Rampenlicht steht der jüngste Zweierbob-Weltmeister lieber in der Garage und friemelt an seinem Bob oder schleift die Kufen. Auch daran hat sich nichts geändert.

Neu ist allerdings die Ausgangslage. Als Deutschlands mutmaßlich bester, weil komplettester Bobfahrer lebt er eben selbst im Sommer nicht mehr inkognito, zu Hause in Pirna schon gar nicht. Das hat in den zurückliegenden Monaten auch Friedrich festgestellt. Der angehende Polizeimeister ist so etwas wie ein kleiner Star geworden, aber einer zum Anfassen.

Von einem Termin zum nächsten

Kassierer in einem Pirnaer Drogeriemarkt ist er gewesen für den guten Zweck, außerdem Praktikant am Münchner Flughafen, Partygast beim Münchner Oktoberfest und noch bei etlichen anderen Terminen. Sein Heimatverein SC Oberbärenburg hat beispielsweise 90. Geburtstag gefeiert und er selbst, das geht in der Aufzählung fast unter, noch Hochzeit. „Die ersten Tagen waren ganz schön gewöhnungsbedürftig“, sagt Friedrich – und meint damit nicht die Ehe mit seiner Frau Magdalena, die er vor knapp fünf Jahren beim Gästebobfahren in Altenberg kennengelernt hatte.

Es sind vielmehr die Flitterwochen, die ihm zu schaffen machten. Mit dem Kreuzfahrtschiff Aida war das Paar durch den Norden Europas unterwegs und der Wellengang hin und wieder doch sehr heftig. „Damit klarzukommen hat gedauert“, erzählt Friedrich und gesteht, das Ja-Wort ohne Heiratsantrag bekommen zu haben. Magdalena und er hätten sich mehr oder weniger so geeinigt, sagt er – und die Flitterwochen trotzdem sehr genossen.

Wer Friedrich kennt, weiß aber, dass Nichtstun gar nicht so seine Sache ist. Doch mehr als regeneratives Training im Kraftraum sind auf einem Schiff kaum möglich. Sprints an Deck waren ihm dann doch eine Nummer zu übertrieben. Wobei das sicher ein herrliches Bild abgegeben hätte: der Kraftprotz vor imposanten Gletschern und staunenden Touristen.

Noch größer dürfte jedoch die Verwunderung der Konkurrenz am vergangenen Wochenende gewesen sein. Beim internationalen Startwettkampf in Oberhof waren Friedrich und seine Anschieber „das Maß aller Dinge“, wie der Verband auf seiner Internetseite meldet. Friedrichs knappe Reaktion auf das überschwängliche Lob: „Ich bin sehr zufrieden, alles im Plan.“

Dass er mit seinen Anschiebern Candy Bauer, Gregor Bermbach sowie Thorsten Margis mal eben den seit fünf Jahren bestehenden Startrekord von 4,25 auf 4,19 Sekunden verbesserte und damit die Norm locker um 0,11 Sekunden unterbot, sei lediglich der Beweis, „dass wir gut gearbeitet haben“. Für seinen Trainer Gerd Leopold ist das indes „überragend“.

Nach Olympia ist vor der Heim-WM im März in Winterberg – und Friedrich dort Titelverteidiger. Darüber hinaus will er auch den Durchbruch mit dem großen Schlitten schaffen. Gelingen soll das mithilfe der bärenstarken und vor allem schnellen Männer, zu denen auch der frühere Dresdner 400-m-Läufer Martin Grothkopp zählt.

Der Trauzeuge muss pausieren

Der Beste aber fehlt: Jannis Bäcker. Friedrichs etatmäßiger Anschieber und Trauzeuge, kann seit Wochen wegen eines Patellaspitzensyndroms nicht trainieren und fällt womöglich die gesamte Saison aus. „Dann ist das so“, entgegnet Friedrich. Verrückt machen lässt sich einer wie er von solchen Nachrichten nicht. Sie treiben ihn eher noch mehr an.

Genauso wie die Konkurrenz aus der eigenen Trainingsgruppe. Dass die Junioren-Weltmeister Nico Walther (Riesa) und Albrecht Klammer (Oberbärenburg) erstmals die Qualifikation fürs deutsche Weltcup-Team schaffen könnten, bezeichnet Friedrich als tolle Sache, dass beide mit nach Lillehammer kommen, als selbstverständlich. „Wir haben uns schon immer gut verstanden. Bobfahren muss ja jeder selbst“, meint Friedrich, in Lillehammer ebenso wie bei der internen Selektion Ende Oktober.