Merken

Der selbsternannte Tierschutz-Guru

Johannes Gerhardt aus Radebeul hat sich schon in vielen Branchen versucht. Sein angebliches Engagement für den Tierschutz brachte ihn jetzt vor Gericht. Mal wieder.

Teilen
Folgen
© Screenshot/SZ

Von Jürgen Müller

Radebeul/Meißen. Er galt als dynamischer Jung-Unternehmer, als Hans Dampf in allen Gassen. Gern zeigte er sich einst ganz in Weiß, dazu mit breitkrempigem Hut und Zigarre. Der Radebeuler Johannes Gerhardt galt als einer, der es geschafft hat. Unter anderem ist er im Guinness-Buch der Rekorde mit dem „kleinsten Kino der Welt“ in Radebeul mit gerade mal neun Sitzen vertreten.

Zeitweise machte er Geld mit Edelspirituosen, protzte mit einer Wodka-Flasche mit Gold und Diamanten, die angeblich eine Million Euro wert war. Der Absturz folgte bald, das Kino ist längst geschlossen, Gerhardt verschuldete sich in fünfstelliger Höhe, ging in Privatinsolvenz. Und landete immer wieder vor Gericht wegen Bedrohung und Betruges. Zuletzt verurteilte ihn das Amtsgericht Güstrow zu einer Geldstrafe von 2 000 Euro wegen zweifachen Betruges. Am Dienstag saß Gerhardt wieder vor Gericht, diesmal in Meißen und diesmal dunkel gekleidet. Ein bisschen auffallen will er trotzdem, ein wenig vom alten Glanz muss wohl sein. Auf der Anklagebank hat er seine E-Zigarette aufgebaut. Richterin Ute Wehner verbittet sich das.

Gerhardt ist der Verleumdung, der versuchten Nötigung und des Kennzeichenmissbrauchs angeklagt. Die Taten haben fast alle etwas mit dem Tierschutz zu tun, dem sich Gerhardt damals verschrieb. Dabei gehörte er den ADC, den Animal Defence Corps (Korps zur Verteidigung von Tieren) an. Der heute 37-Jährige beschrieb die ADC als „Arbeitsgemeinschaft und Organisation zur Rettung von Tieren“. Beim Gewerbeamt Radebeul war die Firma als Einzelunternehmen angemeldet.

Gerhardt wird unter anderem vorgeworfen, den Tierhof Straelen in Nordrhein-Westfalen im Internet verleumdet zu haben. Auf Facebook verbreitete er, dass die Mitarbeiter des Tierhofes ihr Tiere an Leute verleihen würden, die Sex mit Tieren hätten. Zudem forderte er das Tierheim auf, sein Gästebuch offline zu stellen mit der Begründung, er habe Informationen, dass das Heim von radikalen Gruppen aufgesucht werden solle, die es abbrennen wollten.

„Wir haben die Drohung sehr ernst genommen, das Landratsamt hat einen Gefährdungshinweis herausgegeben“, sagt Tierheimleiterin Martina Reethofer als Zeugin vor Gericht. „Wir haben in unserem Tierheim sehr viele „gefährliche Hunde, die von Behörden zu uns gebracht werden. Wenn jemand bei uns den Zaun aufschneidet und diese Tiere rauslässt, ist das kein Spaß mehr“, sagt sie. Gerhardt soll auf Facebook auch eine Liste von Personen veröffentlicht haben, die angeblich Sex mit Tieren hatten. Auch vor einem Spendenbetrug hatte er gewarnt, zu Unrecht, wie sich herausstellte.

„Wer sich die Internetseite des Tierhofes angesehen hat, für den war klar, dass es Verbindungen zur Sodomie-Szene gegeben hatte“, verteidigt er sich vor Gericht. Dass er zum Tierschutz gefunden habe, verdanke er einen „Schlüsselerlebnis“. Er habe gesehen, wie zwei Hunde zu Tode gequält worden seien. „Das Veterinäramt ist nicht eingeschritten, hat zugesehen, nichts unternommen. Die Tiere wurden nicht als Lebewesen behandelt, sondern als Sache“, sagt er.

Was ihn denn bewogen habe, sich zum „Guru des Tierschutzes“ aufzuschwingen, will die Richterin von ihm wissen. Gerhard weist diese Formulierung entschieden zurück. „Ich wollte etwas bewegen im Tierschutz. Es war eine Episode in meinem Leben, mit der ich abgeschlossen habe“, sagt er, der seine gute Zusammenarbeit mit dem Tierschutzcentrum in Meißen-Winkwitz betont. Dessen Chef Mario Aßmann sieht das ganz anders. „Von Zusammenarbeit kann keine Rede sein. Ich habe Herrn Gerhardt kennengelernt während einer Spendenaktion, an der wir uns beteiligten sollten. Das haben wir abgelehnt, weil er uns suspekt vorkam“, sagte er der SZ. Gerhardt sei auch „Reichsbürger“ gewesen und soll Leute mit Schreckschusswaffen bedroht haben. „Wir haben den Kontakt zum ihm völlig abgebrochen“, sagt Aßmann.

Tatsächlich war Gerhardt auch in der Reichsbürgerszene aktiv, was ein weiterer Anklagepunkt zeigt. Ihm wurde Kennzeichenmissbrauch vorgeworfen. Er soll in Dresden mit einem Mercedes auf den Theaterplatz mit einem ungültigen Kennzeichen vorgefahren sein. Vor den Augen der Polizei habe er das dann abgeschraubt und ein gültiges Meißen-Kennzeichen angebracht. Er sei nicht gefahren, habe nur das ungültige Kennzeichen angeschraubt, fotografiert und dann wieder gewechselt, behauptet er. Ein Polizist hat ihn aber fahren sehen, doch am Ende kommt es darauf gar nicht an. Bei der Polizeikontrolle zeigt er einen „Reichsbürger“-Ausweis.

Erst später rückt er einen gültigen Personalausweis heraus. Gegenüber den Polizisten soll er sich noch lustig gemacht haben. „Ihr könnt froh sein, dass ihr so viele seid, sonst wäre es lustig geworden“, soll er gesagt haben. Inzwischen soll er sich auch von der Reichsbürger-Szene verabschiedet haben. Doch was steckte hinter der Aktion, egal, ob er nun gefahren ist oder nicht? „Es war ein Spaß, das Einlösen einer verlorenen Wette“, sagt er.

Ein teurer Spaß, vor Gericht verliert er ein weiteres Mal. Er wird wegen Verleumdung in zwei Fällen, versuchter Nötigung und Kennzeichenmissbrauchs zu einer Strafe von 3 000 Euro verurteilt. Viel Geld für ihn, der jetzt als Tätowierer arbeitet und so wenig verdient, dass er mit Arbeitslosengeld II aufstocken muss. Zudem sei er ziemlich krank, habe jetzt Erwerbsunfähigkeitsrente beantragt. Der einstige Lebemann ist zum Sozialfall geworden.