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Der Schwarze Tod

Schon weit vor dem Holocaust wurden die Meißner Juden systematisch ermordet. Teil 4 der Serie über Stolpersteine.

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© privat

Von Dominique Bielmeier

Meißen. An Fastnacht 1349 war den Menschen im damaligen Sachsen nicht zum Lachen zumute. Überall, auch im Meißner Land und vor allem in der Stadt Meißen, wütete die Pest. Im Franziskanerkloster sollen alle Mönche bis auf drei daran gestorben sein, die Verzweiflung im Volk war groß.

Die Schuldigen waren jedoch schnell ausgemacht: Die Juden hätten eine „große Boßheit an der Chrystenheit gethan“, indem sie Brunnen vergifteten, schrieb Markgraf Friedrich der II., genannt der Ernste, am 2. Mai 1349 von Eisenach aus an den Rath der Stadt Nordhausen. Er empfahl daher, die Juden töten zu lassen – auch sie hätten ihre schon brennen lassen.

In Meißen war das tatsächlich bereits geschehen, wie eine Urkunde vom 7. März 1349 bezeugt. Darin übergibt Markgraf Friedrich den Jüdenberg an die Stadt Meißen (Myßne). Auf dem Berg lag einst der Friedhof der jüdischen Gemeinde. Er wurde nun nicht mehr gebraucht.

Der Meißner Judenmord von 1349, der in fast allen jüdischen Gemeinden in Sachsen ähnlich stattfand, war der erste Pogrom gegen die Judengemeinde der Stadt, obwohl die Juden – natürlich gegen Abgaben – seit 1103 sogar unter kaiserlichem Schutz standen. Es würde Jahrhunderte dauern, bis sich wieder eine nennenswerte Zahl von ihnen in Meißen ansiedeln würde.

Dabei gab es Israeliten bereits im 10. Jahrhundert in der Mark Meißen, wie verschiedene historische Zeugnisse belegen. Einer der bedeutendsten jüdischen Gelehrten des Mittelalters, der Rabbiner Isaak ben Mose ben Isaak ben Schalom, wurde in Meißen geboren. Seinen Aufzeichnungen verdanken wir das Wissen, das es in Meißen einmal eine Synagoge gab, die auf dem heutigen Neumarkt, in der Nähe der Einmündung des Nikolaisteges, gestanden haben muss. Ein „Jüdentor“ soll es einst am Roßmarkt gegeben haben. Durch dieses konnten die Juden die Stadt betreten. Noch heute sind Zeugnisse jüdischen Lebens in der Stadt zu finden, auch weil nach dem Judenmord Mauer- und Grabsteine des Friedhofes als Baumaterial verwendet wurden.

Erst ab dem 19. Jahrhundert fassten wieder mehrere Juden in der Stadt Fuß, 1925 waren es 60. Sie bildeten aber keine Gemeinde in Meißen mehr, sondern gingen zu hohen Feiertagen in den Gottesdienst nach Dresden. Sie waren auch nicht streng orthodox, sahen es zum Beispiel mit koscherem Fleisch, das nicht immer leicht zu bekommen war, nicht so eng. Viele von ihnen waren Kaufleute oder Ärzte. Wie sehr sie mittlerweile wieder zum Stadtbild gehörten, zeigte die 1000-Jahr-Feier im Jahr 1929: Beim großen Festumzug lief auch die Judengemeinde von 1300 als Bild mit.

Zehn Jahre später vermeldete die NS-Gauzeitung „Der Freiheitskampf”: „Nachdem die Zahl der in Meißen noch ansässigen Juden in der letzten Zeit bis auf drei Familien herabgesunken ist, steht nun die Abwanderung dieser letzten drei vom Stamme der Hebräer unmittelbar bevor.“