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Der schwarze Hund ist los

Weltkulturerbe der anderen Art: Robert Plant, einst Sänger von Led Zeppelin, kleidet in Dresden erhabene Klassiker dieser legendären Band frisch ein.

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© Andreas Weihs

Von Jens-Uwe Sommerschuh

Donnerschlag am späten Donnerstag. Das Stück hebt an mit schleppendem Blues, ein paar Takte aus dem „Hoochie Coochie Man“, dann schwappt es rüber in „You Need Love“, ebenfalls von Willie Dixon, und plötzlich bricht jener gigantische Song los, der 1969 Led Zeppelins Ruhm und Größe begründete und von Dixon inspiriert ist, „Whole Lotta Love“ – die Dresdner Garde explodiert.

Nie waren Led Zeppelin hier. Kein Wunder, denn nach dem Tod von John Bonham löste sich die Band auf, landete das Luftschiff für immer, und das ist fast 34 Jahre her. Dass ihr Sänger Robert Plant, der im August 66 wird, nun mit seinen Sensational Space Shifters die zu Tausenden in den Großen Garten gepilgerten Fans mit gleich sieben Zeppelin-Klassikern beglückt, ist mehr als nur eine Geste. Anders als Jimmy Page und John Paul Jones hat er keinen Bock auf dauerhafte Wiedervereinigung. Das Geschäft ist ihm zu monströs, zu bedrängend: Was als einmaliger Akt gut war wie das Konzert 2007 in London, zu dem es Millionen Ticketwünsche gab, wäre dreimal die Woche, sagt er, unter der Fuchtel von Konzernen, die ganze Tourneen aufkaufen, „eine Art Hölle“. Aber er hat die Schmuckstücke nicht weggeschlossen.

Robert Plant, der graumähnige Löwe, liebt das Diesseits, und wie er mit seinen exzellenten, aber eben nicht weltberühmten Begleitern aus Bristol, Liverpool und London die Diamanten von einst aufpoliert, ist eine Messe. „What Is And What Should Never Be“ bricht coolen Charme an scharfer Kante. „Black Dog“ versteckt sich zunächst hinter afrikanischen Vorhängen, die der Gambier Juldeh Camara auf seiner archaischen einsaitigen Laute webt. Erst als Plant, unlängst von der Queen zum Commander of the British Empire ernannt, das charismatische „Hey-Hey-Mama“ rauslässt, ist der Hund von der Leine, vom Aufschrei der Massen begrüßt. Dieser Hund beißt nicht, er tänzelt, und seidig glänzt sein schwarzes Fell. Bei „Going To California“, dem filigranen Kleinod aus dem Schatten von „Stairway To Heaven“, lässt Justin Adams die Mandoline perlen, „Babe I’m Gonna Leave You“, Roberts inniger Folkblues von 1968, wird von Skin Tyson an der akustischen Gitarre in ein spanisches Gewand gehüllt, beides zum Niederknien schön. „Whole Lotta Love“ und „Nobody’s Fault But Mine“ werden samt Wurzeln dargeboten, an denen Erde aus dem Mississippi-Delta klebt.

Der Blues von Willie Dixon, Muddy Waters und Howlin’ Wolf, aber auch die Trommeln Afrikas: Robert Plant ist es heute wichtiger denn je zu zeigen, dass die majestätische Größe jener Rockmusik, die er einst miterzeugte, auf schwarzer Erde, Sumpf und Grasland gründet.

Auch seine Sololaufbahn war und ist voller Ausflüge in unwegsames Gelände und hat bisher ein gutes Dutzend reizvoller Alben hervorgebracht. „The Enchanter“ von 2002, bereits mit einigen seiner aktuellen Begleiter eingespielt, ist so ein Song, asiatisch angehaucht, von nordafrikanischer Rhythmik durchdrungen und ähnlich erhaben wie das grandiose „Kashmir“ Led Zeppelins. Auch drei Titel vom neuen Album „Lullaby …“ erklingen, das im September erscheinen wird: „Little Maggie“, das auf einem Traditional aus den 1940ern beruht, das kantige „Turn It Up“ und „Rainbow“, ein melodischer Ohrwurm von bezaubernder Eleganz.

Verschmitzter Gottvater des Rock

Die Größe Robert Plants zeigt sich nicht nur in der Spannweite seines Repertoires und seiner ungebrochenen Ausstrahlung, sondern auch in unverbrauchter Freude an der Performance, in dieser ansteckenden vitalen Frische. Er kann über sich und seinen Ruhm schmunzeln, doch das Publikum nimmt er ernst. Ein verschmitzter Gottvater des Rock, herabgestiegen von den Wolken, wo nichts los ist, um sich wohlzufühlen in den Weiten der Schöpfung und neue Ideen zu haben. Gott zu sein ist harte Arbeit, Mensch zu sein nicht minder, und Arbeit soll Spaß machen.

Er verabschiedet sich von Dresden mit einer knochentrockenen Version von „Communication Breakdown“ und einem freundlichen „Gute Nacht“, als wollte er
sagen: Morgen ist auch noch ein Tag. Denn eines ist klar: der hat noch allerhand vor.