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Der Schock nach der Katastrophe

Der Friedersdorfer Kretscham ist völlig zerstört. Weil das Haus einzustürzen droht, bleibt die B 96 halbseitig gesperrt.

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Von Romy Kühr

Die Blumen vor der Eingangstür sehen aus, als wäre nichts passiert. Auch der Schriftzug an der Hauswand ist nahezu unversehrt: „Kretscham zu Oberfriedersdorf“ steht in geschwungenen Buchstaben daran. Beide haben dem Unglück standgehalten. Doch von der traditionsreichen Dorfgaststätte selbst ist so gut wie nichts mehr übrig. Das Gasthaus an der Bundesstraße ist in der Nacht zum Donnerstag abgebrannt. Noch gestern Vormittag bietet sich ein Bild, das von der nächtlichen Katastrophe zeugt. Rot-weißes Flatterband versperrt die Weiterfahrt auf der B 96. Autos werden schon ab Ebersbach über Schönbach umgeleitet. Wer sich auskennt, nutzt die Dorfstraße oder den Umweg über den Hempel und Neufriedersdorf.

Der Dachstuhl der Gaststätte ist abgebrannt, verkohlte Balken ragen in den Himmel. Und der Schornstein, auch er hat den Flammen standgehalten. Zwei Feuerwehrleute setzen Atemmasken auf, schnallen ihre Sauerstoffflaschen auf den Rücken. Sie machen sich noch einmal auf den Weg ins niedergebrannte Gebäude. Mit Wärmebildkameras suchen sie nach Glutnestern. Noch immer ist das Feuer nicht gänzlich aus, noch immer steigt weißer Rauch aus der Ruine auf. Sehr schnell seien die freiwilligen Feuerwehren vor Ort gewesen, berichten Anwohner. Viele haben das Geschehen in der Nacht verfolgt. Gegen halb zwölf am Mittwochabend bricht das Feuer aus. Warum, das konnte noch nicht ermittelt werden. Der Brandursachenermittler kommt erst heute nach Friedersdorf. Weil die Hitze in der Ruine gestern noch zu groß war, konnte er seine Arbeit nicht beginnen. Nach Berichten von Augenzeugen habe zunächst die angrenzende Scheune gebrannt. Das bestätigt die Polizei. Später haben die Flammen auf das Dach der Gaststätte übergegriffen, teilt die Polizeidirektion mit. Insgesamt zehn Feuerwehren aus den umliegenden Orten sind im Einsatz, zeitweise mit 140 Kameraden. Auch aus dem Nachbarkreis Bautzen sind Einsatzkräfte hinzugekommen. Viele der Feuerwehrleute sind die ganze Nacht auf den Beinen. Das Löschwasser pumpen sie aus einem Speicher am Friedhof und von der Spree herauf an die Bundesstraße. Ein Feuerwehrmann verletzt sich beim Einsatz. Eine Frau wird mit einem Schock ins Krankenhaus gebracht, berichtet die Polizei. Es soll sich um die Wirtin der Gaststätte handeln, erzählen die Schaulustigen. Beide sind behandelt und wieder aus dem Krankenhaus entlassen. Oben im Kretscham habe das Wirtsehepaar seine Wohnung gehabt, berichten die Friedersdorfer. Auch die ist zerstört. Was das Feuer verschont hat, dem hat das Löschwasser den Rest gegeben. Entsetzen und Mitgefühl – das ist das, was man am meisten hört von den Menschen, die sich an der Absperrung versammeln. Der Strom der Schaulustigen reißt den ganzen Tag über nicht ab. Auch am Nachmittag noch kommen ganze Familien zum Kretscham. Einige Frauen wischen sich Tränen aus den Augen. Schließlich hat das Gasthaus eine lange Tradition, gehört zum Ort einfach dazu. Jeder in Friedersdorf hat irgendwie eine Verbindung zum Kretscham. Immerhin ist der Kretscham bereits im 18. Jahrhundert erwähnt worden. So lange schon gibt es eine Gaststätte hier an der Friedersdorfer Hauptstraße. Der Schaden, den jetzt das Feuer angerichtet hat, geht in die Hunderttausende schätzt die Polizei gestern vorsichtig ein.

Während die Retter noch damit beschäftigt sind, die Reste des Hauses abzusichern, machen sich Anwohner schon Gedanken über die Zukunft des Kretschams. „Wenn man das Gebäude sichert und gut über den Winter bekommt, kann es vielleicht wieder aufgebaut werden“, sagt einer. Danach sieht es laut Polizeiangaben momentan allerdings nicht aus. Die Polizei spricht von Einsturzgefahr. Deshalb ist die vorbeiführende Bundesstraße auch gestern noch gesperrt geblieben. Erst am späten Nachmittag ist sie wieder für den Verkehr freigegeben worden. Damit keine losen Teile auf die Straße herunterfallen, hat die Polizei die Gebäudereste zuvor großräumig abgesperrt. Die B 96 ist deshalb bis auf Weiteres nur halbseitig befahrbar, der Verkehr wird per Ampel vorbei geleitet.