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Der Schneidertraum vom Hochzeitskleid

Als kleine Handwerker verkleidet, schlüpfen Kinder in Pirna aus den Kalendertürchen. Die SZ trifft ihre Vorbilder. Heute: eine Schneiderin.

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© SZ

Von Heike Sabel

Pirna. Mal wieder ein Hochzeitskleid nähen, das wäre was. So richtig mit allem Drum und Dran. Vorgeschmack war im September die Änderung eines Hochzeitskleides. Die Kundin hatte es im Internet gekauft – und dann war es zu klein. Kleiner machen, wäre ja kein Problem, Abnäher rein, kürzen, es gibt einige Tricks. Aber größer machen? Schneiderin Manuela Michel ließ sich was einfallen. Feine kleine Schlaufen und ein Band zum Schnüren zauberten die fehlenden Zentimeter. „Das war viel Arbeit und hat richtigen Spaß gemacht“, sagt Manuale Michel. Das Kleid sah aus, als hätte es genau so sein müssen. Das ist eben Schneiderhandwerk.

Manuela Michel ist gelernte Schneiderin. Sie führt das Geschäft Laufsteg Moden auf der Breiten Straße in Pirna. Am Dienstag um 17 Uhr berichtet sie auf der Bühne des Canalettomarktes dem Weihnachtsmann über ihr Handwerk.
Manuela Michel ist gelernte Schneiderin. Sie führt das Geschäft Laufsteg Moden auf der Breiten Straße in Pirna. Am Dienstag um 17 Uhr berichtet sie auf der Bühne des Canalettomarktes dem Weihnachtsmann über ihr Handwerk. © Kristin Richter
Sonya aus Pirna arbeitet hinterm sechsten Türchen des Kalenders. Die Vierjährige ist eine Schneiderin.
Sonya aus Pirna arbeitet hinterm sechsten Türchen des Kalenders. Die Vierjährige ist eine Schneiderin. © Marko Förster

Manuela Michel hat es Ende der 1980er-Jahre gelernt. Stich für Stich, Naht für Naht. Das Gesellenstück, ein grünes Kleid mit Stehbündchen, geriehenen Ärmeln und natürlich Futter hat sie gern getragen. Der erste Kundenauftrag war dann ein Rock. Damals brauchte sie vier Stunden von der Anprobe bis zum fertigen Rock, heute die Hälfte.

Obwohl die Tante und die Oma Schneiderinnen sind bzw. waren, hat Manuel Michel erst mit der Lehre zu nähen begonnen. Das Musterbuch ihrer Tante und ihr eigenes hat sie aufgehoben. Es zeigt Schritt für Schritt, was die Näherinnen lernten und wie es gemacht wird. Heute muss sie nicht mehr nachschauen, und vieles wird auch nicht mehr so gemacht. Steifleinen in Revers zum Beispiel einnähen. Heute gibt es dafür leichteres Material, das den gleichen Zweck erfüllt. Kostümjacken und Revers nähen gehören nach wie vor zur hohen Schule der Schneiderei. Revers sollten schließlich auf beiden Seiten der Jacke gleich aussehen. Auch Daunenjacken haben es in sich. Sie zu kürzen, erfordert Fingerspitzengefühl. Nur einmal war ein Kleid zu kurz – das wurde aber noch rechtzeitig gemerkt. Kurzerhand fuhr Manuela Michel nach Dresden und kaufte noch einmal den Stoff. Die Kundin hat nichts von dem kleinen Malheur gemerkt.

Wie das tapfere Schneiderlein sitzt Manuela Michel nicht mehr über ihrem Nähzeug. Doch trotz moderner Nähmaschinen ist es eine gemütliche Nähstube. Der Zuschneidetisch stammt noch aus DDR-Zeiten, die Bügelhilfe ist selbst gebaut. Meist sind es Änderungen, die heute hier genäht werden. Oben im Regal liegt schwerer grüner Lodenstoff. Das wird ein Mantel. Aber solche Aufträge sind seltener geworden. Meist sind es Frauen, die für sich nichts Passendes finden. Auch sich selbst näht Manuela Michel kaum noch etwas. Dafür ist sie seit einigen Jahren für die Kostüme beim Musical des Herder-Gymnasiums verantwortlich. „Das ist cool“, sagt sie.

Trotzdem: „Das Schneiderhandwerk ist am Aussterben, sagt Manuela Michel und kann es sich doch nicht vorstellen. „Ich brauche meine Kunden und meine Maschine“, sagt sie. Nur vom Nähen zu leben, sei heute kaum möglich.

Aber vielleicht ist ja doch noch einmal ein Hochzeitskleid dabei. Bis dahin kürzt Manuela Michel erst mal noch ein paar Ärmel. Das ist zwar kein Schneider-Traum, dafür sauberes Handwerk.