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Der Schlüsselmann

Jiri Taficuk ist von der tschechischen Polizei zur deutschen gewechselt. Mit seinen Kontakten öffnet er wichtige Türen.

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© Matthias Weber

Von Anja Beutler

Wenn Jiri Taficuk eine Tasche packen müsste, mit all den Dingen, die er für seinen Job braucht, käme wohl nicht viel hinein. Schließlich kann man diplomatisches Geschick, die Sprachen des Dreiländerecks und gute Kontakte nicht einpacken. Das muss man besitzen – so wie der 43-jährige Tscheche. Seit Anfang dieses Jahres ist er als ziviler Angestellter bei der Polizeidirektion Görlitz beschäftigt. Er ist hier eine Art Türöffner, trinationaler Koordinator zwischen den Polizeibehörden in Polen, Tschechien und Deutschland. Und manchmal ist er auch einfach nur Übersetzer. Wobei sich der bescheidene Familienvater mit dem offenen Blick selbst niemals als etwas Besonderes bezeichnen würde.

Doch das ist er durchaus. Vor allem für Conny Stiehl. Der Görlitzer Polizeipräsident hat Jiri Taficuk bei einem Treffen mit dem Liberecer Polizeichef kennengelernt. Dass der Tscheche Polnisch und Deutsch so gut sprechen kann, ausgebildeter Polizist ist, über unzählige Kontakte verfügt und auch noch in der Nähe zu Zittau wohnt, brachte Stiehl auf die Idee, ihn schlichtweg abzuwerben. Und das ist ihm – mit Einverständnis der Liberecer – auch gelungen.

Für Taficuk selbst war dabei nur eines wichtig: „Ich wollte genau diese Arbeit weitermachen wie bisher.“ Das soll er sogar. Denn seine Fähigkeiten sind gefragter denn je. Nur ein Beispiel, das Taficuk benennt, macht es deutlich: In den vergangenen Jahren haben vor allem Schmuggel und Handel mit Crystal von Tschechien nach Deutschland enorm zugenommen. Mit allem, was dazu gehört: Abhängige beschaffen sich mit Diebstählen und Überfällen Geld, um die Sucht zu finanzieren. „Das ist aber überall im Dreiländereck so“, betont er. Deshalb könne es nur Erfolge geben, wenn alle zusammenarbeiten. „Die deutsche Polizei muss den tschechischen und polnischen Kollegen zum einen erklären, dass es eben nicht nur ein deutsches Problem ist und sie dann um Hilfe bitten“, skizziert Taficuk seine Strategie.

Mit dem Finger auf die Nachbarn zu zeigen und zu verlangen, dass sie das Problem lösen, habe noch nie zum Erfolg geführt: „Da gehen die Türen zu und Sie erreichen gar nichts“, sagt er. Denn, wer lässt sich schon vom Nachbarland etwas vorschreiben? Es braucht ein bisschen Feingefühl, viel persönliches Vertrauen und Kontakte zu den richtigen Leuten. Jiri Taficuk drückt das verschmitzt so aus: „Ich bin immer ehrlich, wenn ich die Lage erkläre, aber man muss ein bisschen Soße dazugeben.“

Warum er dafür ein Händchen hat, liegt an vielerlei Dingen. Sein Sprachtalent ist dabei aber sicherlich ein Schlüssel. Taficuk weiß, welchen Schatz er da ererbt hat. Denn in seiner Familie ist wohl der Grundstein gelegt worden: Ungarisch, Tschechisch, Slowakisch, Russinisch – all das wurde da gesprochen, verteilt über die Generationen. Er selbst habe schon als Kind polnisches Fernsehen geschaut und dabei viel aufgeschnappt. Deutsch lernte er zunächst vier Jahre lang in der Schule.

Gepflegt hat der Tscheche die Sprachen auch als Polizist: Von 1993 bis 2007 war er bei der Fremdenpolizei – einer Einheit, die auch illegale Einreisen oder Schwarzarbeit im Visier hat – in Hradek an der Grenze zu Polen eingesetzt. Gelegentlich hatten er und seine Kollegen auch Dienst auf dem Zittauer Bahnhof, wo sie Passagiere kontrollieren mussten. „In den Pausen kann man lesen, fernsehen oder sich eben mit den deutschen Kollegen unterhalten“, sagt Taficuk und lächelt. Das hat ihm auch geholfen, als er 2010 in Liberec gemeinsam mit zwei Kollegen eine neue Abteilung aufgebaut hat, die sich vor allem mit Hilfeersuchen zu Ermittlungen oder Strafverfolgung in den Nachbarländern befasst hat. Wegen seiner Sprachkenntnisse wurde er 2006 zudem für einen Sondereinsatz zur Fußball-WM in Deutschland entsandt: Er war einer von 20 tschechischen Uniformierten, die auf Flugplätzen und Bahnhöfen kontrollierten. „Ein Stadion haben wir nicht gesehen“, erzählt er. Schlimm war das für ihn nicht, Fußball sei nicht so seins.

Jiri Taficuk selbst würde übrigens nie behaupten, dass er gut Deutsch spricht – eine Untertreibung, die seine deutschen Kollegen regelmäßig zum Lachen bringt. Der Tscheche wendet dann immer ein, dass es bei der Polizei auch noch weitere Kollegen gibt, die Polnisch oder Tschechisch perfekt sprechen. „Das stimmt schon“, betont auch der Pressesprecher der Polizeidirektion, Thomas Knaup. Aber solche Kontakte wie er habe eben niemand: „Er ist der Mann für die Fälle, die in keine Schublade passen. Er ist ein Schlüsselmann.“