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Der schlichtende Dauerläufer

Jürgen Schildt ist seit 20 Jahren Friedensrichter in Coswig. Mit ganz viel Vertrauen.

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© Norbert Millauer

Von Uta Büttner

Coswig. Dieser Mann ist 80? Vor wenigen Stunden, um 4.30 Uhr, lief er bei Minusgraden 7,5 Kilometer. Jetzt sitzt er im Rathaus zum Gespräch, wortgewandt und Offenheit ausstrahlend: der erneut für fünf Jahre gewählte Coswiger Friedensrichter Jürgen Schildt. Seit 20 Jahren übt er dieses Ehrenamt aus – bis 2000 als Leiter der Schiedsstelle mit drei Leuten, danach als Alleinkämpfer. Besonders berührt ist Jürgen Schildt, dass seine Wiederwahl Anfang Februar offen und einstimmig im Stadtrat erfolgte. „Das war ein großer Vertrauensbeweis“, sagt er erfreut.

Als sich der einstige Sportlehrer 1998 erstmals für das Ehrenamt bewarb, reizten ihn die damit verbundenen Aufgaben. Vor allem „das Ausgleichende und das Nicht-Bestimmende. Ich möchte schlichten und nicht richten“, sagt er. Und das bedeute, beide Parteien dazu zu bewegen, ein wenig von ihrem Rechtsverständnis abzurücken, um der anderen etwas näher zu kommen. Hilfreich ist dabei seine Leidenschaft für die Mediation. Deshalb nimmt er gern an Fortbildungslehrgängen teil. „Dieses Wissen kann man nicht nur als Friedensrichter gebrauchen“, sagt er.

Jürgen Schildt ist stets bemüht, eine Gerichtsverhandlung zu vermeiden, auch wenn das einen erheblichen Mehraufwand für den Rentner bedeutet. Kommt ein Antragsteller zu einer Beratung, versuche er, zunächst einen Kontakt zum Antragsgegner herzustellen. „Das klappt nicht immer, aber meistens.“ Oder er schaut sich die Umgebung an, wie beispielsweise den Baum, dessen Äste zu weit über die Grundstücksgrenze ragen, oder den Balkon, auf den des Nachbars Katze immer springt. „Dann kann ich mir besser ein Bild machen, worum es geht.“ Und so gelang es ihm bei etwa 100 Beratungen in den vergangenen fünf Jahren 34 Mal eine Einigung vor einer Schlichtungsverhandlung zu erreichen. Dabei sind die Beratungen und Gespräche kostenfrei. Erst bei einer Verhandlung fallen Gebühren zwischen 30 und 50 Euro an. In seiner vergangenen Amtszeit waren es etwa 15 Fälle.

Knapp zwei Drittel der Beratungssuchenden sind ältere Menschen ab 60 Jahre. „Die meisten jungen Leute haben keine Zeit und lassen Streitigkeiten lieber mithilfe ihrer Rechtsschutzversicherung klären“, nennt Jürgen Schildt als Gründe. Dabei gehören nicht nur Nachbarschaftsstreits zu den Aufgaben eines Friedensrichters. Auch das Schlichten bei Betrügereien ist möglich. So sei es nicht selten, dass jemand sein Handy zum Verkauf anbietet, der Käufer eine spätere Zahlung verspricht und sich dann aber nicht mehr sehen lässt. In solchen Fällen arbeitet der Friedensrichter mit der Polizei zusammen. Oder auch bei strafrechtlichen Vorfällen, wie dem absichtlichen Beschädigen eines Autos, kann der Friedensrichter schlichten.

Fünf bis sechs Stunden monatlich ist Jürgen Schildt mit den Aufgaben als Friedensrichter beschäftigt. „Als Leiter des Sachsenlaufs“, bei dem er auch selbst mitläuft, „habe ich mehr zu tun“, sagt er. Dreimal in der Woche, wenn das Wetter es zulässt, joggt der 80-Jährige mehrere Kilometer. „Einen Halbmarathon laufe ich nicht mehr“, sagt er lachend, „aber zehn bis zwölf Kilometer schon noch“. Und auch auf den Abfahrtspisten wie kürzlich ist er noch unterwegs. Doch egal, wie fit er in den nächsten fünf Jahren noch sein wird, „nach dieser Amtszeit ist definitiv Schluss“, betont der Rentner.