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Der Schatten der Kreisel-Baustelle

Die „Löbauer Friseure“ nutzen die Flaute am Neumarkt für eine Renovierung. Für eine kleine Schneiderin aber wird‘s eng.

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© Matthias Weber

Von Markus van Appeldorn

Löbau. Die Baustelle für den neuen Kreisverkehr am Neumarkt befindet sich noch in Winterruhe. Für anhaltende Ruhe sorgt sie auch in manchem Ladenlokal rund um den Neumarkt. Das spürt etwa Steffen Langner, Vorstand der eingetragenen Genossenschaft „Löbauer Friseure“. „Wegen der Parkplatzsituation hier sind in letzter Zeit schon deutlich weniger Kunden gekommen“, sagt der Friseurmeister und Unternehmer. Die nach der Wende aus einer „Produktionsgenossenschaft des Handwerks“ (PGH) hervorgegangenen „Löbauer Friseure“ haben 1990 ihr denkmalgeschütztes Stammhaus am Neumarkt erworben. Das Haus beherbergt als Unternehmenssitz die Verwaltung, im Erdgeschoss ist einer ihrer vier Löbauer Salons eingerichtet.

Die Zeit der Kunden- und Umsatzflaute nutzt das Unternehmen nun zur Modernisierung der Filiale. Denn die bisherige Einrichtung stammt auch noch aus dem Jahr der deutschen Einheit. Zeit für eine Frischekur. „Wir richten den Salon komplett neu ein“, sagt Steffen Langner. Und das vom Fußboden bis zur Decke. Die Innenräume sind derzeit völlig entkernt. Kein Möbelstück, kein einziges Waschbecken steht mehr drinnen. Von der Decke hängen Kabel, im Boden sind Rohre freigelegt und die Wände sind unverputzt.

Friseur Steffen Langner erklärt, was in den nächsten Wochen auf den 120 Quadratmeter Salon alles geschehen soll. Unter anderem sorgt er für Friseur-Wellness, neuester Stand. „In dem kleinen Raum im hinteren Bereich installieren wir ein Waschsofa mit verschiedenen Lichtstimmungen“, sagt er. So ein Sofa sieht aus wie ein gemütliches Wohnzimmer-Möbel – nur, dass an der Rückenlehne Kopfwaschbecken installiert sind.

Im hinteren Bereich soll auch der Damenbereich mit zehn Arbeitsplätzen neu entstehen. Im vorderen Bereich weicht der bisherige Empfangstresen einem neuen geschwungenen Modell. „Diese Form soll sich als Gestaltungselement durch den ganzen Salon ziehen“, sagt Steffen Langner. Das ganze Interieur wird im Stil den neuen Filialen des Unternehmens angeglichen. Das schafft einen Wiedererkennungswert und eine Marken-Identität.

Im vorderen Bereich werden, wie gehabt, vier Plätze für männliche Kunden geschaffen. Auch diese mit modernster Technologie und in zeitgemäßem Ambiente. „Die männlichen Kunden sind heute bei ihrem Friseurbesuch viel anspruchsvoller als früher“, sagt Steffen Langner. Am Montag, 26. März, wollen die „Löbauer Friseure“ ihren frisch gestylten Stammsalon schon wieder für ihre Kundschaft öffnen.

Kraft und Kapital für solche Verschönerungsmaßnahmen hat Angelika John nicht. Die 75-Jährige betreibt in der Äußeren Bautzner Straße 8 eine kleine Änderungsschneiderei und Lederwerkstatt. „Mir bleiben die Kunden weg, seit die Baustelle begonnen hat“, sagt sie. Mindestens 50 Prozent Schwund verzeichnet sie. Seitdem ist es noch ruhiger geworden in dem Haus, das mit seiner bröckelnden Fassade und Rissen im Gemäuer ohnehin ein Bild des Jammers abgibt. „Die letzten Bewohner haben das Haus schon vor 15 Jahren verlassen“, sagt Angelika John. Mit ihrem kleinen Atelier führt sie im Erdgeschoss ein regelrechtes Eremitendasein bei kargem Licht und bescheidener Wärme, die ein Holzofen abstrahlt. Tauschhandel gehört bei ihr noch mit zum Geschäftsmodell: „Manchmal bringen mir Kunden Holz zum Heizen mit und bekommen dafür einen Rabatt bei ihren Aufträgen“, sagt sie.

Aber das Holz könnte langsam knapp werden und die Bauarbeiten erschüttern im Wortsinne ihre Umsatz-Prognosen. „Als die mit den Baggern hier den Straßenbelag entfernt haben, hat‘s hier ganz schön gescheppert“, sagt sie. Da musste sie den Putz, der noch an der Fassade verblieben war, vom Gehsteig fegen.

Vor ein paar Tagen kam‘s noch ärger. Da fingen Bagger im Auftrag der benachbarten Pflege-Unternehmerin Ivette Riegel an, die baufällige Hausnummer 4 abzureißen. „Kunden haben mich besorgt gefragt, ob mein Haus hier jetzt auch abgerissen wird“, sagt Angelika John und will gar nicht erst, dass sich das als Gerücht herumspricht. Weil sie in ihrem Laden auch Schuhreparaturen an einen Schuhmachermeister in Lauba vermittelt, sei auch dessen Geschäft von der Baustelle betroffen.