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Der Sand-Mann ist da

Bis vor wenigen Jahren war der extrem feine Sand in der Kiesgrube Naundorf ein Ärgernis. Jetzt ist er der Verkaufsschlager.

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Von Birgit Ulbricht

Dieser Mann will Betonköpfe ändern. Das hat schon mancher versucht, nur bei ihm könnte es wirklich klappen. Dr. Michael Fleischer ist 64 Jahre, Chef der Steine und Erden Lagerstättenwirtschaft GmbH in Naundorf und garantiert der echte Sand-Mann. Und weil er so feinen Sand hat wie kein anderer in der ganzen Region, will er die Betonhersteller überzeugen, mit seinem ungewöhnlichen Feinsand Beton zu produzieren. 30 Prozent Zement lassen sich so einsparen, sagt Michael Fleischer. Was aber noch viel wichtiger ist, der Naundorfer Sand hat Eigenschaften, die sonst kein noch so feiner Mörtelsand der anderen Kieswerke aufweist: Er enthält nahezu keine quellfähigen Tonminerale, die Wasser anziehen und dafür sorgen, dass Beton durchs Frieren und Auftauen reißt. Und: Der Sand hat enthält deutlich über 90 Prozent Quarz und bleibt unter 63 Mikrometer Feinkörnung. Üblich sind über 100 Mikrometer. Damit fließt der Sand bei der Betonverarbeitung förmlich in jede Ritze und wird anschließend „hart wie Beton“.

Wenns um Sand geht, ist seine Begeisterung nicht zu bremsen: Dr. Michael Fleischer zeigt eine Probe seines sehr feinkörnigen Sandes, wie er so nur im Kieswerk Naundorf bei Ponickau zu finden ist. Mit den richtigen Zuschlagstoffen könnten daraus ganz neue
Wenns um Sand geht, ist seine Begeisterung nicht zu bremsen: Dr. Michael Fleischer zeigt eine Probe seines sehr feinkörnigen Sandes, wie er so nur im Kieswerk Naundorf bei Ponickau zu finden ist. Mit den richtigen Zuschlagstoffen könnten daraus ganz neue

Ein fester Sandball wie aus Schnee

Man merkt es schon beim Anfassen. Zur Kugel geformt, bleibt der Naundorfer Sand auch als Kugel in der Hand liegen. Kein Rieseln. „Wenn Sie den jetzt an die Wand werfen“, lacht Michael Fleischer, „bleibt der Sand kleben.“ Weil beim Verarbeiten auch sehr wenig Wasser gebraucht wird, erreichen die Fertigteilwerke unwahrscheinliche Beton-Güten, „mit Oberflächen, so glatt wie ein Kinderpopo“, ergänzt Fleischer schmunzelnd. Letzteres zahlt sich ordentlich aus. Beim Hausbau können schnell 20 000 bis 30 000 Euro Mehrkosten auflaufen, wenn die Arbeiter „die Löcher im Beton“ zuschmieren müssen, weil der Architekt sonst den Bau nicht abnimmt. Die Oschatzer Fertigteilhersteller schwören inzwischen auf den Naundorfer Feinsand, ebenso die Coswiger. Der Eingangstest: eine Fertigtreppe. „Wer die Treppe beherrscht, beherrscht alles“, sagt Fleischer.

Als das bei einer Probeherstellung super klappte und der Naundorfer danach noch mit einem Popo-glatten Terrassenboden nachlegte, war er im Geschäft. Jetzt will er auch andere überzeugen, dass er nicht nur den feinsten Sand von allen hat, sondern vielleicht sogar einen neuen Werkstoff. Irgendwo zwischen Kunststoff und Stahl sollen seine Eigenschaften angesiedelt sein. Denn sein patentierter „Perposil“ – was aus dem Lateinischen so viel heißt wie „Feinheit durch Silizium“¨– soll Betonbauern neue Horizonte eröffnen. Was, wenn eine Fertigwand eben nicht mehr acht bis zehn Stunden bis zum Ausschalen braucht, sondern nur zwei bis drei Stunden? Wenn ganz neue Formen denkbar sind, weil das Material gleichermaßen biegefest wie hart ist? Wenn dadurch völlig neue Technologie möglich sind, mit dem Einsetzen von Kohlenstofffasern und vielem mehr? Dr. Michael Fleischer denkt in Kristallgittern, in der idealen Balance von Wasser, Sand und Zement. Seit vier Jahren stellt er in der eigenen Aufbereitungsanlage seinen Naundorfer Feinsand her und seitdem hat er sich tiefer und tiefer in die Grundlagenforschung begeben. Ein Netzwerk hat er sich aufgebaut, mit Leuten, die ihn verstehen, mit Enthusiasten, wie er einer ist. Ohne Fördermittel – „da müsste ich ja jemanden einstellen, der nur Anträge schreibt“ – und so voller Begeisterung, dass selbst die Forscher an der Bergakademie Freiberg begeistert sind.

Feinsand war früher nur Abraum

In ein paar Jahren will sich Michael Fleischer zurückziehen, allerdings nur um noch mehr zu forschen. Seine Firma hat er angefangen, dem Sohn zu übergeben. Generationen hätten hier noch Arbeit in der Kiesgrube. Für ordentliches Geld. 20 Hektar sind derzeit bergmännisch aufgeschlossen, die geplante Jahreskapazität von 300 000 bis 350 000  Tonnen ist erreicht.

Der extrem feine Sand, den Fleischer noch bis zum Jahr 2006 als extrem lästig empfand, hat sich als Glücksfall erwiesen, als das Wertvollste der Lagerstätte. Weil Fleischer Jahre darüber nachgedacht hat, was man damit machen könnte. Und weil es diesen Sand sonst nirgendwo gibt. Wie der Feinstsand nach Naundorf kam, darüber rätseln selbst die Geologen noch. Er passt in keines ihrer Modelle. Durch Windverwehungen? Ausspülungen nach der Eiszeit? Er ist jedenfalls da und reicht weit hinein bis zur Königsbrücker Heide. Fleischer möchte die Kiesgrube gern erweitern. 1993 bis 1995 hatte die Lagerstättenwirtschaft GmbH das Vorkommen in Naundorf erkunden lassen und sich zunächst ein 30 Hektar-Abbaufeld nach Bergrecht genehmigen lassen. Bis 2028 geht die Verlängerung der Betriebserlaubnis nun. Es wird Zeit an das Danach zu denken. Daran, was aus dem „Naundorfer Schatz“ wird.