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„Der Rettungsdienst ist sichergestellt!“

Das sagt das Amt für Brand-, Katastrophenschutz und Rettungswesen – und räumt gleich mit einem weiteren Vorwurf auf.

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© Roland Halkasch

Von Dominique Bielmeier

Meißen. Drei Seiten ist sie lang, die Presseerklärung zur Personalsituation im Rettungsdienst, die am Freitag die SZ erreichte. Der Umfang erklärt vielleicht die Wartezeit von gut einer Woche seit der letzten SZ-Anfrage zum Thema. Vielleicht wollten bei diesem brisanten Thema die Worte auch besonders gut gewählt sein. In dem Schreiben äußert sich Frank Oßwald, Leiter des Amtes für Brand-, Katastrophenschutz und Rettungswesen im Landkreis, zu den Vorwürfen, der Rettungsdienst könne durch das Deutsche Rote Kreuz (DRK) in der Region nicht mehr gewährleistet werden. „Der Rettungsdienst im Landkreis Meißen ist sichergestellt!“, schreibt Oßwald. Die in der integrierten Rettungsleitstelle Dresden eingehenden Notrufe und Krankentransportanmeldungen würden sehr professionell disponiert, weshalb keine Versorgungslücken entstünden. Die Leitstelle koordiniere auch, welches Fahrzeug eingesetzt werde. „Die Absicherung der Notfallrettung ist nie an ein Fahrzeug einer bestimmten Wache allein gekoppelt.“ Durch kontinuierliche Abstimmung zwischen Landkreis und allen Leistungserbringern im Rettungsdienst werde stets gewährleistet, dass alle Einsätze übernommen werden können und die Versorgung der Bevölkerung sichergestellt ist. Beide – Kreis sowie Leistungserbringer – „arbeiten aktuell ganz intensiv an der Verbesserung der Personalsituation“.

Oßwald erklärt auch, wie die sich „beinahe täglich verschärfende Personalsituation“ überhaupt entstehen konnte: Rettungsassistenten sollen künftig laut Gesetz durch Notfallsanitäter ersetzt werden. Deren Ausbildung dauert ein Jahr länger als die der Rettungsassistenten. „Mitarbeiter scheiden aber aus dem Dienst aus, oder durch strukturelle Anpassungen müssen zusätzliche Rettungsmittel besetzt werden“, so Oßwald. Gleichzeitig sind Nachwuchskräfte noch nicht fertig ausgebildet. Seit Mitte 2014 bis voraussichtlich September 2017 stehe kein direkter Nachwuchs an Fachkräften zur Verfügung. Erschwert werde die Situation durch die nur schleppend anlaufenden Ausbildungen. „Die Nachwuchssituation verschärft sich damit nochmals“, warnt Oßwald.

Kliniken, andere Bundesländer sowie öffentliche Arbeitgeber würden außerdem Personal aus dem Rettungsdienst in ganz Sachsen abziehen. Für Brancheninsider ist das kein Wunder: Die neuen Notfallsanitäter verdienten beim DRK Sachsen trotz längerer Ausbildung nicht mehr als ein Rettungsassistent, heißt es. Eine Kommunalisierung des Rettungsdienstes wie in Brandenburg, darauf weist Oßwald in der Erklärung ausdrücklich hin, stelle „keinen tragfähigen Lösungsansatz für die bestehende Situation“ dar. Das sächsische Gesetz über den Brandschutz, Rettungsdienst und Katastrophenschutz schreibe zwingend die Vergabe der Leistung für Notfallrettung und Krankentransport auf der Basis eines Auswahlverfahrens mittels öffentlich-rechtlicher Verträge an private Hilfsorganisationen oder andere Leistungserbringer vor. „Der Landkreis Meißen als Träger des Rettungsdienstes besitzt hierbei keinen Ermessensspielraum.“

Beim Thema Ausschreibung will der Amtsleiter auch gleich aufräumen „mit dem dauerhaften Vorwurf, das DRK habe die Ausschreibung des Rettungsdienstes im Landkreis Meißen durch viel zu niedrig angesetzte Kosten gewonnen“. Um „Spekulationen und permanenten Nachfragen von Medienvertretern“ vorzubeugen, betont Oßwald, „dass bereits nach erfolgter Vergabeentscheidung Vorwürfe von zu niedrig angesetzten Kosten durch Landkreis, Kostenträger und Vergabekammer entkräftet wurden“. Bei der Entscheidung seien vom Kreis nur belastbare und seriöse Angebote berücksichtigt worden.

Um die Personalnot zu lindern, seien auch bundesweite Maßnahmen nötig. Oßwald fordert, Ausbildungsplatzzahlen massiv anzuheben und durch arbeitsorganisatorische Maßnahmen wie Ersatzeinstellungen die Freistellung und Qualifizierung des Bestandspersonals zu sichern. Der Kreis und die Leistungserbringer seien bereit, deutlich mehr junge Menschen auszubilden. Die Plätze würden aber nicht im erforderlichen Umfang genehmigt. Nach SZ-Informationen blieben im Zeitraum September bis Mitte Oktober 17-mal Rettungswagen und neunmal Notarztwagen vom DRK-Rettungsdienst Meißen aus Personalmangel auf dem Hof stehen. 32-mal konnte auch der Krankentransport nicht fahren. Das soll die Wachen in Meißen, Radebeul, Coswig und Moritzburg betreffen. „Wir sind allesamt beschämt über die derzeitige Lage und Situation im Rettungsdienst, aber können aus eigener Kraft nicht mehr machen“, schreibt ein Mitarbeiter unter dem SZ-Beitrag auf Facebook dazu. „Eines aber kann ich versichern, wir als Arbeitnehmer werden uns dies nicht länger mit ansehen in Meißen.“