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Der Reformator in Porzellan

Olaf Stoy koordiniert in Freital die Herstellung von Medaillen zum Lutherjahr. Eine entwirft er selbst.

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© Karl-Ludwig Oberthür

Von Thomas Morgenroth

Freital. Grübelnd, den Kopf in die linke Hand gestützt, sitzt Martin Luther an seinem Schreibpult. Vor ihm breitet sich ein Buchstabensalat aus, den der streitbare Theologieprofessor sortieren will. Welche Ordnung Luther in das Chaos aus lateinischen Lettern bringen wird, erschließt sich dem aufmerksamen Betrachter schon nach kurzer Zeit. Ein R springt ins Auge, ein E, da liegen auch F und ein O, das M, A und T sind auszumachen. Der Rest fügt sich ohne weitere Suche im Kopf zu einem Wort zusammen, an dem in diesem Jahr wohl keiner vorbeikommt: Reformation.

Die halbe Welt, und nicht nur die christliche, feiert 2017 den 500. Jahrestag des Thesenanschlags Luthers an der Schlosskirche zu Wittenberg. Künstler erschließen sich das Thema auf ihre Weise. Wie der 52-jährige Hallenser Grafiker und Maler Moritz Götze, der Luthers Erleuchtung in seinem Arbeitszimmer im Südturm des Wittenberger Augustinerklosters, das sogenannte Turmerlebnis, bildnerisch umsetzte. Die Zeichnung ist rund – es ist der Entwurf für eine Medaille aus Porzellan, die, wenn sie fertig ist, einen Durchmesser von elf Zentimetern hat.

Olaf Stoy hält sie in seiner Werkstatt im Freitaler Technologiezentrum in der Hand, brandfrisch sozusagen. Der Rabenauer Porzellankünstler setzte Götzes Vorstellungen plastisch um. Aus der zweidimensionalen Skizze wurde ein dreidimensionales Relief aus Gips, aus dem Stoy dann die Gießform baute. Der 58-Jährige hätte letztlich auch die Medaille selbst herstellen können, allerdings war ihm das bei einer Auflage von 75 Stück zu arbeitsaufwendig. „Da habe ich in Freiberg mit der Porzellanfabrik einen Partner gefunden“, sagt Stoy. Nein, das ist kein Schreibfehler: Stoy hätte, wie er betont, lieber in der Freitaler Manufaktur produzieren lassen, dort, wo er einst Chefmodelleur war. „Aber das ist viel zu teuer.“

Es handelt sich ja nicht nur um eine Medaille, sondern um dreizehn verschiedene von dreizehn Künstlern zum Lutherjahr, die alle über Stoys Arbeitstische gehen. Es ist ein Projekt des Hallenser Nuklearmediziners Thomas Steuber, der in Halle die Galerie Nord betreibt und Besitzer der Marke Lettiner Porzellan ist, unter der die Medaillen auch erscheinen. Der Stückpreis liegt bei 68 Euro, inklusive eines hochwertigen Stülpkartons, der ebenfalls aus Sachsen stammt, aus Mühlau bei Chemnitz.

Medaillen aus Porzellan

Die Lettiner Medaillen sind begehrte Sammlerobjekte, die aber auch zu musealen Ehren kommen, wie im Landesmuseum Moritzburg in Halle und im Bode-Museum in Berlin. Seit 2008 gibt Thomas Steuber Medaillen aus Porzellan heraus und arbeitet seitdem auch mit Olaf Stoy zusammen, der ihm von Ulf Dräger, dem Kustos des Landesmünzkabinetts Sachsen-Anhalt, wärmstens empfohlen worden war.

Eine gute Wahl, wie Steuber betont. Bereits mit zwei seiner Lettin-Medaillen, einer zum 100. Geburtstag von Konrad Zuse, dem Erfinder des Computers, und einer zum 75. Todestag von Sigmund Freud, des Psychoanalytikers, war Stoy bei Ausstellungen der Internationalen Gesellschaft für Medaillenkunst dabei, der Fidem. Eine größere Anerkennung, sagt der Künstler, gebe es in seiner Branche nicht. Im vergangenen September setzte ihn die Jury beim Fidem-Kongress in Belgien sogar auf Platz zwei der weltbesten Medailleure.

Bei den Luther-Medaillen ist Stoy eher der Handwerker, wobei es ohne seine künstlerische Sichtweise wahrscheinlich zu keinen befriedigenden Resultaten kommen würde. In jedem Monat des Jahres 2017 erscheint eine der Medaillen, deren Vorderseiten von Künstlern vor allem aus Halle gestaltet werden, und deren Rückseiten die Initialen M.L. tragen, in Fraktur, so wie Luthers Bibel damals gedruckt wurde. Die Vielfalt ist groß: Helmut Brade etwa zeichnete ein kalligraphisches Porträt Luthers, Georg Mann holt den Reformator in die Gegenwart und stellt ihn vor einen Wald von Windkraftwerken, und Julia Baum thematisiert den berühmten Satz: „Und wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, so würde ich doch heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen.“

Als Zugabe, sozusagen, darf Olaf Stoy eine dreizehnte Medaille machen, nach eigenem Entwurf. Er lässt Luther auf der Wartburg mit dem Teufel kämpfen. Da ist aus dem lateinischen Buchstabensalat längst die Reformation geworden, auch wenn sie damals noch keiner so genannt hat.

Die Medaillen zum Luther-Jahr sind in der Galerie Nord in Halle (Saale) oder im Internet erhältlich.