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Sorgen und Gelächter beim Bürgerdialog

In der Kreuzkirche warnt Polizeichef Dieter Kroll vor einer Überlastung seiner Kollegen. Auch das hat etwas mit Ängsten zu tun.

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© Sven Ellger

Von Andreas Weller und Tobias Wolf

„Dem Himmel näherkommen“ wirbt das Schild neben der schweren Eingangstür um Turmbesucher. Drinnen geht es eher um irdische Probleme. Die Kreuzkirche ist am Donnerstagabend fast bis auf den letzten Platz besetzt: besorgte Bürger, Politiker und Ehrenamtler. Zum dritten Mal haben Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) und Superintendent Christian Behr zum Bürgerdialog geladen. Das Thema des Abends: Sicherheit und Unsicherheiten.

Bilder vom 3. Bürgerdialog

Am Donnerstag fand in der Kreuzkirche der 3. Bürgerdialog statt.
Am Donnerstag fand in der Kreuzkirche der 3. Bürgerdialog statt.
Der Direktor der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung, Frank Richter (l.),  und der scheidende Polizeipräsident Dieter Kroll.
Der Direktor der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung, Frank Richter (l.), und der scheidende Polizeipräsident Dieter Kroll.
Im Publikum: Die frühere Pegida-Sprecherin Kathrin Oertel.
Im Publikum: Die frühere Pegida-Sprecherin Kathrin Oertel.
Auch dabei: Eric Hattke (r.), Sprecher des Netzwerkes Dresden für Alle
Auch dabei: Eric Hattke (r.), Sprecher des Netzwerkes Dresden für Alle
Stadträtin Barbara Lässig und Pegida-Mitbegründer René Jahn.
Stadträtin Barbara Lässig und Pegida-Mitbegründer René Jahn.
René Jahn im Gespräch mit OB Dirk Hilbert.
René Jahn im Gespräch mit OB Dirk Hilbert.
Polizeipräsident Dieter Kroll, der bald in den Ruhestand geht, am Rednerpult.
Polizeipräsident Dieter Kroll, der bald in den Ruhestand geht, am Rednerpult.
Die Kreuzkirche war gut besucht.
Die Kreuzkirche war gut besucht.

Der Psychologe Hans-Joachim Maaz spricht über Angst, die lähmt, aber auch zu Aggression, Hass und Gewalt führen kann. Verleugnete oder verdrängte Ängste würden auf andere projiziert. Es ist, als zeichne Maaz ein Bild von Dresden, in dem die einen Angst vor Pegida und Co. haben, andere in fast jedem Ausländer eine potenzielle Gefahr wittern und viele einfach helfen, wo sie gebraucht werden. Der Psychologe wirft der Politik vor, nicht auf die Ängste der Bürger einzugehen. Mit Sätzen wie „Wir schaffen das“ könnten viele nichts anfangen. Die Stimmung in der Kirche ist zunächst weniger aggressiv als sonst. Vielleicht auch deshalb, weil Moderator Frank Richter zu Beginn leise aber nachdrücklich auf die Einhaltung von einfachen Anstandsregeln hingewiesen hat.

Die Flüchtlingskrise sei in Teilen auch ein Sicherheitsproblem, erklärt Polizeipräsident Dieter Kroll, der als Nächster das Podium erklimmt. Es gebe Straftaten, begangen von Flüchtlingen, und, betont er: an Asylbewerbern und ihren Unterkünften. „Der Rechtsextremismus hat in Sachsen blank gezogen“, sagt Kroll. „Es gibt auch Linksextremismus.“ Ist Pegida ein polizeilich zu lösendes Problem, fragt er ins Publikum, das mit Gelächter antwortet.

Was in ihm vorgeht, lässt der Dresdner Polizeichef nicht durchblicken. Aber Pegida und das Versammlungsgeschehen drum herum hätten die Polizei viel Kraft gekostet. Seit Oktober 2014 seien 28 758 Beamte im Einsatz gewesen. Jedes Mal, wenn Polizisten Demonstrationen absichern, stünden sie für andere Aufgaben nicht zur Verfügung. „Wir brauchen dringend mehr Personal.“ Mit Blick auf die Zuwanderung sagt er, Politik, Polizei und Gesellschaft müssten mit vernünftiger Integration dafür sorgen, Parallelgesellschaften wie in anderen Großstädten zu verhindern. Hilbert versicherte, Dresden tue alles, damit dies nicht geschieht – mit Sprachkursen und Wohnungen statt Heimen. Kroll wirkt nicht, als wollte er sich von einem politischen Lager vereinnahmen lassen, beschwört immer wieder die Überlastung der Polizei, die mit Pegida ihren Anfang und der Flüchtlingskrise mit rechtsextremistischen Begleiterscheinungen ihre Fortsetzung fand.

Emiliano Chaimite ist vor 30 Jahren aus Mosambik in die DDR gekommen, lebt seit 1991 in Dresden und arbeitet als Krankenpfleger. Auch er spricht über Ängste und ein auf diffuse Weise verloren gehendes Sicherheitsgefühl – für Menschen mit Migrationshintergrund. Chaimite hat schon einmal hier gesprochen, damals als sein Landsmann Jorge Gomondai von Rechtsextremen tot geprügelt wurde. Nun erlebe er, dass ausländische Wissenschaftler montags mit dem Taxi nach Hause fahren und Familien ihre Kinder nicht mehr in die Stadt lassen – weil sie Angst vor fremdenfeindlichen Übergriffen haben. Er hofft auf mehr Verständnis für Migranten. „Ich gucke auch nicht, ob ein Patient rechtsradikal oder linksradikal ist.“ Chaimite erntet nicht nur Zustimmung - es wird auch Gelächter laut.