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Der Rabbi kommt immer sonntags

Die Agrargenossenschaft Hainichen-Pappendorf liefert den Rohstoff für Milchpulver für Israel. Ein Rabbi überwacht die Produktion.

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Knapp 1.200 Milchkühe stehen im Stall der Agrargenossenschaft Hainichen-Pappendorf eG in Cunnersdorf. „Sie müssen nichts anderes tun als fressen, liegen und mit vollem Euter zum Karussell gehen“, sagt Milchbauer Friedrich Jahn. An zehn Tagen im Monat geschieht dies unter besonderer Aufsicht. Immer wenn Rabbiner Joseph Greenbaum aus Jerusalem im Hause ist, wird koschere Milch gemolken.

Koscher, also rein im Sinne der jüdischen Speisegesetze, sei die Milch dann, wenn er dabei sei, erklärt der Rabbi. Zwar hält Jahn dagegen: „Milch ist generell rein. Sie wird unter den strengen Vorschriften der EU-Milchgüterverordnung erzeugt.“ Doch entschied sich der ehemalige Chef der Milchviehanlage (MVA), heute als Ruheständler noch Berater der Genossenschaft, schon vor etwa 16 Jahren für das Geschäft, das die Molkerei Hainichen-Freiberg eingefädelt hatte. Dort wird Trockenmilch für Israel hergestellt. Für die dafür benötigten Mengen bedarf es entsprechend großer Milchlieferanten. Wie Jahn hinzufügt, gibt in Zeiten stark schwankender Milchpreise die etwas bessere Bezahlung der „koscheren“ Milch eine gewisse Sicherheit. Doch würden viele Betriebe den zusätzlichen Aufwand scheuen.

Die Agrargenossenschaft Hainichen-Pappendorf war der erste Lieferant der Molkerei Hainichen-Freiberg und ist es bis heute geblieben. Andere Ställe haben den strengen Augen der Rabbis vom Kashruth Department aus Israel nicht durchgängig standgehalten. Die Rindviecher dürfen beispielsweise keinen Kontakt zu „unreinen“ Tieren wie Schweinen haben und operierte Kühe dürfen nicht gemolken werden. In Leitungen und Tanks darf nichts „Unkoscheres“ fließen.

Joseph Greenbaum schaut auch mal aufs Euter

„Das Milchpulver wird zu 70 Prozent zu Schokolade verarbeitet, die anderen 30 Prozent zu Kindernahrung. Dafür wird 100 Prozent Qualität benötigt“, betont der Rabbi. Er inspiziert jeden Morgen das Melkkarussell und verplombt den Tank mit einer hebräisch beschrifteten Banderole. Zwischendurch schaut er der einen oder anderen Kuh aufs Euter. Wie er erklärt, ist in Israel die Milch nicht so fett wie in Deutschland. Aufgrund der klimatischen Bedingungen lieferten die Weiden eher dürftiges Futter.

Der Rabbi kommt immer sonntags und bleibt bis zum übernächsten Donnerstag. Nur am Samstag wird der „Koscher-Zyklus“ unterbrochen, das ist Sabbat und der Jude arbeitet nicht. Jahrelang hat Greenbaum während seiner Einsätze in einem Zimmerchen auf dem Gelände der MVA gewohnt. „Hier habe ich das erste Mal Schnee erlebt“, erinnert sich der kleine, schwarz gekleidete Mann mit der Kippa auf dem Kopf. Jetzt hat er mehrere Ställe in Mittelsachsen zu betreuen und ist viel mit dem Auto unterwegs.

In der Molkerei in Freiberg steht eine Verarbeitungsanlage nur für die koschere Milch. Dabei stellt Werksleiter Peik Seidel klar: „Es gibt verschiedene Stufen von koscher. Wir produzieren superkoscheres Milchpulver, wie es von ultraorthodoxen Juden verlangt wird.“ Die Freiberger seien dafür der größte Hersteller weltweit. Der Unterschied zu „normal koscher“ bestehe darin, dass strenggläubige Juden beim gesamten Produktionsprozess dabei seien. „Alles wird kontrolliert und mit einem Stempel beglaubigt“, sagt Seidel. Die israelische Organisation schicke ihre Prüfer überall hin, wo sie Nahrungsmittel produzieren lasse.

Die Brauerei Hartmannsdorf gehört nicht dazu. Dort wird seit 2007 koscheres Bier gebraut, für dessen Produktion das Zertifikat eines Rabbis aus Deutschland genügt. Es unterliegt dem deutschen Reinheitsgebot und unterscheidet sich geschmacklich von Produkten aus den USA und Israel. Beliefert werden hauptsächlich jüdische Restaurants und Getränkehändler in Sachsen. Geschäftsführer Ludwig Hörnlein schätzt die Produktion auf 5.000 bis 6.000 Kästen pro Jahr. Mittlerweile hätten sich auch andere Brauereien dafür interessiert.