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Der Promi-Flüsterer

Thilo Schmelzer schreibt die Texte, die Künstler auf der Bühne des Semperopernballes locker flockig sprechen.

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© Sven Ellger

Von Nadja Laske

Alle kennen sie: die ewigen Fragen im Berufsleben. „Bedienen Sie auch am Käse?“ ist so eine, die Spiegel Online jüngst neben vielen anderen aufgelistet hat. Was erwartet der Kunde denn, wenn er im 1-Euro-Shop fragt: Was kostet das? Und woher soll der Postbote wissen, was im Einschreiben steht? Trotzdem wird er ständig gefragt: Was ist denn das? So wie der Krankenpfleger: Wo liegt meine Mutter? Lokaljournalisten hören immer wieder: Sind Sie überhaupt von hier?

Auch Thilo Schmelzer kennt eine Frage zur Genüge: Ach, Sie schreiben dem das vor? „Nein, tue ich nicht“, sagt er. Weder so noch so schreibt der Autor Künstlern etwas vor. Die Doppeldeutigkeit der Frage aber amüsiert den 47-Jährigen. Thilo Schmelzer ist der Mann hinter dem Knopf im Ohr. Derjenige, der Prominenten dabei hilft, im richtigen Moment das Richtige zu sagen, den passenden Gag parat zu haben und zur Not verbal die Kurve zu kriegen. Wenn alle Scheinwerfer, Augen und Kameras auf eine Persönlichkeit gerichtet sind, will niemand eine Enttäuschung erleben, weder das Publikum, noch der Veranstalter und auch nicht der Mensch im Zentrum dieser großen Aufmerksamkeit. Dafür sorgt beim Semperopernball ein Autoren-Team. Seit drei Jahren erarbeitet Thilo Schmelzer zusammen mit seinem Partner Martin Zeltner Texte, die von Moderatoren, Laudatoren, Preisträgern und Künstlern auf der Bühne gesprochen werden.

Guido Maria Kretschmer spricht druckreif vor laufender Kamera, und auch seine diesjährige Bühnenpartnerin Sylvie Meis ist Profi im Moderatorenmetier. Trotzdem brauchen beide einen Routenplan, der sie sicher durch den Abend führt. Erst so können sie die Gäste durchs Programm geleiten, mit allem, was die Zuschauer im Saal und vor den Fernsehern über die Ballnacht wissen wollen. Die Information steckt im Text und den Text muss jemand schreiben, bevor er gesprochen werden kann. Das ist Thilo Schmelzers Job – und seine Leidenschaft.

Schreiben für Bambi, Oscar & Co

„Meine Arbeit für den Semperopernball beginnt im Sommer mit der Suche nach dem neuen Ball-Motto“, sagt er. Dann sitzt er mit den Ball-Organisatoren vom Semper-Opernball-Verein und dem MDR zusammen und ersinnt Konstruktionen wie „Dresden schillert – der Ball ist bunt“ oder „Magisches Dresden – der Ball bringt Glück“. Vorbei die Zeit, als die Mottos noch so einsilbig daherkamen wie „Dresden glitzert“. „Inzwischen sind sie zweiteilig geworden. Die Erweiterung der Semantik öffnet auch mehr Raum für die Bedeutung“, erklärt der Autor. Die Planung des Eröffnungsprogrammes in der Oper und beim Open-Air auf dem Theaterplatz bis hin zur Feuerwerksinszenierung orientiere sich am Motto. Sein Handwerk gelernt hat Thilo Schmelzer in der Praxis, erst als Praktikant, dann während einer Hospitanz bei einem TV-Sender. Schon als 13-Jähriger hatte er großen Spaß daran, andere Leute zu unterhalten, spielte in einer Tanzband auf Hochzeiten oder Schützenfesten und imitierte heimlich im Kinderzimmer den Showmaster Dieter Thomas Heck. Musizieren und Moderieren, dabei aktuell und schlagfertig sein, das war seine Welt. Entsprechend wählte er seine Studienfächer: Allgemeine Rhetorik, Politik und Philosophie. „Nach dem Studium und einigen Praxiserfahrungen stand ich dann vor der Wahl: Will ich in die politische Kommunikation gehen oder lieber in die unterhaltende.“ Ein erster Autorenauftrag erleichterte ihm die Entscheidung für das Showbusiness.

Inzwischen haben Thilo Schmelzer und Martin Zeltner einen Namen in der Branche. Sie schreiben für den Fernsehmoderator Jörg Pilawa, für die José Carreras Gala, die Goldene Henne und für Hirschhausens Quiz des Menschen. Auch die Bambi-Verleihung, der Deutsche Fernsehpreis und die Oscar-Red-Carpet-Show ergänzen ihre Referenzenliste. Ganz besonders gern erinnert sich Thilo Schmelzer an The Voice of Germany. „Das ist ein beeindruckend schönes Fernsehformat“, sagt er und findet das nicht nur, weil als Hobbymusiker sein Herz am Schlagzeugspielen hängt.

Viele verschiedene Künstlercharaktere hat der Autor schon kennengelernt und mit zahlreichen beeindruckenden Persönlichkeiten gearbeitet. „Ich bewundere die Schlagfertigkeit von Eckart von Hirschhausen, Olaf Schuberts klugen Humor und Helene Fischers Professionalität.“ Jeder Moderator, Komiker oder Musiker braucht verschieden viel Unterstützung. Während sich die einen ihrem Autor ganz anvertrauen, beanspruchen die anderen mehr rednerische Freiheit.

Vordenker und Souffleur

Den berühmten Knopf im Ohr braucht ebenfalls nicht jeder Künstler gleichermaßen. „Manche bitten mich, sie aus dem Off nur in Textpausen anzusprechen“, sagt der Mann, der im Hintergrund das verbale Netz gespannt hält. Es gebe aber auch Moderatoren, die auf frappierende Weise zeitgleich sprechen und zuhören können.

„Immer aber ist das Entwickeln von Texten eine Gemeinschaftsarbeit“, sagt Schmelzer. So auch beim Semperopernball. Und deshalb kann er die Frage: „Schreiben sie denen alles vor?“ mit diesem entschiedenen Nein beantworten.