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Der Preis der Kultur

Der Club „Objekt Klein a“ bereichert Dresdens Subkultur. Vielleicht wird er nicht überleben. Durch Konkurrenzdruck kannibalisiert sich die Szene.

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© Thomas Kretschel

Von Franziska Klemenz

Kultur muss Geld kosten! Umsonst ist nur der Tod. Sätze, die beben. Es ist die zugespitzte Kurzfassung von Felix Buchtas Überzeugung. Ausrufezeichen, Geld, Tod: Aus den Lettern spricht Wut. Der 30-Jährige schreibt sie auf Facebook, auf der Seite des Objekt Klein a (OKA). Ein Dresdner Club, den viele als Bereicherung empfinden. Der Post löst Wut aus, Überzeugungen quillen aus den Kommentarspalten. Und Verständnis. „Mit zwölf Euro Eintritt schließt man einen Teil der Gesellschaft aus. Man könnte interpretieren, dass man sich einem gewissen Teil der Gesellschaft gegenüber abgrenzen möchte“, zürnt eine Leserin.

„Lest euren Marx“, fordert ein anderer. „Dass ihr kein Geld habt, um euch zwölf Euro Eintritt zu leisten, ist nicht die Schuld der Clubbetreiber.“ Zorn müsse sich an korrupte Politiker richten.

Es sind wenige Worte im Wust der sisyphosartigen Posting-Maschinerie von Facebook. Warum sie wichtig sind? Sie repräsentieren einen Diskurs, der an der Subkultur von Dresden nagt. Sie repräsentieren den Kultur-Kannibalismus, dem sich Felix Buchta und seine zehn Freunde ausgesetzt fühlen. Als Kollektiv haben sie auf dem Gelände der früheren VEB Elektrotechnik im Industriegebiet einen Ort geschaffen, der junge Menschen in der Stadt halten soll.

Viel Hoch- und wenig Subkultur

Ganze Freundeskreise wanderten ab. Berlin, Leipzig oder sonst wohin. Ciao, Dresden. War nett mit dir. Hübsche Türmchen, malerische Brücken. Oper, Elbe, Stollen-Girl. Viel Hoch- und wenig Subkultur. Sorry, aber dafür bin ich echt zu jung. So fühlen viele Menschen. „Immer mehr Leute aus unserem engen Dunstkreis haben die Segel gestrichen, sind nach Leipzig oder Berlin gegangen“, sagt Buchta.

„Wir waren ein sehr gut zusammengeschweißter Freundeskreis. Als wir häufiger darüber geredet haben, ist uns aufgefallen, dass es das Einzige ist, was uns hier fehlt: Dieser eine Club mit elektronischer Musik, für den man zum Feiern in andere Städte fährt.“ Das Institut für Zukunft in Leipzig, Berghain, Kater oder About Blank in Berlin. Der Ort, der euphorisiert. Der mehr bietet als ein durchkommerzialisiertes Programm von 22 bis 6 Uhr, das seine Gäste zwischen Marlboro-Schirmen, verschwitzten Grapschern und Jägermeister-Gläsern in den Rausch des Mainstreams schaukelt.

Mit Clubs wie TBA und Sektor Evolution oder Festivals wie Dave kennt Dresden durchaus Plattformen für zeitvergessene Partys und Subkultur, die Grapscher ausschließen und diskriminierungsfreies Feiern kultivieren. Dem TBA fehlt aber der Außenbereich, Dave ist nur einmal im Jahr, „und der Sektor ist jedes Mal wieder ein leeres Blatt Papier, wo unterschiedliche Veranstalter Partys geben.“

Partys gaben Buchta und seine Freunde schon lange. Mit einfachen Mitteln, halb legal in der Heide oder im Sektor. „Du gibst dir viel Mühe, Deko zu bauen, feierst einige Stunden, dann musst du alles wieder abreißen. Das hat uns irgendwann frustriert.“ Sie beschlossen, einen eigenen Club zu gründen. „Das braucht auf jeden Fall ein Stück Blauäugigkeit. Die ganze Finanzierung war im Vorfeld nicht in Sack und Tüten. Niemand konnte das Finanzvolumen ermessen.“

Zwei Jahre lang haben die elf damals noch Studierenden auf dem Gelände gearbeitet. Entrümpelt, gebaut, mit Ämtern gerungen. Holz, Farben und Figuren ranken sich um die alte Industrie-Substanz. Innen düsterer Techno-Charme und bunte Fensterscheiben wie bei Jesus in der Kirche, außen die Atmosphäre eines Elektrofestivals auf dem Brandenburger Land. „Wir sind im Herzen Kinder der Berliner Club-Kultur. Da besteht eine Laissez-faire-ness, die man selten findet. Der Kollektiv-Gedanke. Nicht: Jemand mietet, stellt jemand anderen ein, der es für ihn managet. Wir machen alles selbst.“ Privat-Darlehen, Crowdfunding und die Arbeit der elf haben es ermöglicht.

„Dass wir alle angepackt haben, hat den Zusammenhalt gestärkt und macht die Identität, den Zauber bis heute aus.“ Im April 2017 eröffnete das OKA mit einer rauschenden Party. Szene-Magazine sangen Jubel-Hymnen, DJs wie Marcel Dettmann, die sonst eher im Berghain auflegen, spielten im OKA. Manchmal reichen die Schlangen von der Tür bis auf die Straße.

Schwarze Zahlen schreibt der Club bis heute nicht. „Niemand von uns verdient genug, um davon seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Die vielen unkalkulierbaren Kosten wie Gema-Gebühren hatten wir nicht auf dem Schirm“, sagt Buchta. Warum sie nicht mehr Eintritt fordern? Haben sie ja. Aus anfangs zehn machten sie zwölf Euro, während andere Clubs vor Mitternacht nur acht verlangten. Statt Geld kassierten sie erboste Kritik.

„Dresden hat eine lange Tradition an Umsonst-und-Draußen-Partys“, sagt Buchta. „Aus diesen Kreisen wird man sehr misstrauisch beäugt, wenn man sein Hobby auf ein wirtschaftliches Fundament stellt, was aber nötig ist, um es in dieser Konstanz und Qualität zu bieten.“ „Kulturkapitalisten!“, schimpften sie. „Das tut weh“, sagt Buchta.

„Wir wollen unabhängig bleiben“

„Da schleicht sich der Kerngedanke des Neoliberalismus ein, dass man sich ausbeuten muss, wenn man sich verwirklichen darf. Das scheint mir falsch. Wir, die damals den Laden erfunden haben, sind immer noch die, die Klo-Putz-Schichten machen. Trotzdem verdient nur die Hälfte von uns überhaupt etwas.“ Seinen Unterhalt finanziert der Soziologie-Absolvent als Bühnenbauer und als DJ auf anderen Partys.

„Viele Fehler haben wir aus Überforderung gemacht, heute gibt es zum Beispiel Nachlass, wenn die Party nur noch ein paar Stunden geht“, sagt er. „Wenn die Leute aber nicht bereit sind, doch mal 50 Cent mehr für ihr Bier zu zahlen oder 12 Euro für eine Party, die 24 Stunden dauert, wird es perspektivisch schwer.“ Das Gelände haben sie nur gemietet; wenn sie die Miete nicht zahlen können, darf der Vermieter kündigen. „Noch einmal zwei Jahre würde niemand von uns in ein neues Objekt stecken“, sagt Buchta.

„Wir wollen unabhängig bleiben. Würden wir es einer Eventagentur geben, bekämen wir sicher viel Geld. Die würden dann Marlboro-Schirme aufstellen und fett Kohle machen. Das wollen wir nicht. Wir brauchen mehr Leute, die Spaß an dieser Form der Kulturarbeit haben und sich einbringen.“ Mehr Kooperation, auch mit anderen Clubs. Manche senkten ihre Preise an Wochenenden, an denen das OKA Partys gab. „In Berlin hast du eine größere Szene. Da kriegst du den Laden voll. Der Konkurrenzdruck in Dresden darf nicht dazu führen, dass Preise fallen und Leute, die ihr Herzblut reinstecken, sich ausbeuten müssen.“