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Der Pfarrer der einfachen Leute

Statt in Rente ging Pfarrer Peter Neumann nach Lommatzsch. Mit 70 Jahren. Jetzt hat er aufgehört. Jedenfalls ein bisschen.

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© Gerhard Schlechte

Von Jürgen Müller

Lommatzsch. Er ist rank, schlank und drahtig, eilt mit großen Schritten die Treppe hinauf. Seine 75 Jahre sieht und merkt man Peter Neumann nicht an. Andere in seinem Alter genießen längst den wohlverdienten Ruhestand. Den sollte auch er vor mehr als fünf Jahren antreten, doch statt in Rente ging er nach Lommatzsch. Und wurde Pfarrer der katholischen Kirche.

„Ich wurde gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, noch einmal eine kleine Pfarrstelle zu übernehmen. Ich sagte zu, fühlte mich fit“, sagt der gebürtige Berliner, der in Dresden aufwuchs. Lommatzsch ist wohl die letzte offizielle Pfarrstelle von Peter Neumann. Er war Rektor im Kloster Marienthal, dann zehn Jahre Pfarrer in Zschopau und zuletzt 18 Jahre in Bad Schandau. Auch oder gerade deshalb war Lommatzsch noch einmal für ihn eine neue Erfahrung: „In Lommatzsch habe ich noch einmal ein Stück Heimat entdeckt. Ich wollte schon immer bei den kleinen Leuten sein“, sagt er. „Ich habe hier eine arme Kirche der einfachen Leute entdeckt.

Das machte für mich Lommatzsch so anziehend. Mit den einfachen Leuten ins Gespräch zu kommen, das ist meine Welt“, sagt der Pfarrer.

Der Pfarrerberuf war ihm nicht in die Wiege gelegt. Ursprünglich lernte er Landschaftsgärtner, arbeitete im Großen Garten in Dresden und in Pillnitz. „Ich hatte damals den Eindruck, dass die Jugendarbeit in der DDR unterbelichtet ist, habe mich gegen die Propaganda gestellt, wollte Jugendarbeit frei von Politik machen. Deshalb bin ich Pfarrer geworden“, sagt er, der in den 60er Jahren in Erfurt Theologie studierte.

Süße Überraschung

Die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen hat ihm immer besonders am Herzen gelegen. Begeistert erzählt er von einer Schulklasse. „Die ist heute noch immer zusammen, in der Kirchgemeinde“, sagt er. Für „seine“ Kinder in Lommatzsch wartete im Briefkasten immer eine süße Überraschung. Der war mit Gummibärchen gefüllt. Auch nach seinem Abschied ist das noch so. Die Hausfrau führt diese Tradition fort.

Auch Peter Neumann macht der Rückgang der Kirchenmitglieder Sorgen. Ja, es sei auch ein demografisches Problem, aber nicht nur. Dass nach der Wende in der DDR nicht so viele wie von manchen erhofft den Weg zurück in die Kirche fanden, dafür hat er eine Erklärung: „Das Geld schluckt die Religion.“ Pfarrer Neumann macht sich keine Illusionen: „Die Gemeinde wird schrumpfen.“ Die katholische Kirche in Lommatzsch am Rodeland könne man aber noch halten. „Ist die Gemeinde zusammen, bleibt auch die Kirche“, so der Pfarrer, der immer für die Ökumene eintritt. So auch kürzlich, als zu Beginn des Lutherjahres in Neckanitz zwei Linden gepflanzt wurden. „Dies soll symbolisch bedeuten, dass beide Kirchen Hand in Hand aufeinander zugehen“, erklärt er.

Mit dem Abschied von Peter Neumann aus Lommatzsch hat die katholische Kirchgemeinde nun keinen eigenen Pfarrer mehr, gehört wie Nossen zu Meißen. Er selbst lebt jetzt am Stadtrand von Dresden. Und obwohl nun ganz offiziell im Ruhestand, ist er zu Weihnachten wieder in Lommatzsch. „Ich feiere Weihnachten in meiner Gemeinde, habe keine Langeweile. Gar nichts zu tun, kann ich mir jedenfalls nicht vorstellen“, sagt er. Und wird nicht nur Weihnachten feiern, sondern seinen Geburtstag.

Denn der Pfarrer wird am 1. Weihnachtsfeiertag 76 Jahre alt. „Als Kind habe ich mich nie daran gewöhnen können, zu Weihnachten Geburtstag zu haben. Später spielte das für mich keine Rolle mehr“, sagt er. Dass er zu Weihnachten geboren wurde, irgendwie passt das.