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Der Oligarch greift nach der Macht

Die Tschechen hoffen auf die Macherqualitäten von Wahlsieger Andrej Babis. Er will in der EU selbstbewusster auftreten.

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© SINGER/EPA-EFE/REX/Shutterstock

Von Hans-Jörg Schmidt, SZ-Korrespondent in Prag

Seine Auftritte im Wahlkampf um das tschechische Abgeordnetenhaus beendete Andrej Babis regelmäßig mit den Worten „Jetzt oder nie!“. Das „Oder nie“ kann er jetzt getrost vergessen: Schon nach der Stimmenauszählung in den ersten Wahlkreisen am Samstag zeichnete sich ein klarer Sieg für Babis ab. Musste der Multimilliardär mit einem großen Firmenimperium und einflussreichen Medien im Rücken sich in den vergangenen Jahren noch mit der Rolle des Juniorpartners in einer sozialdemokratisch geführten Regierung bescheiden, dürfte ihn nun Präsident Milos Zeman mit der Regierungsbildung beauftragen. Damit wäre Babis am Ziel seiner Träume angelangt.

Fast. Denn obwohl der Chef der liberalen Bewegung ANO um die 30 Prozent einfuhr und alle Rivalen um Längen abhängte, muss er sich Koalitionspartner suchen. Nahezu alle infrage kommenden Partner sträuben sich zwar nicht gegen die Bewegung ANO an sich, wohl aber gegen Babis als Premier. Er hat im Verein mit seinen zwei großen Zeitungen seine bisherigen Koalitionspartner aus dem etablierten Spektrum allesamt als „korrupt“ und „unfähig“ bezeichnet. Vor allem aber hat er alle vorzeigbaren Erfolge der Legislaturperiode allein sich zugeschrieben. Und den Tschechen geht es in der Tat so gut wie nie, das Land prosperiert und weist beispielsweise mit 3,8 Prozent die EU-weit niedrigste Arbeitslosenrate auf.

„Wir haben Babis gewählt, weil er es einfach besser kann als die etablierten Parteien“, sagte etwa die Familie Horákovi beim Verlassen ihres Wahllokals im vierten Prager Bezirk. „Babis ist ein Macher, er versteht etwas von Unternehmensführung. Und er sagt, dass er den Staat auch wie ein Unternehmen führen will. Wenn ihm das gelingt, kann es für uns nur gut sein.“ Die überlebten Parteien brauche man dazu nicht.

Dass die Suche nach Koalitionspartnern für den 63-jährigen gebürtigen Slowaken sehr lange dauern kann, hat mit seiner eigenen Person zu tun. Er, der verbal so energisch gegen Korruption wettert, steht selbst unter Betrugsverdacht. Gegen Babis läuft deshalb ein Ermittlungsverfahren. Er soll zu Unrecht für sein Wellness-Ressort Storchennest unweit von Prag EU-Mittel kassiert haben. Umgerechnet etwa zwei Millionen Euro. Das sind für ihn zwar nur Peanuts.

Glaubt man jedoch der Anklageschrift, dann hat Babis das Storchennest ganz zielbewusst aus seinem umfangreichen Imperium herausgelöst, um das EU-Geld zu bekommen, das für kleine und mittlere Unternehmen vorgesehen ist. Nach dem Ablauf der Kontrollfrist von fünf Jahren habe er die Wellness-Oase wieder in seinen Konzern integriert. „Die Vorstellung, dass Babis als Betrüger der EU künftig mit den anderen Staats- und Regierungschefs der Union verhandeln wird, ist der Reputation unseres Landes völlig abträglich“, heißt es bei den potenziellen Partnern von ANO. Zumal Babis gerade in der EU offensiv auftreten will und keineswegs vorhat, nur am Katzentisch zu sitzen.

Da war bisher oft genug der Platz der Tschechen, weil ihr Führungspersonal allein schon Schwierigkeiten hatte, Englisch zu sprechen. Das soll unter Babis anders werden: „Wenn uns die EU nicht gefällt, so wie sie derzeit funktioniert, dann müssen wir endlich eigene Vorschläge machen, wie es besser funktionieren kann. Das war bisher aber nicht möglich, weil wir uns nicht einmal verbal verständlich machen konnten.“

Babis ist bei all seiner Kritik an der EU kein EU-Gegner. Einen EU-Austritt – den Czexit –, wie ihn andere in Prag wollen, lehnt er strikt ab: „Die EU ist gut für uns, wenn die Grundfreiheiten dort funktionieren und wenn das Gerede von einer Union der zweierlei Geschwindigkeiten aufhört. Weshalb etwa sollen wir dem Euroraum beitreten, wenn es uns anders besser geht? Weshalb denkt man sich Quoten für Flüchtlinge aus, die in der Praxis eh nicht funktionieren?“, fragt er.

Babis kann hart verhandeln, schließlich ist er Unternehmer. Einer seiner engeren Freunde ist Fleischfabrikant und Schalke-Boss Clemens Tönnies, mit dem er auch schon auf der Tribüne des Stadions in Gelsenkirchen saß. Und fragt man die Stadtoberen in der anhaltischen Luther-Stadt Wittenberg, wo er mit dem benachbarten Düngemittelwerk Piesteritz der größte Investor ist, hört man nur lobende Worte. Babis motiviere seine Arbeitskräfte mit vorbildlichen sozialen Einrichtungen und saniere auch alte Bürgerhäuser. „Einfach so, mir macht das Spaß“, begründet er sein Engagement.

„Mehr Teamarbeit“ wünscht sich Babis für die künftige Regierung. „Nähe zu den Bürgern, enge Kontakte zu den Bürgermeistern, Effizienz“ mahnte er in seiner ersten Stellungnahme an. Er hat alle Parteien zu Sondierungsgesprächen eingeladen, auch die bemerkenswert starke rechtsextreme, ausländerfeindliche Gruppierung des Halbjapaners Tomio Okamura, die ungewendeten Kommunisten und die schwer ausrechenbaren Piraten. Am wahrscheinlichsten aber erscheint eine Neuauflage der Koalition mit den desaströs geschrumpften Sozialdemokraten und den ebenfalls gestutzten Christdemokraten. Diesmal freilich unter Babis‘ Führung. Doch ehe die Letztgenannten dazu bereit sind, haben sie erst einmal reichlich Wunden zu lecken und ihr bisheriges kategorisches Nein gegenüber Babis zu revidieren.