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Der oberste Kleingärtner

Jürgen Kluge ist neuer Chef des Kleingartenverbandes Weißeritzkreis. Er hat mit einem erfreulichen Trend zu tun.

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© Andreas Weihs

Von Tobias Winzer

Freital. Das nennt man wohl einen Berufswechsel der extremeren Art. Bislang arbeitete Jürgen Kluge als Kfz-Meister in einem Freitaler Autohaus und sorgte mehr oder weniger dafür, dass der Wagen rollte und damit auch weiter Abgase in die Umwelt pustete. In seinem neuen Job steht nun hingegen das Grün im Mittelpunkt. Zum 1. August hat der 49-Jährige den Vorsitz und die Geschäftsführung des Kleingartenbundes Weißeritzkreis übernommen. Er ist somit ab sofort Herr über insgesamt 6 000 Parzellen und so etwas wie der oberste Kleingärtner zwischen Kreischa, Altenberg, Tharandt und Wilsdruff.

Kluge muss lachen, als er auf den vermeintlichen Bruch in seiner beruflichen Laufbahn angesprochen wird. „Für mich ist das kein Neuanfang. Ich habe ganz einfach eine neue Herausforderung gesucht.“ Als Vorsitzender des Kleingartenvereins Glückauf in Kesselsdorf – seinem Heimatort – hat er bereits jahrelange Erfahrung in der Leitung einer Sparte. Jetzt wird aus dem Hobby im Ehrenamt ein fester Vollzeitberuf. Sein Vorgänger, Rudolf Gelfert, geht nach zehn Jahren in der Position in Rente. Der 63-Jährige stellte sich deswegen beim Verbandstag im vergangenen März nicht mehr zu Wahl.

Der Kleingartenverband mit Sitz in Freital ist so etwas wie das Dach über den insgesamt 174 Kleingartenvereinen im alten Weißeritzkreis. Während die Vorstandsarbeit in den Vereinen ehrenamtlich organisiert ist, leistet sich der Verband zwei Festangestellte – neben Kluge als Geschäftsführer und Verbandsvorsitzender in Personalunion auch noch eine Sekretärin. Sonst wäre die Arbeit auch nicht zu schaffen.

Der Verband berät die Vereine zum Beispiel in Sachen Vereinsrecht. Er sorgt auch dafür, dass die Regeln des Bundeskleingartengesetzes eingehalten werden – eine Voraussetzung dafür, dass die Kleingärtner einen relativ geringen Pachtzins zahlen müssen und außerdem nicht einfach von den Grundstückseigentümern von ihren Parzellen vertrieben werden können. Nicht selten geht es auch um Rechtsstreitigkeiten. Manche Grundstückseigentümer verlangen mehr Pacht als ihnen zusteht oder zweifeln die Grenzen einer Sparte an. Manchmal geht es auch um Zwist unter den Kleingärtnern selbst. „Hin und wieder müssen Kündigungen ausgesprochen werden, weil die Gärten verwahrlosen“, sagt Gelfert. „Auch die Zahlungsmoral ist manchmal nicht die beste.“ Und dann geht es um fachliche Beratung. Also zum Beispiel: Welches Mittel hilft am besten gegen welchen Schädling? Oder welche Pflanze wächst am besten auf welchem Boden?

Jürgen Kluge hat sich vorgenommen, diese Beratungsangebote auszubauen. Die sogenannten Fachberater – das sind speziell beim Landesverband ausgebildete Gartenexperten – sollen künftig nicht nur Sprechstunden anbieten, sondern direkt in die Kleingartenvereine gehen. „So können die Probleme direkt bei den Gärtnern angesprochen werden“, so Kluge. Er nennt die Monilia Spitzendürre – eine Pilzerkrankung, die in diesem Jahr wegen des feuchten Frühjahrs besonders bei Kirsche und Pfirsich weit verbreitet ist – als Beispiel. Der Fachberater könnte klären, was am besten dagegen hilft.

Dass die Nachfrage nach solchen Beratungen steigt, ist für Kluge ein erfreulicher Umstand. Noch vor zehn Jahren sei es schwer gewesen, für leer stehende Kleingärten neue Pächter zu finden. In den vergangenen fünf Jahren habe sich der Trend gewandelt. „Oft sind es junge Familien, die Interesse haben“, sagt Kluge. Vor allem die Sparten in der Nähe zu Dresden würden profitieren. „Wenn die Häuslebauer da sind, kommen auch die Kleingärtner zu uns“, ergänzt Gelfert. Der Leerstand liege bei weniger als zehn Prozent.

Dass es, wenn alteingesessene Kleingärtner plötzlich Neulinge als Nachbarn haben, zu Spannungen kommt – auch das ist ein Thema beim Kleingartenverband. „Wenn plötzlich wieder Kindergeschrei in der Sparte zu hören ist, dann ist das für manche ein Problem“, sagt Kluge. „Und wenn der Vereinsvorsitzende nun mal gewohnt ist, dass die Beete quadratisch, praktisch, gut aussehen, dann gefällt es ihm nicht, wenn das Beet vielleicht mal schräg ist“, ergänzt Gelfert. In solchen Fällen tritt der Verband mitunter als Vermittler auf.

Egal, ob Neuling oder Alteingesessener – Kluge macht insgesamt einen neuen Ansatz beim Gärtnern aus. „Es entwickelt sich immer mehr zum Naschgarten“, sagt er. Früher sei es darum gegangen, möglichst große Erträge zu erzielen. Heute gehe es darum, eine große Vielfalt im Garten zu haben und besondere Sorten zu kultivieren. „Die, die man eben nicht im Supermarkt kaufen kann.“ Vor allem besondere Tomaten-, Gurken- oder Kartoffelsorten seien gefragt – und Beeren. „Die Schale im Supermarkt kostet ein Heidengeld. Da machen es viele Kleingärtner lieber selbst.“