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Der neue Mann vom Nordpol

Henryk Ludwig hat sechs Blöcke im Hirschfelder Wohngebiet gekauft. Er will hier in den kommenden Jahren investieren.

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© Matthias Weber

Von Jan Lange

Hirschfelde. Henryk Ludwig ist beeindruckt, als ihm Joachim Werner erzählt, dass er seit beinahe 60 Jahren auf dem Nordpol wohnt. Der fast 80-Jährige berichtet von seinem Sohn, der schon lange nicht mehr in Hirschfelde lebt, von der Situation im Ort und davon, dass jahrelang nichts an den Nordpol-Häuser gemacht wurde. Interessiert hört Henryk Ludwig dem Rentner zu.

Eine ganze Reihe solcher Gespräche hat der 41-Jährige in den vergangenen Tagen und Wochen geführt. Denn die Bewohner der Nordpol-Häuser sind seit Kurzem seine Mieter. Bei der jüngsten Zwangsversteigerung erwarb Ludwig sechs Wohnblöcke in Hirschfelde. Zuvor standen sie mehr als zwei Jahre unter Zwangsverwaltung. Die Allianz als Hauptgläubiger hatte schon zweimal vergeblich versucht, die Objekte versteigern zu lassen. Bei der dritten Auktion wurde schließlich ein Käufer und damit neuer Eigentümer gefunden.

Mit dem Dreiländereck habe er bisher nichts zu tun gehabt, sagt Henryk Ludwig. Er sei allerdings öfter an der Region vorbeigefahren, wenn er in Richtung Polen unterwegs war. Der 41-Jährige und seine zwei Jahre jüngere Ehefrau Joanna stammen beide aus dem Nachbarland. Seit mehr als zehn Jahren leben sie inzwischen in Deutschland, in der Nähe von Baden-Baden. In seiner Wahlheimat besitzt Ludwig auch Immobilien, ein Haus und zwei Wohnungen. Auf Hirschfelde und den Nordpol sei er im Internet aufmerksam geworden. Im Netz wurde ein Käufer für zwei Wohnblöcke an der Neiße gesucht. Dabei handelte es sich aber nicht um jene Häuser, die er nun erworben hat, sondern um zwei andere Gebäude auf dem Nordpol. Die waren zuletzt für eine knappe halbe Million Euro angeboten worden. In diesem Zuge sei er dann auf die benachbarten sechs Häuser, die zwangsversteigert wurden, gestoßen. Das Preis-Leistungs-Verhältnis sei bei diesen Gebäuden gut gewesen, findet der neue Eigentümer. Er ist sich natürlich bewusst, dass viel an den Häusern gemacht werden muss. Im Gegensatz zu den vorherigen Besitzern will er aber auch investieren. Für ihn sind die Nordpol-Häuser kein Spekulationsobjekt, sondern eine langfristige Investition.

Dass dies keine leere Versprechen sind, wie sie die alten Eigentümer gegeben haben, um die Immobilien wenige Monate später wieder für einen höheren Preis zu verkaufen, wird schnell klar. Mit einer regionalen Baufirma hat Ludwig bereits konkrete Absprachen zur thermischen Sanierung eines Wohnblocks getroffen. Dabei handelt es sich um die Karl-Liebknecht-Straße 21 bis 25. Hier seien die meisten Wohnungen belegt und eine Sanierung am sinnvollsten, erklärt er. Die Modernisierung des Hauses werde aber erst nächstes Jahr beginnen, so der 41-Jährige. Dieses Jahr will er aber auch schon investieren. Die Kanäle für Abwasser und Regenwasser sollen endlich getrennt werden. Das fordert die Stadt Zittau seit Jahren. Im Falle der sechs versteigerten Wohnblöcke war dies bis heute nicht erfolgt, auch weil der frühere Eigentümer Gerhard Arnold Schwartz an seinem zuletzt bekannten Wohnort in Belgien nicht mehr erreichbar war. Henryk Ludwig will die Kanäle nun schnell umbinden. Das müsse gemacht werden und sei auch wichtig, sagt er.

Danach sollen Schritt für Schritt die Wohnblöcke folgen. Der Investor aus dem Südwesten Deutschlands rechnet mit zwei Häusern pro Jahr. Nach der Karl-Liebknecht-Straße 21 bis 25 könnte das gegenüberliegende Gebäude folgen. Der Block Karl-Liebknecht-Straße 13 bis 19, auch als „Klein-Chicago“ bekannt, wird als letzter auf Vordermann gebracht, kündigt Ludwig an. Hier müsse das meiste Geld hineinfließen. Der Zwangsverwalter hatte das Gebäude vor einigen Monaten gezielt leer gezogen und den Block stillgelegt. Viele der Wohnungen sind noch von den Vormietern vermüllt, fast alle Türen eingetreten. Der neue Eigentümer lässt sich davon nicht abschrecken. Ob eine kaputte oder eine relativ gute Tür ausgetauscht werde, sei egal.

Joachim Werner und seine Nachbarn sind froh, dass endlich etwas gemacht werden soll. Die letzte Teilsanierung liegt schon über 15 Jahre zurück. In Eigenregie hatten sich die Bewohner viele Jahre noch um die Außenanlagen gekümmert, wegen des Alters sei das jetzt aber nicht mehr möglich. Denn Joachim Werner ist nicht der einzige in den Block, der die 80 ansteuert. Auch andere Nachbarn haben die 70 schon lange hinter sich gelassen. „Wenn wir die Häuser nachhaltig behalten wollen, müssen wir neue Mieter gewinnen“, steht für Henryk Ludwig fest. Dieses Ziel lasse sich aber nur erreichen, wenn die Attraktivität erhöht wird. Der 41-Jährige, der als Softwareentwickler in einem Industrieunternehmen arbeitet, nennt es eine schöne Herausforderung.

Von seinen neuen Mietern habe er den Eindruck, dass sie gerne auf dem Nordpol wohnen, dass sie mit der Umgebung und der Nachbarschaft zufrieden seien. Die Häuser müssen eben nur saniert werden, so der vielfache Wunsch. Diesen Wunsch will Henryk Ludwig ihnen nun erfüllen. Angst, dass die Mieten nach einer Sanierung sprunghaft steigen, müssen die Bewohner nicht haben, beruhigt der Investor. Das, was nach einer Modernisierung an Nebenkosten eingespart werde, will er aber auf die Kaltmiete umlegen. Die Gesamtkosten werden für die Mieter aber nicht höher sein, verspricht Ludwig.

„Mir ist klar, dass wir hier in ein oder zwei Jahren kein großes Geld verdienen, aber auf längere Zeit betrachtet, soll die Investition in Hirschfelde unsere Rente sichern“, sagt Ludwig.