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Der Neue in Blau

Peter Dobrowald ist jetzt als Ortsbeauftragter des THW Chef von 78 Helfern. Das Thema Asyl beschäftigt sie alle.

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Von Ines Scholze-Luft

Wenn Peter Dobrowald spricht, dann ruhig und mit Bedacht. Auch als sich der große, kräftige Mann zu einem Thema äußert, das ihm derzeit besonders unter den Nägeln brennt. Einsätze im Rahmen der Asylverfahren. Kräfte der Ortsgruppe Radebeul des Technischen Hilfswerks (THW) haben da jüngst beinahe Unglaubliches erlebt beim Aufbau der Erstaufnahme im Realmarkt in Niederau. Sie wurden angegriffen – von alkoholisierten, aufgeputschten Gruppierungen, wie Dobrowald sagt. Er ist der neue THW-Ortsbeauftragte.

So mancher hatte einst das THW statt der Wehrpflicht gewählt, weil er damit gewaltsame Auseinandersetzungen vermeiden wollte. Nun stehen die Helfer an vorderster Front und sahen sich an jenem Wochenende von etwa 200 Leuten massiv bedrängt. Zigaretten seien auf die Fahrzeuge geworfen worden, auch einige Flaschen. Ein erschreckendes Szenario, sagt Peter Dobrowald. Zum Glück habe der Gruppenführer besonnen reagiert und mit dem größeren Fahrzeug in Schrittgeschwindigkeit den Platz freigemacht für den Rest der Kolonne.

Auf solche Dinge sind die THW-Leute nicht vorbereitet. Anders als Polizei und Armee, die haben das normalerweise schon mal durchexerziert, sagt der Ortsbeauftragte. Der Neu-Dresdner, Jahrgang 1958, muss es wissen. Er war 36 Jahre lang Soldat und selbst in der Kampfzone – auf dem Balkan und in Afghanistan. Mit den Helfern könne er nun nicht auch noch Eskalation und Deeskalation durchgehen. Das gesamte Konzept müsse umgedacht werden.

Noch immer sprechen die Radebeuler über die Ereignisse in Niederau. Der eine oder andere habe schon gesagt, dass er für die nächsten Einsätze auf diesem Gebiet nicht mehr zu Verfügung steht. „Ich befürchte, keine Einsatzstärke mehr zusammenzubekommen beim Thema Asyl.“

Dobrowald sieht aber noch eine ganz andere Seite. Nämlich die Tatsache, dass sich friedliche Bürger von gewaltbereiten Leuten als Schutzschild missbrauchen lassen. Berechtigte Proteste anbringen, Unzufriedenheit und Unmut äußern – ja, dafür zeigt der THW-Mann Verständnis. Nur nicht für Gewalt, gleich in welcher Form.

Verständnis hat er auch für die Flüchtlinge. Schon aufgrund seiner Familiengeschichte. Seine Vorfahren waren dem Ruf von Zarin Katharina gefolgt und nach Russland gegangen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden seine Eltern in Polen im Internierungslager festgehalten, verloren ihr gesamtes Eigentum. Später zogen sie mit ihrem sechsjährigen Sohn in die DDR, nach Markleeberg. Dieser Vergangenheit verdankt er unter anderem seinen halb slawischen, halb germanischen Nachnahmen. Und gute Polnischkenntnisse.

Auch die Einsätze als Soldat in Krisengebieten haben sein Verhältnis zum Thema Flucht geprägt. Hat er doch erlebt, wie schnell Menschen durch eine Kugel oder durch Hunger sterben. Dass sie davor weglaufen, ist für ihn völlig klar. Jeder Einzelne hier müsse in sich hineinhören, was er tun würde für sich und seine Familie, wenn er Betroffener wäre. Die entscheidende Frage für ihn: Wie wird mit der Situation umgegangen? Und die geht aus seiner Sicht eindeutig an die Politiker.

So muss Dobrowald gleich am Anfang seiner Amtszeit mit Problemen kämpfen, die das ganze Land in Atem halten. Erst im Frühjahr hat er Tilo Krujatz als Ortsbeauftragten abgelöst. Der habe seinen Posten abgegeben, weil er sich beruflich weiterentwickelt hatte und terminmäßig sehr eingespannt war. Nun steht Peter Dobrowald an der Spitze der 78 Radebeuler Helfer. Für ihn eine ganz spezielle Aufgabe. Denn er ist Quereinsteiger. Hat vor nicht allzu langer Zeit erst Abschied genommen von der Bundeswehr. Eigentlich wollte er zum Dresdner THW. Dort wohnt er fast nebenan. Die Dresdner hatten ihn aber nach Radebeul verwiesen. Nun fährt er halt die rund 14 Kilometer. Für ihn kein Thema.

Was aber zog den pensionierten Offizier – bei der NVA im technischen Dienst, später in der Bundeswehr als hauptamtlicher Fahrerlaubnisprüfer – ausgerechnet zum THW? Zu einem zeitaufwendigen Ehrenamt? Ihn hatten anfangs verschiedene Projekte gereizt. Nur daheim, das sei nichts. Seine Frau muss noch ein paar Jahre arbeiten. Die drei Kinder sind aus dem Haus und die Haushaltspflichten allein nicht gerade erfüllend. Also folgten der Entscheidung fürs THW die Grundausbildung und die Prüfung zum Helfer.

Wer das tut, der will normalerweise die Ärmel hochkrempeln und loslegen, der Büroarbeit entfliehen. Doch auch die gehört zum THW. Gerade für den Ortsbeauftragten, der mit seinem Stab alles organisiert, unterstützt, absichert, direkt mit dem Einsatz vor Ort in der Regel jedoch nichts zu tun hat. Wenn Dobrowald doch mal dort erscheint, dann nicht als Ortsbeauftragter, sondern als Helfer. Egal, ob die Feuerwehr Unterstützung beim Ausleuchten einer großen Unfallstelle braucht, oder ob das THW bei Naturkatastrophen gerufen wird.

Um dafür in Form zu bleiben, geht es gemeinsam in den Klettergarten oder auf Kanutour. Doch selbst die Helfer brauchen mal Hilfe. Derzeit fehlen im Team ein Koch und ein Verwaltungsbeauftragter. Gern auch mehrere Interessenten, gern auch Frauen. Und es fehlt Platz: in der Garage. Es gibt schon Überlegungen, den Abstellbereich der Kfz-Technik zu erweitern. Daran wird jetzt gearbeitet, sagt der Ortschef.

www.thw-radebeul.de