Merken

Der Neue im Garten

Helge Klügel ist jetzt Gartenmeister von Großsedlitz. Für das barocke Kleinod hat er den Großen Garten sausen lassen.

Teilen
Folgen
© Norbert Millauer

Von Jörg Stock

Großsedlitz. Helge Klügel tritt zur Türe herein, breit lächelnd, Klemmbrett in der Hand, Stift hinterm Ohr. Klarer Fall: Da kommt kein verzagter Neuling, sondern einer, der weiß, was er will, und der mag, was er tut. In Helge Klügels Fall ist es das Gärtnern, das Formen und Pflegen der Dinge, die ihm die Natur gibt. Eben hat er unten vor der Orangerie die Rabatten vermessen. Er will einen Pflanzplan entwerfen. Bis Ostern müssen die Beete gefüllt sein.

Helge Klügel, 57, aus Dresden-Nickern, ist der neue Chef allen Grüns im Barockgarten Großsedlitz. Erst zum neuen Jahr hat er den Posten als Gartenmeister angetreten. Man merkt es an der Kargheit auf seinem Schreibtisch und am Farbdunst im Raum. Herr Klügel reißt die Fenster auf. Milder Vorfrühling flutet herein. Da schlägt das Gärtnerherz höher, sagt er. Doch noch ist der Winter nicht vorüber, noch kann viel passieren. „Wir sind in Lauerstellung.“

Großsedlitz gilt als ein Muster barocker Gartenkunst. Im Grunde sieht die Anlage noch immer so aus, wie zu Augusts Zeiten: achtzehn Hektar Rasen, Wasserbassins und Kiespfade, eingefasst von Hainbuchenmauern, mythologischen Standbildern und streng gestutzten Linden, über deren Knubbelkronen hinweg der Blick weit ins Land geht – das Ideal der alten Herrscher. Es ist zwar nicht das Ideal des neuen Herrschers. Doch liegt Helge Klügel der Erhalt dieses lebenden Monuments sehr am Herzen. „Eine schöne und lohnende Aufgabe“, findet er.

Montags wurde der Große Garten gesäubert

Es ist nicht das erste Gartendenkmal in Helge Klügels Hand. Zuvor war er in Dresden 22 Jahre der „Große-Garten-Meister“. Doch fand er immer weniger Zeit, die Qualität des herrlichen Barockprodukts zu genießen. Ging er durch die Anlage, sah er nur noch Probleme: Müllberge, Hundehaufen, Wildgriller und Rabattentrampler. Am Wochenende, wenn die Post so richtig abging, wie er sagt, mied er den Großen Garten regelrecht. Montags dann hatte man schwer zu tun, die Ordnung wieder herzustellen – Zeit, die fürs Gärtnern fehlte.

Helge Klügel ist jemand, der gern rausgeht, der Hand anlegt, seine Leute instruiert. In Dresden saß er meistenteils im Büro. Zu achtzig Prozent beschäftigte ihn die Verkehrssicherung. 17 000 Bäume wollten im Auge behalten und jährlich kontrolliert sein, um die Allgemeinheit vor allen möglichen Gefahren zu schützen. Sagte der Wetterbericht einen Sturm voraus, konnte Helge Klügel kaum noch schlafen, aus Sorge, im Garten könnte etwas passieren.

Seit Helge Klügel in Großsedlitz ist, schläft er deutlich ruhiger. Die Anlage ist nur etwa ein Zehntel so groß wie der Große Garten. Wie viele Bäume sie hat , weiß Klügel noch nicht genau. Sie werden gerade durchgezählt. Er geht von etwa dreitausend aus. Gut findet er auch den Zaun. Der Einlass gegen Entgelt ist für ihn ein Statuszeichen: Kein x-beliebiger Spiel- und Sportplatz beginnt hier, sondern ein wertvolles Stück Kulturgut, dessen Erhalt eine Menge Geld kostet. In diesem abgetrennten Universum, so hofft der Gartenmeister, wird er sich wieder auf das Eigentliche der Parkpflege konzentrieren können.

Mit dem Großvater in die Botanik

Ein „grüner Daumen“ ist bei Helge Klügel keineswegs angeboren. Fragt man ihn nach Vorbildern, erzählt er vom Großvater, der mit ihm durch den Pillnitzer Schlosspark stiefelte und an den Elbwiesen nach essbaren Kräutern suchte. Vielleicht, sagt er, hat das den Samen in ihm gelegt. Einen Samen, der erst aufging, als der ursprüngliche Plan, Tischler zu werden, fehlschlug.

Klügel ließ sich zum Facharbeiter für Grünanlagen ausbilden und pflegte eine Weile die Dresdner Stadtflora. Dann wechselte er zum Schloss Nöthnitz bei Bannewitz, damals Ingenieurschule für Zierpflanzenwirtschaft, wo er seinen Meister machte. Nach dem Intermezzo in einer Galabau-Firma stieg er 1994 beim Staatsbetrieb Schlösser und Gärten ein. Der einstige Notnagel Gartenbau ist längst zur tragenden Säule in Helge Klügels Leben geworden.

Säulen gibt es noch andere. Das Klettern zum Beispiel. Auf Berge kraxelt Helge Klügel, seit er 14 ist. Geht man neue Wege, muss man sich einschätzen: Schafft man es oder schafft man es nicht? Das hat er auch getan, als die Jobchance in Großsedlitz kam. Zuerst spürte Klügel Skepsis, zumal er kaum Erfahrung mit dem Großsedlitzer Spezialprodukt besaß, der Zitrusbaumkultur. Packst du das noch, fragte er sich. „Aber dann habe ich mir gesagt: Warum eigentlich nicht?“ Heute ist er froh, diesen neuen Weg eingeschlagen zu haben. Auch wenn er nicht mehr wie früher das Fahrrad dafür benutzen kann. Der Anstieg zur Großsedlitzer Höhe ist doch zu heftig, sagt der Meister lachend. „Ich will nicht jeden Tag mit Schnappatmung ankommen.“