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Der neue Chef der Malzfabrik

Johannes Unger von der Rätze-Mühle kauft den Großharthauer Betrieb. Er will auch neue Produkte anbieten.

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© Steffen Unger

Von Ingolf Reinsch

Großharthau. Malz aus Großharthau findet man in vielen Produkten. Zum Beispiel im Russischbrot, aber auch in Brötchen, Weiß-, Toast- und Schrotbrot. Gerstenmalzextrakt, wie das Erzeugnis der Malzfabrik korrekt heißt, kann man aber auch als süßen Brotaufstrich essen. Johannes Unger schwört darauf: „Es ist ein Naturprodukt, das viele B-Vitamine enthält. Und es schmeckt gut“, sagt er.

In diesen Vakuumkochern wird das Malzextrakt hergestellt.
In diesen Vakuumkochern wird das Malzextrakt hergestellt. © Steffen Unger

Seit Beginn dieses Jahres ist der 30-Jährige der Eigentümer der Großharthauer Malzfabrik. Schon im vergangenen halben Jahr hat er sich dort eingearbeitet. Er kennt inzwischen die Technologie der Malzherstellung aus dem Effeff – und man spürt im Gespräch sehr schnell: Johannes Unger brennt für das, was er tut. Viele Kunden der Malzfabrik kannte er schon vorher. Es sind zum Teil dieselben wie die der Rätze-Mühle in Spittwitz. Johannes Unger führt das Familienunternehmen im Gödaer Ortsteil gemeinsam mit seinem Großvater Arndt (78) und seinem Bruder Sebastian (28). Die Malzfabrik läuft unabhängig von der Rätze-Mühle als eigenständiger Betrieb.

Zwischen beiden Unternehmen gibt es langjährige Kooperationsbeziehungen. So nutzen die Spittwitzer zum Beispiel für ihr Malzmehl das in Großharthau hergestellte Extrakt. Die bisherigen Eigentümer der Malzfabrik suchten aus Altersgründen einen Nachfolger. Ende 2016, bei einem Besuch in Großharthau, fragten sie Johannes Unger, ob er nicht Interesse hätte. Ohne zu zögern habe er Ja gesagt, berichtet der Müllermeister und studierte Anlagentechniker. Zum einen habe die Sache wirtschaftlich Sinn, da ein Großteil der Kunden identisch sind und man gemeinsame Vertriebswege und Technik, beispielsweise Fahrzeuge der Rätze-Mühle, mit nutzen könne. Zum anderen reize es ihn, ein in der Region verwurzeltes Traditionsunternehmen weiterzuführen. Die Großharthauer Malzfabrik wurde 1873 gegründet. Die Rätze-Mühle in Spittwitz ist noch gut 100 Jahre älter. „Es ist gut, wenn Traditionsbetriebe in der Hand von regionalen Eigentümern bleiben, die die hier bestehenden Märkte erhalten“, begründet Johannes Unger sein Engagement in Großharthau. Eine Entscheidung, mit der er auch anderen Angehörigen seiner Generation Mut machen möchte, Chancen zu nutzen und wirtschaftlich Verantwortung zu übernehmen – auch wenn es darum geht, eine bestehende Firma weiterzuführen. Ein aktuelles Thema, sind doch viele Firmenchefs altersbedingt auf Nachfolgersuche.

Rund um den Malzextrakt

Malzextrakt ist ein aus Gerstenmalz hergestellter, hell- bis dunkelbrauner, angenehm malzartig schmeckender süßer Sirup.

Die Grundzutat ist Gerste. Sie wird geschrotet. Aus dem Gerstenschrot wird mit Wasser eine Maische hergestellt. Diese wird ziehen gelassen, wodurch der Malzzucker entsteht. Durch das anschließende Vakuumkochen wird der Masse schonend Wasser entzogen und es entsteht letztendlich das gewünschte Malzextrakt. Das natürliche Herstellungsverfahren garantiert, dass die durch eigene Enzyme gelösten Inhaltsstoffe im Endprodukt vollständig enthalten sind.

Hauptabnehmer sind Bäckereien verschiedener Art – vom Kleinbetrieb bis zu Unternehmen wie Dr. Quendt in Dresden. Backmalz wird in Backmischungen, Backmitteln und Fertigmehlen eingesetzt. Auch Fleischereien nutzen Malzextrakt. Man findet es ebenso in Süßspeisen, Desserts, Soßen sowie in

Diätprodukten, wie Kinder- und Aufbaunahrung. Auch Joghurt, Säfte, Fruchttee und Nährtrunk können Malz enthalten.

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Wohnungen sind vermietet

Ohne Risiko geht es natürlich nicht, weiß der 30-Jährige. Um die Malzfabrik kaufen zu können, musste er einen Kredit aufnehmen. Aber er ist sich sicher: „Die Sache hat Zukunft. Es lohnt sich.“ Von seinen Vorgängern übernahm er ein auf dem Markt eingeführtes Werk mit seinen Stammkunden. Und er ist vom Produkt überzeugt – aufgrund der vielen Anwendungsmöglichkeiten, die vom Backmalz bis hin zu Nährlösungen für die Pilzzucht reichen. Aktuell beschäftigt Johannes Unger drei Mitarbeiter in Teilzeit. Im Bürohaus auf dem Werksgelände befinden sich fünf Wohnungen. Eine wird zurzeit ausgebaut. Alle fünf Wohnungen sind vermietet.

In der DDR belieferte die Malzfabrik über 400 Kunden landesweit, aktuell sind es rund 30. Johannes Unger möchte den Markt ausbauen, auch indem er stärker auf Direktvermarktung setzt. Auch in Mengen, wie sie Otto Normalverbraucher benötigt. Dafür gibt es zum Beispiel ein 300 Gramm-Glas mit Gerstenmalzextrakt, das für rund drei Euro verkauft wird. Kaufen kann man es bereits im Spittwitzer Mühlenladen. Auch Geschäften mit regionalen Erzeugnissen, die bereits Produkte der Rätze-Mühle verkaufen, wird man es anbieten. Ebenso Rewe- und Edeka-Märkten der Region, kündigt Johannes Unger an. Auch unter der Dachmarke „Die Lausitz schmeckt“, wo die Spittwitzer Mühle Mitglied ist, wird man den Großharthauer Gerstenmalzextrakt künftig finden.

Eigenen Versuch gestartet

Doch nicht nur den Vertrieb, auch die Produktion möchte er ausbauen. So denkt er zum Beispiel darüber nach, künftig auch Bioprodukte herzustellen.

Die Großharthauer sind seit fast 150 Jahren auf die Herstellung von Backmalz spezialisiert. Es wäre aber möglich, das getrocknete Gerstenmalzextrakt in Wasser aufzulösen, Hopfen zuzugeben und sein eigenes Bier zu brauen. Zu Hause habe er aus Neugier schon mal einen Versuch gestartet – „mir hat das Bier geschmeckt“, berichtet Johannes Unger lachend. Und der experimentierfreudige Müllermeister denkt schon darüber nach, früher oder später vielleicht sogar mal ein Großharthauer Bier zu brauen. Nicht für den täglichen Genuss, sondern für besondere Anlässe. Zum Beispiel für die Messe LebensArt, die zweimal im Jahr im Schlosspark zu Gast ist. Noch ist das Zukunftsmusik. Doch die Idee fasziniert, hatte doch früher fast jedes Dorf sein eigenes Bier.

www.malzextrakt.de