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Der neue Busbahnhof muss ohne Toilette auskommen

Görlitz: Weil der Denkmalschutz eine sehr teure Mauer fordert, reicht das Geld nicht fürs Klo.

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Von Ingo Kramer

Die Mauer muss weg. Und sie sollte auch nicht wieder aufgebaut werden. Darin sind sich die meisten Stadträte und insgeheim wohl auch die Rathausspitze einig. Der Denkmalschutz aber sieht das anders: Wenn die historische Mauer an der Bahnhofstraße schon für den Bau des neuen Busbahnhofes abgerissen werden soll, muss sie wieder aufgebaut werden. Und zwar um 90 Grad versetzt als Einfriedung für den Busbahnhof. Koste es, was es wolle.

Die Kosten sind tatsächlich enorm. Sie liegen bei gut 237 000 Euro. „Und diese Summe fördert uns weder der Freistaat noch der Zweckverband Verkehrsverbund Oberlausitz-Niederschlesien (Zvon)“, erklärte Baubürgermeister Michael Wieler kürzlich im Stadtrat. Das Rathaus muss die Kosten für die Mauer also allein tragen. Die Folge: Das Geld reicht nicht für andere Dinge, beispielsweise für ein Toilettenhaus. In der Planung ist dieses aber angedacht. Laut Amtsleiter Torsten Tschage sollen auch alle Anschlüsse dafür vorbereitet werden, sodass das Häuschen später noch gebaut werden kann, wenn Geld dafür da ist.

Auch an anderen Dingen bei der Ausstattung müssen nach seinen Worten 63 000 Euro gespart werden. So wird der Fußweg asphaltiert statt gepflastert, an anderen Stellen muss billigeres Pflaster verwendet werden, ein Stückchen weiter können vier Bäume nicht gepflanzt werden, die eigentlich vorgesehen waren.

Die Stadträte bringt das in Rage: „Mein Verständnis von Denkmalpflege findet hier nicht statt“, sagt Wolfgang Kück (Bürger für Görlitz). Lauter sinnvolle Dinge einsparen und stattdessen eine Mauer bauen, die niemand braucht – das sei für ihn völlig unsinnig. Kücks Fraktionskollege Günter Friedrich geht noch einen Schritt weiter. Er war früher Leiter der Hochbaumeisterei bei der Deutschen Reichsbahn – und damit für die Mauer zuständig. „Wir wollten sie schon in den 1970er-Jahren abreißen. Damals hätte sich kein Denkmalschutz daran gestört. Hätten wir es nur getan!“, sagt Friedrich. Leider sei das Vorhaben damals gescheitert, weil nicht genug Schlosser und Material vorhanden waren, um stattdessen einen Stahlzaun zu bauen. Friedrich will „noch einmal mit der Denkmalpflege reden“. Wieler macht ihm wenig Hoffnung. Friedrich will es wenigstens versuchen: „Dort, wo der Denkmalschutz die Mauer fordert, hat auch früher nie eine gestanden.“ Außerdem würde sie den schönen Blick auf das Bahnhofsgebäude verstellen.

Joachim Paulick (Zur Sache) indes fordert, trotzdem eine Toilette zu bauen und diese rechtzeitig zur Eröffnung des Busbahnhofes Anfang 2016 fertigzustellen: „Ansonsten gehen die Leute doch hinter die Mauer.“ Allerdings liefert Paulick keine Vorschläge, mit welchem Geld die Stadt das finanzieren soll. Andere Räte plagen ganz andere Sorgen: Wie die Reisenden denn vom Busbahnhof zum Bahnhof gelangen sollen, will beispielsweise Gabi Kretschmer (CDU) wissen. Sie können nur zu Fuß entlang der Bahnhofstraße gehen, erklärt dazu Amtsleiter Tschage. Ursprünglich war vorgesehen, entlang eines stillgelegten Gleises einen viel direkteren Weg zu schaffen. „Das Eisenbahnbundesamt sagt aber jetzt, dass dieses Gleis nicht entbehrlich ist“, so Tschage. An dieser Festlegung komme die Stadt nicht vorbei.

Somit bleibt der Busbahnhof ein Kompromiss, oder, wie Paulick sagt, ein Rudiment des zukunftsweisenden Projektes, das ganz am Anfang mal geplant war. Damals sollten die Busse direkt in den Bahnhof fahren, an die nicht mehr genutzten Gleise 3 und 4. Das aber ist längst vom Tisch, auch aus Kostengründen. Nun gibt es einen konkreten Zeitplan. Der sieht vor, im März mit dem Bau des Kreisverkehrs an der Bahnhofstraße/Salomonstraße zu beginnen und im Juli mit dem direkt angrenzenden eigentlichen Busbahnhof. Letzterer wird knapp 1,5 Millionen Euro kosten.

Bund und Zvon stellen insgesamt 1,14 Millionen Euro zur Verfügung. Vor wenigen Tagen hat Bürgermeister Michael Wieler noch ein Schreiben vom Zvon erhalten: „Er könnte sich vorstellen, uns mit 230 000 Euro zusätzlich zu unterstützen“, so der Bürgermeister. Allerdings ist das noch nicht beschlossen. Falls es tatsächlich dazu kommt, könnte es doch noch klappen mit dem Toilettenhaus: „Dann würden wir sofort mit der Detailplanung beginnen.“