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Der mit dem Bagger tanzt

Den wahrscheinlich schönsten Job des Radebeuler Weinfests hatten zwei zauberhaft verkleidete Damen.

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© Norbert Millauer

Von Dominique Bielmeier

Radebeul. Fast wäre sie ins Wasser gefallen, die Show mit schwerelosem Tänzer und schwerem Baugerät. Cornelia Bielig, Cheforganisatorin des Weinfests, erinnert sich: „Als der Tänzer sich am Freitag den Bagger angesehen hat, sagte er: Das geht nicht. Der hat die falsche Schaufel.“ Das Fahrzeug habe eine schwenkbare Aufhängung gehabt, was ein Sicherheitsrisiko darstellte. Die Firma Hasse aus Radebeul war die Rettung: „Die haben um 22 Uhr noch einen Fachmann geschickt, der eine neue Schaufel montiert hat“, so Bielig.

Kasper + Ziege = Liebe. Im Hand- und Fingerpuppentheater von Eva Sotriffer aus Italien ging diese Gleichung auf.
Kasper + Ziege = Liebe. Im Hand- und Fingerpuppentheater von Eva Sotriffer aus Italien ging diese Gleichung auf. © Norbert Millauer
„The One Woman Company“ aus Spanien hielt ihr Publikum mit vollem Körpereinsatz und Pfeife auf Trab.
„The One Woman Company“ aus Spanien hielt ihr Publikum mit vollem Körpereinsatz und Pfeife auf Trab. © Norbert Millauer
Sehen nur aus wie Zauberer: Ulrike Schüler und Laura Härtel verteilten Stimmzettel für den Publikumspreis.
Sehen nur aus wie Zauberer: Ulrike Schüler und Laura Härtel verteilten Stimmzettel für den Publikumspreis. © Norbert Millauer

So schön war das 25. Herbst- und Weinfest

Drei Tage Herbst- und Weinfest auf dem Anger in Altkötzschenbroda sind vorbei. Das 25. Herbst- und Weinfest sowie das XX. Wandertheaterfestival sind Geschichte. Wir haben die Tage in einer Bildergalerie für euch festgehalten.
Drei Tage Herbst- und Weinfest auf dem Anger in Altkötzschenbroda sind vorbei. Das 25. Herbst- und Weinfest sowie das XX. Wandertheaterfestival sind Geschichte. Wir haben die Tage in einer Bildergalerie für euch festgehalten.

Von solchen Problemen wissen Laura Härtel und Ulrike Schüler nichts, als sie sich am frühen Sonnabendnachmittag die dunkelblauen Mäntel überwerfen und die turmartigen Hütchen aufsetzen. „Du siehst aus wie der Merlin aus meinem Kinderbuch“, sagt die 30-jährige Schüler und lacht. Arbeiten, wenn andere feiern, das ist schlimm genug. Beim Jubiläums-Herbst- und Weinfest in Altkötzschenbroda zu arbeiten, wo anderswo der Federweiße in Strömen fließt und aus jeder Ecke Gelächter kommt, muss noch viel schlimmer sein.

Doch Laura Härtel und Ulrike Schüler lächeln nur milde, wenn sie auf ihre Arbeit an diesem Tag angesprochen werden – wohl wissend, dass sie von allen Festhelfern den besten Job abbekommen haben. Als Umfrageteam für den Publikumspreis dürfen, nein müssen sie sich ganze sieben Vorstellungen an einem Tag ansehen und dazu die Stimmzettel erst an die Besucher ausgeben und am Ende wieder einsammeln. So einfach, so genial.

Wenn die Sache mit der Verkleidung nicht wäre. Die ist, na ja, etwas speziell. Doch die Freundinnen nehmen es mit Humor, Laura Härtel hat sich schnell gewöhnt an den immer zur Seite kippenden Kopfschmuck, der an die Verzierung auf einem Cupcake erinnert. Kulturamtssprecherin Ina Dorn freut sich über die unkomplizierten Frauen. In früheren Jahren wurden die Hüte auch mal einfach weggelassen.

Despotin mit Trillerpfeife

Zum 25. Herbst- und Weinfest und dem 20. Wandertheaterfestival sind sie allerdings brandneu bunt bemalt und schweben bald auf den Köpfen von Ulrike Schüler und der 27-jährigen Laura Härtel durch die Massen. Als „unteres“ von zwei Umfrageteams sind sie für die Aufführungen auf Elb- und Streuobstwiese zuständig.

Los geht es um 14.30 Uhr in der Tanzarena mit „The One Woman Company“ – dem Ein-Frau-Unternehmen aus Spanien. Die Stimmzettel mit Zahlen von eins bis sechs (schlecht bis spitze) sind schnell verteilt, Fragen von Kindern wie „Dürfen wir auch hier vorne sitzen?“ ebenso schnell beantwortet. Danach sind Ulrike Schüler und Laura Härtel Zuschauerinnen wie alle anderen. Die quirlige Spanierin auf der Bühne hat sie bald in ihren Bann gezogen.

Die Mischung aus Ballerina, Clown und kleiner Despotin hält das Publikum nur mit einer Trillerpfeife in Schach, schnappt sich ein paar besonders kräftig aussehende Männer, die ihr bei ihren Kunststücken assistieren müssen, und tanzt zwischendurch unerwartet filigran als Spieluhrfigur auf den Zehen in ihrem großen Koffer.

Kurz bevor das Stück zu Ende ist, stehen die beiden Merlins auf und platzieren sich an den Ausgängen. Die eingesammelten Abstimmzettel packen sie in einen Briefumschlag, der in einem noch größeren Umschlag landet. Bis zum Ende des Tages wird dieser gut an Gewicht zulegen.

Nächstes Ziel: „Transports Exceptionnels“ der Compagnie Beau Geste aus Frankreich. Dieser Sondertransport findet auf der Elbwiese statt, doch die müssen die Festhelferinnen erst einmal finden. Nach einem kleinen Abstecher zur Lounge zwischen den Obstbäumen – Fehlanzeige – stehen sie einem Bagger von Boels Rental gegenüber. Eben dem Bagger mit der verflixten Schaufel. Mit einem Seil ist er umzäunt und von vier Reihen aus Bierbänken umstellt. Baggerfahren für die Kinder, die nebenan Ponyreiten dürfen? Eine Besucherin mit Programmheft in der Hand löst auf: „Ach, das ist der“, sagt sie zu ihrem Begleiter, „der macht Akrobatik auf’m Bagger.“

Vorher wieder Stimmzettel verteilen und auch ein paar Bleistifte dazu. Natürlich ist etwas Schwund dabei, aber die meisten Stifte landen am Ende wieder in den Bauchläden, zwei Pappschachteln mit Schäfchen darauf. Die Besucher kommen diesmal aus allen Himmelsrichtungen. Verliert man da nicht den Überblick? „Doch, total“, sagt Laura Härtel und geht noch einmal durch die Reihen, bevor es losgeht.

Bagger und Tänzer erwachen gleichzeitig zum Leben, spielen miteinander, jagen sich, wirbeln gemeinsam durch die Luft – statt um spektakuläre Akrobatik geht es eher um die Anmut des schweren Geräts, das hier zum Leben erweckt wird. Bis der Motor nach 30 Minuten wieder verstummt.

„Sie sind jetzt bei Mäh“

Für die Festhelferinnen geht es nach der Baggershow zwischen den duftenden Obstbäumen weiter. Die italienische Puppenspielerin Eva Sotriffer zeigt „Mäh“, eine Geschichte mit Liebe und Ziege nicht nur für die Kleinen. „Sie sind jetzt bei Mäh“, erklären Laura Härtel und Ulrike Schüler deshalb immer wieder den fragenden Besuchern. Sätze, die man nicht jeden Tag sagt.

Die Umfragedamen haben jetzt fast die Hälfte ihres Tagessolls erfüllt und in der ersten größeren Pause bleibt endlich genug Zeit für einen Apfelkrapfen auf dem Mittelaltermarkt. Favorit von Laura Härtel bisher: der tanzende Bagger.

Doch gewinnen wird schließlich die lebende und singende Comicfigur Ennio Marchetto aus Italien. Ausgerechnet ein Stück, für das die anderen beiden Merlins die Stimmzettel verteilen werden.