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Der Meinungsaustausch fehlt

Das Phänomen Pegida war Thema beim Ost-West-Forum. Erstaunlich, dass es dazu immer noch etwas Neues zu sagen gibt.

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© Dietmar Thomas

Von Eric Mittmann

Gödelitz. Frank Richter hat es nicht leicht. Seit über zwei Jahren befasst sich der Direktor der sächsischen Landeszentrale für politische Bildung mit Pegida und muss dazu immer wieder Rede und Antwort stehen. So auch am Samstag.

Unter der Überschrift „Der Pegida-Komplex und die politische Kultur unseres Landes“ hatten das Ost-West-Forum und Richter zu einem Vortrag mit anschließender Fragerunde auf Gut Gödelitz geladen. Der Direktor wurde vom Vorsitzenden des Vereins, Axel Schmidt-Gödelitz, mit großen Worten vorgestellt: als ein Mann mit einer klaren Haltung zu Pegida, bei dem Kommunikation und ein respektvolles Miteinander im Vordergrund stehen.

Richter ging es jedoch zunächst bescheiden an. Der Titel seines Vortrags sei aus der Eile entstanden und er auch nur die Vertretung für einen Minister aus Brandenburg. Zu Beginn seines Vortrages konzentrierte er sich auf die Wichtigkeit von Kommunikation: „Wenn wir nicht kommunizieren, wird es garantiert schiefgehen.“ Zwar könne politische Meinungs- und Willensbildung hin und wieder blockiert sein, aber „Menschen wollen reden und zuhören. In der Regel können wir das.“

Im weiteren Verlauf lieferte der Direktor viel Bekanntes, aber auch einige neue und erfrischende Erkenntnisse über das Phänomen Pegida. So teilte er die Entwicklung der Gruppierung in drei Phasen ein und sprach deren Anfangszeit durchaus eine politische Funktion zu, als ein Weg, der Unzufriedenheit Ausdruck zu verleihen. „Konstruktiv ist Pegida mittlerweile allerdings nicht mehr“, so Richter. Eine ausgeprägte Islam- und Fremdenfeindlichkeit, sowie die Ablehnung gesellschaftlicher und politischer Entwicklungen der Bundesrepublik seien deutlich zu erkennen, auch innerhalb der sächsischen Gesamtbevölkerung. Einzige Ausnahme laut Richter: Leipzig. Die Stadt sei multikulturell geprägt, links und verstehe sich als Bürgerstadt im Gegensatz zur Residenzstadt Dresden. „In mancher Hinsicht muss man sagen, gehört Leipzig nicht zu Sachsen.“

Mit Äußerungen von Politikern wie Justizminister Heiko Maas (SPD), der Pegida beispielsweise als „Schande für Deutschland“ bezeichnet hatte, ging der Direktor jedoch hart ins Gericht. „Das waren erste Ferndiagnosen, obwohl das Verstehen damals erst begonnen hatte.“

Eine so übereilte Be- und Verurteilung habe fatale Folgen für die Auseinandersetzung mit Pegida gehabt. „Der Meinungsaustausch fehlt“, so Richter. Statt aufeinander zu zu gehen, hätten sich die Menschen abgeschottet und interessierten sich nur noch für das, was ihre Überzeugung widerspiegeln. „Wir müssen sie aus diesen Echo-Kammern befreien.“

Letztendlich gebe es keine Alternative zum Dialog. Dieser müsse wiederum auf vielen Ebenen geführt werden. Dabei gab Richter noch einen interessanten Anstoß: „Die DDR hatte nicht das, was die BRD mit den 68ern hatte. Eine Bewegung, die sich mit der Vergangenheit ihrer Eltern auseinandersetzt und diese hinterfragt. Vielleicht sollten wir Pegida als ein – wenn auch weniger positives – Äquivalent ansehen, durch das sich eine neue Chance zur Reflexion und für einen Dialog ergibt.“