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Der Mann mit der Liebe zum Detail

Fritz Stephan hat früher große Maschinen konstruiert. Jetzt baut er sie als kleine Modelle nach. Und spendet seine Kunstwerke für einen guten Zweck.

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© Gerhard Schlechte

Von Jürgen Müller

Lommatzsch. Fast ein bisschen geheimnisvoll führt Fritz Stephan in den Keller seines Hauses. Dann lüftet er das „Geheimnis“. Hinter Glas und von oben mit einer Folie abgedeckt, steht es da: sein Wohnhaus, allerdings im Maßstab 1:25. Und auch hier beeindrucken die naturgetreu nachgebauten kleinen Details bis hin zu Blumenkästen mit Pflanzen. Selbst sein Auto steht originalgetreu im kleinen Maßstab vor der Garage. Es ist der einzige Gegenstand, den er nicht selbst gebastelt hat, sondern ein Miniaturmodell aus dem Autohaus.

Mit Holz hat der 80-Jährige schon immer gern gearbeitet. Vielleicht war das auch der Grund für seinen ursprünglichen Berufswunsch. Er wollte Förster werden. Doch stattdessen ergreift er den Beruf, den auch sein Vater ausübte. Er wurde Schweißer. Später qualifizierte er sich zum Lehrmeister, machte in Roßwein ein Schweißfachingenieurstudium und bildete beim Dämpferbau in Lommatzsch selbst Schweißer aus. Später war er Konstrukteur für Forschung und Entwicklung. Bis 2005, da war er längst Rentner, arbeitete er noch in dem Betrieb, der sich längst Lomma nannte. Doch das Holz ließ ihn nicht los. In seiner Freizeit bastelte der Lommatzscher Minischlitten zu Dekorationszwecken, Vogelnist-, Brut und - Futterkästen. Einen besonderen hat er noch immer im Keller stehen. „Das ist der Mercedes unter den Vogelhäusern“, sagt er stolz. Doch auch Einrichtungen für die Puppenstube oder Tunnel für Modelleisenbahnen entstanden unter seinen geschickten Händen.

Bei einem Besuch in einem Freilichtmuseum in Mecklenburg-Vorpommern, wo unter anderem eine Maschine aus dem früheren Dämpferbau zu sehen war, kam er auf die Idee. „Ich wollte die Erzeugnisse, die in unserem Werk entstanden sind, nachbauen, der Nachwelt erhalten und damit auch die vielen Menschen würdigen, die in dem Betrieb gearbeitet und gute Qualität geliefert haben. Mir kam es darauf an, die Geschichte lebendig zu erhalten“, sagt er. Und so macht sich der Bastler ans Werk. Baut Dampfbehälter, Dampferzeuger, eine Großdämpferanlage aus Holz, Plaste und Leichtmetall nach. Und zwar nicht etwa nach Gedächtnis oder nach Fotos, sondern originalgetreu. Dazu besorgt er sich die Konstruktionsunterlagen. Dabei kommt ihm zugute, dass er einst nicht nur am Reißbrett arbeitete, sondern die Konstrukteure mit raus mussten, die Maschinen im laufenden Betrieb sahen, die Schwachstellen feststellten. „Wir mussten damals viel improvisieren. Das ist mir in meinem Leben immer wieder zugute gekommen“, so der Lommatzscher.

Rund 40 Modelle hat er inzwischen gebaut, praktisch das gesamte Sortiment. Dabei hat er alle Zeit der Welt. „Wenn ich getrieben worden wäre, wären die Modelle sicher nicht so schön geworden“, sagt er. Doch außer ihm und seiner Familie bekam die niemand zu sehen. Durch einen Zufall kam er mit Hartmut Oefner mit Förderverein Schloss Schleinitz ins Gespräch. Der Verein plante im Handwerkermuseum gerade eine Ausstellung über drei große Lommatzscher Landwirtschaftsbetriebe. „Ich hätte da was“, sagte er, und Oefner nahm das Angebot dankbar an. 30 der Stephan'schen Modelle sind jetzt im Handwerkermuseum zu sehen. Erst als Leihgabe gedacht, hat der Lommatzscher die Modelle dem Verein übereignet. „Es nützt doch nichts, wenn sie nur zu Hause im Keller stehen“, sagt er. Geld hat er dafür nicht gewollt, dafür bekam er die Auszeichnung „Schleinitzer Rose“. Und hat natürlich freien Eintritt ins Museum auf Lebenszeit.

Ein paar Modelle stehen immer noch bei ihm im Keller. Konkrete neue Projekte hat er nicht. Doch dass er mit dem Basteln aufhört, ist wohl unwahrscheinlich. „Mir wird schon etwas einfallen“, sagt er. Vielleicht holt er dann den Bausatz vom Meißner Dom hervor, den ihm die Enkel schenkten. Eine Herausforderung ist das für Fritz Stephan freilich nicht: „Ein Bausatz, das ist doch keine Kunst.“