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In die Seelen der Pferde schauen

Der Besitzer des Wölkauer Pferdestall-Theaters kümmert sich auch um Problemfälle tierischer Art.

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© Wolfgang Wittchen

Von Rainer Könen

Wölkau. Lautes Wiehern und Schnauben. Der Hengst rollt mit seinen Augen, als der Mann am Strick zieht. Vorsichtig setzt das Pferd einen Schritt nach dem anderen auf die Rampe. Dann bleibt es stehen. Aufmunternde Rufe auf dem Transporter. Mit seinem rechten Vorderhuf stampft das temperamentvoll wirkende Tier auf den Planken herum. Wieder so ein durchdringendes Wiehern. Während der Mann heftiger am Strick zieht, versuchen einige seiner Freunde, das Ross hinauf in den Anhänger zu schieben.

Der Schauspieler Jethro D. Gründer erinnert sich noch gut an diesen Tag, an dem er mit einem Kollegen zu einem Wanderritt aufgebrochen war. Sie hatten kurz zugeschaut, registriert, dass „sich das Tier nicht von der Stelle rührte“, so der 59-Jährige, der in dem kleinen, bei Bischofswerda gelegenen Ort Wölkau lebt, wo er ein Pferdestall-Theater betreibt. Als sie nach zwei Stunden wieder an dem Hof vorbeikamen, stand der Hengst immer noch auf der Rampe. Eigentlich wollte Gründer weiter, „ich hatte ja am Abend eine Vorstellung“. Doch unvermittelt befand er sich mitten im Geschehen. Aus Neugier, und weil er wissen wollte, wo hier das Problem lag. Er erfuhr, dass dieses Pferd aus Südamerika stammt. Sein Eindruck: Es hatte gar keine Angst vor dem Transporter, vielmehr genoss es einfach nur, im Mittelpunkt zu stehen, die hektische Aufmerksamkeit, die man ihm schenkte, die Leckerlies, mit denen man es in den Anhänger locken wollte. Nur habe das keiner der Umstehenden erkannt, erinnert er sich. Er habe dem Tier mit klarer Körpersprache gezeigt, was er wollte. Das Ergebnis: Der Vierbeiner verstand, nach zehn Minuten sei das Pferd im Transporter gewesen.

Von Thüringen in die Lausitz

Zum Pferdestall-Theater

Jethro D. Gründer bietet nicht nur Hilfe bei Problempferden an, er gibt auch Reitunterricht. Zudem kann man auf ein- oder mehrtägigen Wanderritten mit ihm die Lausitz erkunden.

Die Spielzeit 2018 im Theater im Pferdestall (TiP) in Wölkau beginnt am 2. März, 20 Uhr, mit dem Stück „Mein letzter Wille“, einem kleinen Ratgeber für den eigenen letzten Nachruf. Die erste Premiere findet am 8. März, 20 Uhr, statt. „Donnerwetter, da habe ich mich ja umsonst besoffen!“, heißt dieses Zweipersonenstück, das sich ums Thema „Bier“ dreht.

Anfragen und Infos unter Telefon 03594 714738; 0171 2366836 oder per E-Mail: [email protected], www.gruender-gut.de

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Damit war nicht unbedingt zu rechnen. Pferde kennen ja keine Zeit, „solche Sachen können sich mitunter Stunden hinziehen“, weiß Gründer. Der gebürtige Thüringer lebt seit einigen Jahren in der Lausitz, er hat sich mit Frau und Kind in Wölkau niedergelassen, wo er aus einem ehemaligen Stall ein kleines Theater schuf. Der Schauspieler, Stückeschreiber und Regisseur hat ein großes Herz für Tiere, insbesondere für Pferde. Sieben hat er derzeit, die sich auf einer weiträumigen Koppel, unweit seines Hofes, ganzjährig aufhalten. Er bietet Reitunterricht an, bildet Reiterkomparsen aus, und wenn man mit seinem Pferd nicht mehr klar kommt, kann man dieses zu ihm bringen. Sogenannte Problempferde. Die zum Problem für ihre Besitzer geworden sind. Oder die Besitzer für sie. Hat doch Gründer in all den Jahren, in denen er sich mit der Psyche der Pferde beschäftigt, gelernt, dass der Auslöser für die Schwierigkeiten zu „99,9 Prozent“ beim Menschen liegt. Was damit zusammenhängt, dass es oft am Grundsätzlichen in einer solchen Beziehung mangelt. Der Fähigkeit, das Pferd zu verstehen, sich in dessen Seelenleben einzufühlen.

Um ein Pferd zu verstehen, müsse man mit ihm kommunizieren. „Das kann im Prinzip jeder“, meint Gründer. Schließlich gehört die Fähigkeit zur Kommunikation zur menschlichen Grundausstattung. Allerdings ist diese Eigenschaft bei vielen, vor allem in der heutigen Zeit, nicht mehr sonderlich ausgeprägt. Jethro D. Gründer erwähnt Pferdeflüsterer-Größen, erzählt vom legendären und weltbekannten US-Amerikaner Monty Roberts, schildert, wie der auch mit den vermeintlich hoffnungslosesten Fällen zurechtkam. Während des Gesprächs schwingt latent immer etwas von Robert Redfords legendärem Pferdeflüsterer-Film mit. Diesem Filmklassiker aus den 1990er Jahren, in dem Redford einen Rancher in Montana spielt, der ein spezielles Talent zum Therapieren von traumatisierten Pferden hat.

Ja, der „Kollege Redford“, so Gründer, der habe mit seinem Film Menschen, die einen besonderen Draht zu den Vierbeinern haben, weltweit bekannt gemacht. Menschen, die eine ganz bestimmte Art im Umgang mit Pferden haben, die mit ihnen in deren Sprache „reden“, in der Sprache des Körpers. Die sie beobachten und die vor allem einfühlsam sind. Mit anderen Worten: die ein Pferd lesen können, wie es Gründer beschreibt. Pferde sind ein Gefühl auf vier Beinen, hat mal einer von Roberts Pferdeflüstererkollegen, der US-Amerikaner Pat Parelli, gesagt. Wer diese verstehen will, erst recht sie führen, muss sich auf ihre Gefühlsebene begeben.

In Wölkau genügend Platz für Pferde

Seit den 1990er Jahren beschäftigt sich der gebürtige Eisenacher mit Pferden, über das Warum ihres Verhaltens. „Diese Tiere haben mich seit meiner Schauspielausbildung, in der ich auch reiten lernte, fasziniert.“ Als er sich vor neun Jahren in Wölkau niederließ, wo er mit seiner Frau Mandy einen 150 Jahre alten Hof kaufte, fand er dort auch endlich genügend Platz für seine Pferde, mit denen er sich seitdem täglich beschäftigt. Mit großer Leidenschaft widmet er sich der sanften Methode der Pferdeausbildung, ohne Sporen und Peitsche. Horsemanship genannt, worunter man einen naturverbundenen und harmonischen Umgang mit dem Tier versteht.

Wenn man ihm Problempferde gibt, gilt für Gründer, dass „bei der Korrektor auf jeden Fall der Besitzer mit dabei sein muss.“ Nur so erfährt er, wo das grundsätzliche Problem in dieser Beziehung zwischen Ross und Reiter liegt, und nur im Miteinander kann er diese gestörte Beziehung zwischen Mensch und Tier „heilen“. Neben fehlendem Einfühlungsvermögen können das übersteigerte Erwartungen des Besitzers sein, traumatische Erfahrungen in der Pferdeerziehung oder Fehler in der Haltung des Tieres.

Ein Problempferd hatte Jethro Gründer bis vor kurzem in seiner eigenen Herde. Jahrelang kam er mit dem Wallach seiner Frau nicht zurecht. Der habe sich kaum reiten lassen, erzählt er. Der Grund: Als seine Frau dieses Pferd vor einigen Jahren kaufte, habe er ihr davon abgeraten. Denn: „Ich fand, dass das Tier nicht in unsere Herde passt.“ Aber seine Frau ließ sich nicht umstimmen. Seine unterschwellige Abneigung habe das Pferd gespürt, ein schwieriger Umgang sei das gewesen. Erst als der Wallach eine schwer erkrankte 25-jährige Stute, die er jüngst habe einschläfern müssen, tagelang auf der Weide getröstet habe, kam die Wende. „Ich denke, das Tier hat registriert, dass ich sein Verhalten einfach bemerkenswert fand“, so Gründer. Seine Antipathie sei von einem Tag auf den anderen verschwunden. Seitdem „haben wir ein richtig gutes Verhältnis zueinander“.

Den Begriff Pferdeflüsterer mag er im Übrigen gar nicht. „Ich finde den schrecklich.“ Denn das klinge ja so, also ob es sich um eine Magie, um eine Geheimwissenschaft handle. Was es ja keineswegs sei.

Er sieht sich einfach als einen Horseman, als Pferdemann, als jemand, der versucht, das Wesen dieser Tiere zu verstehen. Jeden Tag aufs Neue.